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topplus Caro Testet

Schluss mit dem Verzählen!

Lesezeit: 10 Minuten

Schweine zu zählen, ist aufwendig. Mit dem „Pig-Counter“ hat das Start-up corvitac ein voll-automatisches Zählsystem entwickelt, das dem Landwirt diese Arbeit abnehmen soll.


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Flitzende Ferkel beim Umstallen richtig zu zählen ist gar nicht so leicht. Die Gefahr, Fehler zu machen, ist relativ hoch. Verzählt man sich und muss von vorne anfangen, ist das nervig und kostet Zeit. Und am Ende geht es auch ins Geld, wenn auf der Abrechnung Ferkel oder Schlachtschweine fehlen. Dann ist Ärger vorprogrammiert.


Das Start-up corvitac aus Hannover will das lästige Tierzählen per Auge für Schweinehalter erleichtern und hat den „corvitac Pig-Counter“ entwickelt. Das vollautomatische System mit Kamera soll dem Schweinehalter den Job abnehmen, damit dieser sich voll und ganz auf den Umstallungsprozess konzentrieren kann und noch mehr Zeit für die Tierbeobachtung hat.


Die Idee dazu kam corvitac-Gründer Manuel Sprehe auf dem elterlichen Betrieb, weil immer wieder abgesetzte Ferkel fehlten. Gemeinsam mit zwei weiteren Teamkollegen entwickelte er aus diesem Grund den Pig-Counter. Doch wie zuverlässig funktioniert die Ferkelerkennung und für wen lohnt sich das Gerät? Für diese „Caro testet“-Folge habe ich den Pig-Counter in einem Sauenbetrieb beim Ferkelabsetzen ausprobiert.


Kompakte Bauweise


An unserem Testtag sollen rund 700 Ferkel abgesetzt werden. Wie viele Ferkel es genau waren, das wird der Pig-Counter am Ende unseres Tests anzeigen. Die Voraussetzung dafür ist jedoch, dass das Gerät ein Schwein überhaupt erst als solches erkennt. Dazu nutzt das System ein sogenanntes künstliches neuronales Netz. Der Pig-Counter ist so programmiert, dass er in mehreren Informationsverarbeitungsschritten ein durch das Kamerabild laufendes Schwein erkennt. Die Technik funktioniert so ähnlich, wie die Gesichtserkennung beim Smartphone. Eine zusätzliche Ausstattung mit Lesegeräten oder RFID-Ohrmarken wird übrigens nicht benötigt.


Der Pig-Counter selbst ist kompakt gebaut und besteht aus zwei Teilen: Zum einen aus einer Kamera, die das Video der vorbeilaufenden Tiere aufnimmt. Und zum anderen aus einer Recheneinheit, die über ein Kabel mit der Kamera verbunden ist und die Videodaten verarbeitet.


Der Pig-Counter ist auch für weniger technikbegeisterte Schweinehalter geeignet. Denn die Recheneinheit besitzt nur je einen Start- und Stop-Knopf. An der Seite der Hardwareeinheit befinden sich noch die Anschlüsse für Strom und Netzwerk. Ist ein Kabel nicht richtig eingestöpselt, ertönt sofort ein akustisches Signal. Bei der Anwendung des Pig-Counters kann ich also nicht viel falsch machen − top! Die Montage des Pig-Counters sollte der Hofelektriker übernehmen. Bei der Installation ist es nämlich wichtig, dass die Kamera genau positioniert ist und exakt auf die Höhe und Breite des Zentralgangs kalibriert wird.


Um menschliche Fehlerquellen auszuschließen und den Schweinehalter für den Umgang mit dem Kamerasystem zu sensibilisieren, wird die Inbetriebnahme demnächst mit Videoanleitungen weiter vereinfacht werden.


Vor Verladerampe montieren


Idealerweise wird der Pig-Counter an einer Stelle montiert, die alle Schweine passieren müssen, wie z.B. wenige Meter vor der Verladerampe. Die Hardwareeinheit sollte in der Nähe der Kamera und einer Steckdose an der Wand montiert sein. So verhindert man Kabelsalat im Stall. Wichtig ist, dass der Pig-Counter in einem Bereich ohne Zugluft hängt, damit die Ferkel entspannt laufen und sich kein Rückstau unter der Kamera bildet, denn „gestapelte“ Ferkel kann das System nicht erkennen. Auch sollte kein direktes Sonnenlicht in den Erfassungsbereich der Kamera fallen.


Damit das Kameraobjektiv die gesamte Breite des Zentralgangs abdecken kann, muss die Kamera in ca. zwei bis drei Metern Höhe hängen. In unserem Testbetrieb ist der Pig-Counter etwa vier Meter vor der Verladerampe montiert. Die Kamera hängt in 2,70 m Höhe von der Decke des Zentralgangs und erfasst dabei eine Breite von 2,20 m. Gut zu wissen: Breitere Zentralgänge lassen sich erfassen, indem man den Winkel des Kameraobjektivs nachjustiert.


Pro Verladerampe oder Stall sollte man eine Kamera installieren. Die transportable Recheneinheit kann hingegen flexibel an mehreren Verladerampen bzw. Ställen zum Einsatz kommen.


In fünf Minuten Video sichten


Bevor die ersten Ferkel kommen, aktiviere ich den Pig-Counter per Knopfdruck. Eine grüne Signalleuchte blinkt und zeigt an, dass das Gerät aufnahmebereit ist. Die Kamera beginnt mit der Videoaufnahme, sobald die ersten Ferkel durch das Bild laufen.


So kommen keine unnötig langen Sequenzen zustande, auf denen minutenlang kein Tier durch das Bild läuft − praktisch! Jetzt wird es wuselig, denn im Zentralgang tummeln sich bereits rund 300 Ferkel, die ich in zwei Partien aufteile und unter dem Pig-Counter in Richtung Verladerampe treibe. Ein Gefühl dafür, wie zügig die Ferkel getrieben werden sollten, entwickle ich schnell. Per Stop-Knopf kann ich den Pig-Counter auf Pause schalten. Das Video wird dann in der Prozessoreinheit gespeichert. Wichtig: Nicht vergessen, erneut den Startknopf zu drücken, sobald die nächste Ferkelpartie gezählt werden soll! Sonst zählt das System nicht mit. Nachdem die erste Partie aufgeladen ist, stelle ich fest, wie schnell ich mich auf das Gerät verlassen habe: Spätestens nach zwei Dutzend Ferkeln habe ich aufgehört, im Kopf mitzuzählen. Ob das eine gute Idee war?


Nachdem alle Ferkel abgesetzt und verladen wurden, drücke ich letztmalig den Stop-Knopf. Die Ergebnisvideos befinden sich schon kurz nach der Umstallung im Speicher des Zählsystems. Jetzt habe ich zwei Möglichkeiten, um zu kontrollieren, ob der Pig-Counter richtig gezählt hat. Entweder können die Videos direkt auf den Betriebs-PC übertragen werden. Denn die Hardware ist transportabel und kann mit einem Handgriff abmontiert und mitgenommen werden. Oder ich sichte die Videos direkt im Stall auf dem Tablet bzw. Smartphone. Das funktioniert sogar ohne Internet, sofern ein gemeinsames internes Computer-Netzwerk genutzt wird.


Bei jedem abgeschlossenen Zählvorgang hat das Programm automatisch ein neues Video mit Datum und Uhrzeit abgespeichert. Über die corvitac-Homepage oder die App gelange ich mit meinen Zugangsdaten in ein Menü und kann die Videos abspielen. In Unterordnern sind die Videos der einzelnen Ferkelpartien aufgelistet. Von den anderthalb Stunden, die wir für das Absetzen der rund 700 Ferkel benötigt haben, bleiben am Ende nur rund fünf Minuten Videomaterial übrig. Diese Videodauer reicht aus, um zu kontrollieren, ob der Pig-Counter wirklich jedes abgesetzte Ferkel erfasst hat.


Genauer Zählprozess


Die Videosichtung teste ich sowohl auf dem Tablet als auch auf dem Betriebs-PC. Startet man die Videos, erscheint auf dem Display der Bildausschnitt der Kamera. Über einen Geschwindigkeitsregler kann ich zudem einstellen, wie schnell die Tiere durch das Bild laufen. Sobald ein Ferkel am unteren Bildschirmrand in das Bild läuft, erscheint ein weißer Punkt auf dem Rücken des Tieres. Der Punkt haftet dem Ferkel die gesamte Zeit im Bild an. So erkennt das System, ob das Ferkel, das unten im Bild hereinläuft, das gleiche Ferkel ist, das am oberen Bildrand herausläuft.


Zudem zieht das Ferkel eine dünne, grüne Linie hinter sich her, wo es Sekunden vorher noch entlang gelaufen ist. Eine Anzeige oben links im Bildschirm gibt die Tierzahl kontinuierlich an. Läuft ein bereits gezähltes Ferkel im Getümmel wieder zurück, zieht der Pig-Counter das Tier von der aktuellen Tierzahl wieder ab. Auf dem Tablet läuft die Anwendung problemlos und die Ferkelvideos geraten nicht ins Stocken. Auf dem Betriebs-PC hapert es noch etwas an der Geschwindigkeit, mit der die Videos abgespielt werden. An diesem Schönheitsfehler ist corvitac aber dran und behebt ihn. Noch etwas benutzerfreundlicher wäre es, wenn es noch eine Videoleiste gäbe. So könnte der Benutzer die Sequenzen jederzeit nochmal vor- und zurück spulen.


Falls dem Pig-Counter doch einmal ein Ferkel durch die Lappen geht, lässt sich das Tier nachträglich per Fingertipp oder Mausklick mit einem Punkt versehen. In unserem Praxistest hat der Pig-Counter insgesamt 677 Ferkel automatisch erfasst. Bei der anschließenden Videosichtung musste ich drei Ferkel nachträglich von Hand korrigieren, weil die Tiere fälschlicherweise nicht mitgezählt wurden. Die nicht gezählten Ferkel erkennt man sofort beim Sichten der Videos. Nach der Korrektur hat der Pig-Counter exakt 680 Ferkel gezählt.


Ist das Video auf Zählfehler überprüft, werden die Videos bestätigt und abgespeichert. Die Videos erscheinen dann im Menü als bearbeitet und der Anwender sieht auf einen Blick, ob die Videos bereits gesichtet und korrigiert wurden. Eine hundertprozentige Genauigkeit beim automatischen Zählprozess kann der Pig-Counter (noch) nicht garantieren. Nach der Videosichtung kann man sich aber sicher sein, dass die Tierzahl stimmt. Praktisch: Ab Februar 2020 kann das Zählergebnis per Klick auch direkt an die HIT-Datenbank gesendet werden. Auch Rechnungen oder Lieferscheine können automatisch erstellt werden. Eine Gewichts- und Krankheitserkennung bleibt aber wohl vorerst noch Zukunftsmusik.


Verzählen kostet Geld


Der Pig-Counter verschafft Schweinehaltern Arbeitserleichterung. Dieser Service hat jedoch auch seinen Preis: Für die Hardware liegen die Kosten in der Anschaffung einmalig bei rund 1150 €. Hinzu kommt noch die Kamera mit einem Preis von 600 €.


Für jede Tierzählung berechnet das Start-up zudem eine Software-Lizenzgebühr. Die Gebühr wird betriebsindividuell berechnet und liegt pro Tierzählung zwischen 12 und 15 Cent im Monat. Diese Gebühr ist unabhängig davon, ob Ferkel oder Mastschweine gezählt werden sollen. Sämtliche notwendige Service- und Fernwartungskosten sowie Software-Updates sind in den monatlichen Lizenzgebühren enthalten. Aus eigenen Versuchen in Pilotbetrieben weiß das Start-up, was Schweinehalter die Tierzählung „von Hand“ kostet. Ergebnis: Schweinehalter, die ihre Tiere manuell zählen, müssen dafür durchschnittlich etwa 40 Cent pro Tier aufwenden.


Diese Zahl hat corvitac auch angesetzt, um die Amortisierungszeit zu berechnen. „Der Pig-Counter amortisiert sich nach 14 Monaten, wenn monatlich etwa 500 Schweine im Betrieb gezählt werden müssen“, erklärt Manuel Sprehe. Für größere Betriebe, die beim Ein- oder Ausstallen jeden Monat mehr als 500 Tiere zählen müssen, rechnet sich die Investition entsprechend schneller.


Mein Fazit


Der Pig-Counter ist auf den ersten Blick ein unscheinbares Gerät. Aber im Stall nimmt er eine Menge Arbeit ab und hält dem Schweinehalter den Kopf frei, sich auf die Tierbeobachtung zu konzentrieren. Die Bedienung ist einfach und intuitiv. Auf den automatischen Zählprozess alleine kann man sich jedoch nicht zu 100% verlassen und muss die Videos anschließend sichten. Aus anderthalb Stunden Arbeit für das Ferkelabsetzen bleibt unter dem Strich aber auch nur ein kurzes Fünf-Minuten-Video übrig. Nach der Videokorrektur hat man nicht nur ein sicheres Gefühl für die Tierzahl, sondern auch ein zuverlässiges Video, das als Dokumentationsnachweis dient und für die nachträgliche optische Kontrolle der Tiere genutzt werden kann. Praktisch wäre es allerdings noch, wenn ein Display im Stall direkt nach dem Zählprozess die Tierzahl anzeigen würde.


Dieser Service ist auf den ersten Blick zwar nicht günstig. Aber unter dem Strich bietet der Pig-Counter vor allem für Schweinehalter mit größeren Tierbeständen das Potenzial, ihre Arbeitsprozesse zu erleichtern und zu automatisieren. Für Ferkelerzeuger und -aufzüchter ist der Pig-Counter noch etwas praktischer als für Mäster. Denn beim Ferkelzählen verliert man noch etwas schneller den Überblick, als beim Zählen von größeren Schlachtschweinen.


caroline.juecker@topagrar.com


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