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Resistent gegen die Ödemkrankheit

Lesezeit: 6 Minuten

In der Schweiz werden Schweine gezüchtet, die gegen die Ödemkrankheit resistent sind. Taugt das Modell auch für andere Erkrankungen? top agrar war für Sie vor Ort.


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Kaum ein Thema wird derzeit so hitzig diskutiert wie der Antibiotikaverbrauch bei Mensch und Tier. Denn jeder Antibiotikaeinsatz fördert die Bildung von Resistenzen. Deshalb wird landauf, landab fieberhaft überlegt, wie sich der Antibiotikakonsum senken lässt.


Die größten Einsparmöglichkeiten in der Tierhaltung ergeben sich, wenn die Schweine gar nicht erst krank werden. Ideal wäre eine natürliche Resistenz gegen bestimmte Erreger. Die Tiere müssten dann weder geimpft noch antibiotisch behandelt werden. Alles nur Zukunftsmusik? Beileibe nicht! Bei der Ödemkrankheit gibt es diese resistenten Schweine bereits. In der Schweiz selektiert man in den Edelschwein- und Landrasse-Mutterlinien bereits seit den 90 er-Jahren auf coliresistente Tiere. Mit großem Erfolg!


Gefährliches Shigatoxin:

Die Ödemkrankheit gehört weltweit zu den häufigsten Erkrankungen bei Ferkeln. Sie betrifft hauptsächlich Tiere in der zweiten Woche nach dem Absetzen. Vereinzelt treten die Probleme aber auch noch in der Mast auf.


Die Erkrankung beginnt oft unspektakulär. Die Ferkel verweigern das Futter. Später bilden sich Flüssigkeitsansammlungen an den Augenlidern, auf dem Nasenrücken und in der Magen-Darm-Wand, die sogenannten Ödeme.


Häufig treten bei den erkrankten Ferkeln auch zentralnervöse Störungen auf. Die Tiere wirken schreckhaft, ihr Gang ist steif, sie halten den Kopf schief und laufen im Kreis. Andere liegen auf der Seite und führen mit ihren Beinen ruderartige Bewegungen aus. Die Krankheit verläuft sehr schnell. Deshalb ist eine Behandlung schwierig. Häufig stirbt ein Teil der erkrankten Ferkel. Auslöser der Ödemkrankheit sind E. coli-Bakterien, die sich explosionsartig im Darm der Ferkel vermehren. Diese Bakterien heften sich mit fadenförmigen Anhängen, den Fimbrien, an spezielle Rezeptoren der Darmwand des Ferkels. Die Ödemkrankheit wird zumeist durch E. colis mit dem Fimbrientyp 18 (Coli F18) verursacht.


Nach dem Anheften produzieren die Bakterien ein hoch toxisches Gift, das sogenannte Shigatoxin, und schütten es in die Blutbahn aus. Für die typischen Krankheitssymtome sind also nicht die Bakterien selbst verantwortlich, sondern das von ihnen produzierte Gift.


Genetisch resistente Ferkel:

Anfang der 90er-Jahre entdeckten Wissenschaftler der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich, dass es Schweine gibt, denen die speziellen Rezeptoren für die Coli F18 fehlen. Diese Tiere erkrankten daher nicht an der Ödemkrankheit, sie besaßen eine natürliche Resistenz. Auslöser ist eine Mutation auf Chromosom 6 dieser Tiere.


Voraussetzung für die Coli F18-Resistenz ist allerdings, dass die resistente Genvariante von beiden Elternteilen weitergegeben wird. Sowohl die Sau als auch der Eber dürfen nicht anfällig gegenüber dem Shigatoxin sein. Denn für jedes Gen gibt es zwei Ausprägungen (siehe Übersicht). Und nur die rein-erbig (homozygoten) resistenten Tiere sind vor der Ödemkrankheit geschützt. Bei der Coli-Resistenz steht die Merkmalsausprägung „G“ für anfällig und „A“ für resistent. Unempfindlich sind nur die A/A-Ferkel.


Nachdem man die natürliche Resistenz bei einigen Schweinen entdeckt hatte, begannen in der Schweiz einige Zuchtbetriebe, auf dieses Merkmal zu selektieren und genetisch Coli-resistente Tiere zu züchten. Seit 2006 koordiniert und finanziert das Schweizer Dienstleistungszentrum für die Schwei-neproduktion Suisag die Selektion auf genetische Coli F18-Resistenz.


Zunächst konzentrierte sich die Suisag auf die Edelschwein-Mutterlinie. Denn diese Linie wird eigenständig in der Schweiz gezüchtet. Ergebnis: Bereits seit 2011 sind alle Edelschwein-KB-Eber reinerbig resistent gegen Coli F18.


Da diese Eber gleichzeitig die Väter der meisten Edelschwein-Jungsauen in der Schweiz sind, kann man davon ausgehen, dass inzwischen auch 85 bis 90 % der Edelschwein-Jungsauen aus Schweizer Kernzuchtbetrieben ebenfalls rein-erbig resistent sind. Mit anderen Worten: In der Schweizer Edelschwein-Mutterlinie ist die Coli F18-Resistenzzucht nahezu abgeschlossen.


Nicht ganz so weit ist die Zucht bei der zweiten Mutterlinie, der Schweizer Landrasse. Auch hier wurde 2006 mit der Resistenzzucht begonnen. Da die Population aber relativ klein ist, ist man auf regelmäßige Genetikimporte aus dem Ausland angewiesen, vor allem aus Frankreich. Dort legt man bisher aber keinen Wert auf Coli-Resistenz. Deshalb wird das anfällige Allel „G“ aus der Schweizer Landrassepopulation vermutlich nie ganz verschwinden. Derzeit stehen sieben reinerbig resistente Land-rasseeber in Schweizer KB-Stationen.


Da Sauen und Eber jeweils die Hälfte der Erbinformation für ein Mastferkel beisteuern, muss natürlich auch auf Vaterseite auf Coli F18-Resistenz selektiert werden. In der Schweiz kommen überwiegend Edelschwein-basierte Endstufeneber (Premo-Eber) zum Einsatz. Ihr Marktanteil beträgt etwa 70 %. Das ist die einzige in der Schweiz selbst gezüchtete Eberherkunft.


Bei den Premo-Ebern hat man 2010 mit der Resistenzzucht begonnen. Pro Jahr werden von den Eberzüchtern rund 1 200 männliche Saugferkel auf Coli-Resistenz untersucht. Die Untersuchung erfolgt anhand von sogenannten Ohrstanzproben, die parallel zum Tätowieren der Zuchtferkel gewonnen werden.


Für ihre KB-Stationen kauft die Suisag bevorzugt reinerbig Coli-resistente Eber (A/A) zu. Inzwischen sind 55 der rund 140 aktiven Premo-Eber in der Schweiz reinerbig resistent. Und es kommen laufend neue Eber hinzu. Erste Coli F18-resistente Eber wurden auch an Besamungsstationen in Bayern und Westfalen verkauft.


Impfen oder Resistenzzucht?

Im Kampf gegen die Ödemkrankheit gibt es seit gut zwei Jahren aber auch noch eine zweite Waffe, die vorbeugende Impfung mit einem Toxoid-Impfstoff (siehe top agrar 10/2012). Die Saugferkel werden am 4. Lebenstag geimpft, damit sie bis zum Absetzen einen belastbaren Impfschutz aufbauen können. Die geimpften Tiere bilden Antikörper, die über das Blut zirkulieren und das aus dem Darm aufgenommene Shigatoxin neutralisieren.


Nach allen bisher vorliegenden Erfahrungen funktioniert die Impfung sehr zuverlässig. Es treten nach der Impfung keine ödematisierten Tiere mehr auf, und der Impfschutz der Tiere ist stabil. Er hält bis in die Mast hinein.


Die Impfung kostet jedoch Zeit und Geld. In der Schweiz sind deshalb einige Betriebe, die mit Ödemen große Probleme haben, dazu übergegangen, beide Verfahren miteinander zu kombinieren: Zur Remontierung setzen sie nur noch Coli F18-resistente Jungsauen ein, und die Sauen werden nur noch mit Sperma von resistenten Ebern belegt. Die Ferkel der älteren Sauen, die noch nicht über die Coli F18-Resistenz verfügen, werden am vierten Lebenstag mit der Shigatoxin-Vakzine geimpft. Sobald die Sau dann das entsprechende Alter erreicht hat oder aus anderen Gründen ausscheidet, wird sie gegen eine coli-resistente Jungsau ausgetauscht.

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