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Schöne neue Schweinewelt!?

Lesezeit: 5 Minuten

Seit einem Jahr ist Tönnies im Viehhandel aktiv. Für Dr. Albert Hortmann-Scholten von der LWK Niedersachsen ist das der Beginn gravierender Veränderungen in der Viehvermarktung.


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Schweine werden in Deutschland noch immer überwiegend ohne Verträge vermarktet. Viehhandel, Erzeugergemeinschaften bzw. Genossenschaften steuern dabei die Warenströme, sodass der wettbewerbsfähigste Vermarktungsweg „gewinnt“. Das war das Erfolgsrezept der deutschen Schweinehaltung der letzten Jahre. Doch Schlachtunternehmen und Lebensmitteleinzelhandel (LEH) drängen Erzeuger zunehmend in integrierte Systeme und verändern so die Branche grund-legend – nicht unbedingt zum Vorteil der Landwirte.


Der LEH macht die Regeln.

Dem LEH geht es vor allem um Daten. Der Handel wünscht eine lückenlose Herkunftskontrolle und Rückverfolgbarkeit über alle Stufen. In dieser Kette war die Erzeugerstufe in der Vergangenheit immer ein Schwachpunkt. Lebensmittel-sicherheit ist jedoch nur möglich, wenn vom landwirtschaftlichen Betrieb bis zur Auslieferung des Fleisches alle Prozesse kontrollierbar und steuerbar sind. Das Ziel: Kein Schlachttier ist anonym. Der Informationsbedarf nimmt stetig zu und hat sich zu einem echten Wettbewerbskriterium in der Fleischvermarktung entwickelt.


Auf dem Weg zur völligen Transparenz lassen Aldi, Edeka & Co. zunehmend ihre Muskeln spielen. Widerstand scheint zwecklos, denn die vier größten Handelsketten kontrollieren mittlerweile über 85% der Lebensmittelvermarktung in Deutschland (siehe Übersicht 1). Und der LEH konzentriert sich weiter. Per Ministererlaubnis wurde zuletzt die Übernahme der 451 Kaiser‘s Tengelmann-Filialen durch Edeka gegen den Willen des Bundeskartellamts durchgeboxt. Dadurch wächst der Einfluss auf die vorgelagerten Stufen, und die Handelsketten setzen Schlachthöfe und indirekt auch die Erzeugerstufe mit ihren Vorgaben unter Druck. Der Informationsbedarf steigt übrigens auch beim Fleischexport. Themen wie Bio-sicherheit und Produktqualität gewinnen auch hier an Bedeutung.


Datenkrake Integration:

In einem vertikalen Zusammenschluss lassen sich die nötigen produktionsbegleitenden Daten oft leichter erfassen und kontrollieren als in freien Systemen. Die Blaupause dafür liefert der Geflügelsektor. Übertragen auf den Schweinesektor heißt das, dass sich Ferkelerzeuger, Aufzüchter und Mäster vertraglich an den sogenannten Integrator binden. Die Dienstleister rund um die Erzeugerstufe, d.h. Transporteure, Veterinäre sowie Betriebs- und Produktionsberater, sind entweder direkt beim Integrator angestellt oder per Dienstleistungs-vertrag auf das Unternehmensziel getrimmt. Der freie Vieh- und Fleischhandel, wie wir ihn bislang kennen, spielt dabei keine Rolle mehr.


Die Grenze zwischen freier und integrierter Vermarktung verläuft fließend. Oft geht es auch nur um die Glättung von Preisschwankungen. So bietet der holländische Schlachtkonzern Vion den Schweinehaltern, die am Tierwohlprogramm „Beter Leven“ teilnehmen, seit Januar 2016 einen „Vierwochenpreis“ an. Damit schlägt Vion gleich zwei Fliegen mit einer Klappe:


  • Die Volatilität sinkt, und die kurzfristige Liquiditätsplanung für Schlachter wird erleichtert.
  • Vion sichert sich die Schlachttiere und kann die Produktionsmengen besser abschätzen.


Wirklich neu ist dieses System aber nicht, denn die Westfleisch praktiziert über ihre Best-Ferkel- und Best-Schwein-Verträge in Verbindung mit einem Vierwochenpreis bereits seit Jahren eine enge Anbindung an die Westfleisch eG. Auch einige Erzeuger-gemeinschaften bieten ihren Mitgliedern inzwischen auf Wunsch solche Preisglättungssysteme im Rahmen von 3 bzw. 4-Wochenpreissystemen, so z.B. die EGO in Osnabrück.


Mit solchen Angeboten können Schlachter mittlerweile bei vielen Schweinehaltern punkten. Denn ob ein Zug Schweine am Mittwoch oder Donnerstag verkauft wird, entscheidet am freien Markt schnell über 1000 € mehr oder weniger.


Unbestritten ist, dass die unkalkulierbaren Preis- und Mengenschwankungen am Ende der gesamten Wertschöpfungskette in der Fleischerzeugung schaden. Um die Prozesse zu optimieren, versuchen Schlachter deshalb auch über die Einbindung der Ferkelerzeuger, den Zugriff auf die Mastbetriebe zu stärken. So hat Tönnies Livestock etliche ostdeutsche, niederländische oder auch dänische Sauen-Großanlagen an sich gebunden. Die Strategie: Mäster, die von diesen Betrieben Ferkel beziehen möchten, müssen sich verpflichten, auch die Mastschweine an Tönnies zu liefern.


Klar ist aber, selbst bei dieser „leichten“ Form der Integration gibt der Landwirt seine Flexibilität teilweise auf. Viele Erzeuger tun sich deshalb schwer mit einer engeren Bindung an den Schlachthof. Doch die aktuelle Preiskrise bricht zum Teil den Willen der Unternehmer, denn finanziell angeschlagene Betriebe greifen oft nach jedem Strohhalm.


Vertragsmast boomt:

In solchen Phasen haben Lohn- bzw. Vertragsmast Konjunktur. Dabei pachten Integratoren Ställe für die Ferkelaufzucht oder die Mast an. Momentan werden in Niedersachsen beispielsweise Lohnmastverträge angeboten, die dem Landwirt 42 € pro Mastplatz und Jahr garantieren. Angesichts der schwierigen Marktlage klingt das zunächst interessant. Dabei geht der Landwirt aber Verpflichtungen ein:


  • Bereitstellung eines intakten Stalls
  • intensive Tierkontrolle
  • Mitarbeit beim Ein- und Ausstallen
  • Reinigung und Desinfektion
  • Veterinärkosten
  • Energie (Strom, Wasser, Gas)
  • Güllenachweis


Ob die Rechnung aufgeht, muss jeder für sich selbst entscheiden. Wenn man allerdings ehrlich rechnet, sind Zweifel angebracht (s. Übersicht 2, Seite S23).


Kein Zurück mehr?

Der Trend zur vertikalen Integration lässt sich wohl nicht mehr aufhalten. Die Freiheiten in der Vermarktung werden für Landwirte in den nächsten Jahren weiter beschnitten. Fakt ist aber: Eine stufenübergreifende Zusammenarbeit und Transparenz funktioniert auch ohne Vertragsmast oder vertragliche Bindungen an die Schlachtbetriebe. Das QS-System und auch die Salmonellendatenbank haben dies in den vergangenen Jahren eindrucksvoll bewiesen.


Ob nun Herkunftskennzeichnung, risikoorientierte Fleischbeschau, Tierwohl oder Befunddatenindex, die zunehmenden Herausforderungen des Handels lassen sich auch ohne Integrator umsetzen.


Deshalb werden in Deutschland erzeugte Schlachtschweine auch weiterhin unterschiedlich vermarktet:


  • Vertikal integriert: Der Schlachthof gibt die Spielregeln vor.
  • Horizontal integriert: Erzeuger organisieren sich in Genossenschaften oder Erzeugergemeinschaften und verhandeln mit bestimmten Schlachthöfen die Verkaufsregeln.
  • Frei: Viehhändler bedienen einen schrumpfenden Spotmarkt, wie es ihn bis heute bei Eiern oder Geflügel gibt.


Jeder Schweinehalter wird sich jedoch auf einen konkreten Vermarktungsweg festlegen müssen und damit auch seine Produktion auf konkrete Qualitätskriterien ausrichten. Wer künftig noch als freier Unternehmer am Markt arbeiten will, sollte in jedem Fall seinen Vermarktungspartner unabhängig vom aktuellen Marktgeschehen auswählen.

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