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Rettet der Abluftfilter unser Klima?

Lesezeit: 5 Minuten

Deutschland muss seinen Ammoniakausstoß drastisch senken. Umweltministerin Barbara Hendricks fordert deshalb Abluftfilter für alle BImSchG-Betriebe. Ist das der richtige Weg, oder übertreibt die Ministerin?


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Der jährliche Ammoniakausstoß (NH3) darf in Deutschland laut europäischer NEC-Richtlinie ma-ximal 550000 t betragen. Die Realität hingegen sieht ganz anders aus. Im Jahr 2014 „pustete“ Deutschland ca. 740000 t NH3 in die Atmosphäre. Schuld daran ist unter anderem die Fleischerzeugung. Mit über 8,2 Mio. t erreichte sie 2015 einen neuen Rekordwert.


Die NH3-Emissionen aus der Tierhaltung führen zu einer Überversorgung schützenswerter Biotope mit Nährstoffen, sie belasten das Trinkwasser (Nitrat) und tragen zur großflächigen Versauerung von Gewässern und Böden bei, die zu weiteren Sekundäremis-sionen führen. So werden zum Beispiel Schwermetalle ausgewaschen und klimarelevante Gase freigesetzt. Ferner verursacht die Tierhaltung Geruchs-belastungen im Umkreis von Ställen sowie Staub- und Bioaerosol-Emissionen, deren umweltmedizinische Bewertung strittig ist.


Die genannten Probleme haben mittlerweile dazu geführt, dass die Nutztierhaltung in der Bevölkerung stark in Verruf geraten ist. Damit sich das wieder ändert und Deutschland seine Umwelt- und Klimaziele endlich erreicht, muss die Landwirtschaft in Zukunft einen größeren Beitrag zur Minderung der Emissionen leisten. Wegen ihrer großen wirtschaftlichen Bedeutung als Basis für die Ernährungsindustrie ist dabei allerdings zu berücksichtigen, dass sich die Tierhaltung nachhaltig entwickeln kann.


Die Abluftreinigung kann ein Weg sein, denn sie löst viele Probleme. Abluftfilter reduzieren die Emissionen aus zwangsbelüfteten Schweineställen mit eignungsgeprüften Verfahren wirksam, nachweislich und dauerhaft. Die Ammoniak-, Staub- und Bioaerosolemissionen sinken um mehr als 70%. Und tierspezifische Gerüche werden z.T. soweit abgebaut, dass die Tierhaltung gar nicht mehr wahrgenommen wird.


Abhängig von den notwendigen Emissionsminderungen und den wirtschaftlichen Verhältnismäßigkeiten können entweder der gesamte Volumenstrom oder auch nur Teile davon gefiltert werden. Maßgeschneiderte Lösungen für neue Stallanlagen oder größere Altanlagen sind also möglich.


Die Abluftreinigung trägt damit wirksam zur Vermeidung und Lösung von Umweltproblemen und Nachbarschaftskonflikten bei. Gleichzeitig erleichtert sie den Städten und Kommunen eine sichere Bauleitplanung und kann helfen, bereits überlastete Orts-lagen nachträglich zu sanieren.


Auch wirtschaftlich ist der Filter tragbar. Warum sonst laufen auf deutschen Höfen bereits mehr als 1200 Abluftreinigungsanlagen? Und in vier Bundesländern gibt es „Filtererlasse“, die die Abluftreinigung unter anderem für große neue Schweinehaltungsanlagen zum Stand der Technik erklären und dessen Einsatz für wirtschaftlich vertretbar einstufen.


Wirkliche Alternativen mit vergleichbaren und dauerhaften Minderungs-effekten sind in Deutschland ohnehin nicht verfügbar, wenn man einmal von der Abstockung der Tierbestände absieht. -ar-


KONTRA


Können Mindestabstände zum Schutz von Mensch und Umwelt nicht eingehalten werden, muss eine neue Tierhaltungsanlage mit Abluftreinigung ausgerüstet werden. Daran besteht kein Zweifel. Den Filter aber aus reiner Vorsorge und auch für Bestandsanlagen zu verlangen – wie derzeit durch einige Ländererlasse und im Entwurf der überarbeiteten TA-Luft vorgesehen – ist falsch! Ohnehin wäre das nur zulässig, wenn der Filter tatsächlich dem Stand der Technik entsprechen würde.


Das ist laut einschlägigen Rechtskommentaren nur dann der Fall, wenn selbst durchschnittlich erfolgreiche Schweinehalter trotz Filter noch eine positive Wirtschaftlichkeit erzielen. Diese ist aber angesichts der immensen Kosten der Abluftreinigung nicht gegeben. Selbst bei großen Anlagen mit mehr als 2000 Mastplätzen kostet der Filtereinsatz 5 bis 7€ pro Mastschwein! Die Zahlen bestätigt eine bundesweit tagende Arbeitsgruppe des KTBL, die sich mit dieser Fragestellung intensiv auseinandergesetzt hat.


Zu bedenken ist auch: Bei einem Neubau kann der Bauherr die Kosten in seiner Kalkulation berücksichtigen und danach seine Investitionsentscheidung treffen. Wer eine Altanlage nachrüsten muss, kann dies nicht. Der Landwirt müsste unter Umständen mit massiven wirtschaftlichen Einbußen rechnen. Aber vielleicht ist ja genau das das wahre politische Ziel.


Auch der Nutzen für die Umwelt ist äußerst fraglich. So kam jüngst eine sächsische Studie zu dem Ergebnis, dass Abluftreinigungsanlagen aufgrund ihres hohen Energiebedarfs eine negative Treibhausbilanz ausweisen.


Andere Berechnungen zeigen, dass bei einer Ausrüstung aller in Deutschland vorhandenen BImSchG-genehmigten Schweinehaltungsanlagen mit einer Abluftreinigung nur 15 Kilotonnen (kt) weniger Ammoniak ausgestoßen werden. Bei einem Gesamtausstoß von 550 kt NH3 sind dies nicht einmal 3%. Damit wird ganz klar das Argument ausgehebelt, dass Abluftreinigungsanlagen einen wesentlichen Beitrag zur Reduzierung der bundesweiten NH3-Emissionen leisten können.


Allem Anschein nach helfen in der Gesamtdiskussion um den Abluftfilter die zuvor genannten stichhaltigen Argumente aber nicht mehr. In vielen Expertenrunden regiert Populismus pur, während die fachliche Auseinandersetzung zusehends unter den Tisch fällt. Die Fronten sind verhärtet.


Und so wie auf politischer Ebene derzeit mit dem Thema Abluftreinigung umgegangen wird, bleibt der Eindruck, dass das Hauptziel nicht der Schutz der Umwelt, sondern die Abschaffung weiter Teile der Nutztierhaltung ist. Für diese These spricht, dass das Umweltbundesamt jüngst erklärte, dass die deutschen Klimaziele nur durch eine Abstockung der Tierzahlen erreicht werden können.


Sollte das tatsächlich das Ziel der Politik sein, sollte man das offen und ehrlich kommunizieren. Denn dann könnten wir uns den Einbau teurer Abluftfilter sparen und viele Tierhalter vor dem wirtschaftlich Ruin bewahren.-ar-

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