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„Ohne Raps fallen wir in ein Eiweißloch“

Lesezeit: 5 Minuten

Der Verband der ölsaatenverarbeitenden Industrie (OVID) fordert von der Bundesregierung ein Umdenken beim Thema Eiweißpflanzenstrategie. Der Anbau von Raps muss sich wieder lohnen.


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Dr. Schmidt, in Ihrem Positionspapier „OVID-Eiweißstrategie 2.0“ warnen Sie bei Futtermitteln eindringlich vor einem Proteinloch in Deutschland. Wie schlimm ist die Situation wirklich?


Schmidt: Die Eiweißlücke ist nachweislich deutlich größer geworden. Der Selbstversorgungsgrad bei heimischen Proteinfuttermitteln ist innerhalb weniger Jahre von über 40% auf aktuell nur noch 28% gesunken.


Woran liegt das?


Schmidt: Ein Problem ist, dass die Bundesregierung mit der im Jahr 2013 gestarteten nationalen Eiweißpflanzenstrategie falsche Akzente setzt. Vor allem die sehr einseitige finanzielle Förderung der klassischen Körnerleguminosen wie Lupinen, Ackerbohnen und Erbsen bereitet uns Schwierigkeiten.


Wo liegt das Problem?


Schmidt: Wenn Körnerleguminosen stärker in der Fruchtfolge berücksichtigt werden, geht das meist zulasten der Anbauflächen für Getreide oder Raps. Im Endeffekt führt das zu insgesamt geringeren Proteinerträgen, da der Eiweißertrag allein bei Getreide aufgrund der hohen Erntemengen durchschnittlich um 0,15 t pro ha höher liegt als bei heimischen Körnerleguminosen. Beim Raps ist der Vorteil in Bezug auf Eiweiß noch größer.


Die Sojabohne liefert 1 t Eiweiß pro ha und damit ähnlich viel wie Raps und Getreide. Ist sie eine Alternative?


Schmidt: Nur bedingt, denn die Anbauflächen für Sojabohnen sind in Deutschland begrenzt. Bisher liegen nur in Süddeutschland gute Praxiserfahrungen vor. Experten schätzen, dass der Sojabohnenanbau im Süden weiteres Potenzial hat. Schätzungen gehen davon aus, dass man die Anbaufläche von derzeit 24000 ha auf 100000 ha erhöhen kann. In anderen Regionen sind die Voraussetzungen hingegen weniger optimal. Sojabohnen kann man allenfalls noch dort säen, wo klimatisch günstige Anbaubedingungen herrschen und die notwendigen Wärmesummen gegeben sind. Günstige Bedingungen finden sich u.a. in der Lausitz, südöstlich von Berlin.


Was läuft noch schief?


Schmidt: Der Rapsanbau bricht ein. Im letzten Herbst haben die deutschen Ackerbauern nur noch auf 0,9 Mio. ha Raps ausgesät. Das hat verschiedene Gründe: Zuletzt stellte das Wetter ein großes Problem dar. Entweder war es bei der Aussaat zu nass oder im Frühjahr und Sommer zu trocken. Aber auch das Verbot der Neonicotinoide, also der insektiziden Beizmittel, hinterlässt Spuren. Seitdem haben schwer bekämpfbare Schädlinge wie Rapserdfloh und Kleine Kohlfliege freie Fahrt.


Gleichzeitig sorgen die anhaltenden Diskussionen um die Umsetzung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II) und die zukünftige Rolle von Biokraftstoffen aus Anbaubiomasse für Verunsicherung bei den Rapserzeugern. Sie wissen z.B. nicht, ob der 40%ige Ölanteil der Rapspflanze noch einen Markt findet.


Wie können wir dem Raps wieder zu alter Blüte verhelfen?


Schmidt: Hier ist vor allem die Politik gefordert. Sie muss die Weichenstellungen so verändern, dass der Rapsanbau wieder interessanter für die deutschen Bauern wird. Wir sollten z.B. stärker neue Züchtungsmethoden nutzen – hier blockiert die Politik weiterhin sehr stark.


Zudem muss verstärkt Geld in die Entwicklung neuer Rapssorten fließen, die z.B. toleranter gegenüber Hitze und Trockenheit sowie widerstandsfähiger gegenüber Rapskrankheiten und Schädlingen sind und mehr Stickstoff binden können.


Gerade beim Thema Stickstoffbindung bietet der Raps große Vorteile. Er nimmt z.B. bereits im Herbst größere Stickstoffmengen auf. Ein großer Teil des mineralischen N-Vorrats wird dadurch in Pflanzen gebunden, sodass die Stickstoffverluste deutlich reduziert werden können.


Womit glänzt der Raps noch?


Schmidt: Bei der Rapsverarbeitung anfallendes Rapsschrot liefert in erheblichem Umfang schwefelhaltige Aminosäuren wie Methionin und Cystin. Die Gehalte bei den einheimischen Körnerleguminosen sind deutlich niedriger, diese enthalten mehr Lysin. Aus Sicht der Tierernährung bietet es sich daher an, Rapsschrot und einheimische Körnerleguminosen in den Futterrationen zu kombinieren.


Zu erwähnen ist auch der hohe Vorfruchtwert von Raps. Der Mehrertrag von Weizen nach Raps liegt bei rund 10%. Außerdem verbessert der Rapsanbau das Bodengefüge, weil die Pflanzen tief wurzeln. Letztendlich ist Raps sowohl ökonomisch als auch ökologisch wertvoll. Denn durch die gleichzeitige Produktion von Pflanzenöl und Eiweiß auf derselben Ackerfläche werden die natürlichen Ressourcen sehr gut ausgenutzt.


Wie sehen Sie die Rolle der Insekten?


Schmidt: Fakt ist, dass es noch erhebliche Wissenslücken zum Nährwert von Insektenproteinen gibt, die Verdaulichkeit der Nährstoffe ist nicht optimal und die Insektentrockensubstanz enthält mit 30 bis 40% sehr viel Rohfett.


Ein weiteres Problem ist der doppelte Transformationsverlust. Wenn Insekten zuerst zu Futtermittelzwecken gezüchtet werden, kostet das viel mehr Energie und es entstehen mehr Emissionen als wenn man Futterproteine direkt an landwirtschaftliche Nutztiere verfüttert.


Die Einfuhr von Sojaschrot wird kritisch gesehen. Welche Rolle wird der Import zukünftig spielen?


Schmidt: Vorweg muss man sagen, dass Sojaimporte aus Nord- und Lateinamerika weiterhin die tragende Säule bei der Versorgung mit Proteinfuttermitteln sein werden. Wir müssen deshalb die Bezugskanäle sichern, denn eine vollständige Selbstversorgung bleibt unrealistisch.


Beim Import müssen wir uns noch stärker als bisher darum kümmern, dass nachhaltig erzeugte und zertifizierte Sojabohnen oder Sojaschrote eingeführt werden. Inzwischen sind davon sogar ausreichende Mengen verfügbar. Das Problem ist nur, dass diese längst noch nicht in dem Maße nachgefragt werden. Wir müssen den Verbraucher dazu bewegen, dass er an der Ladentheke bereit ist, für die nachhaltige Produktion zu bezahlen.


marcus.arden@topagrar.com

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