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Schwanzbeißen: Erfahrungen austauschen!

Lesezeit: 7 Minuten

Ein Durchbruch beim Thema Schwanzbeißen ist nicht in Sicht. Eine Gruppe internationaler Forscher fordert eine bessere Vernetzung und Stärkung der Zusammenarbeit. Dr. Astrid vom Brocke, LWK Nordrhein-Westfalen, berichtet.


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Zum Schutz der Schweine kupieren Landwirte die Schwänze am ersten Lebenstag. Laut EU-Gesetzgebung ist das routinemäßige Kürzen aber verboten. Im Gesetzestext heißt es, dass vor einem Eingriff zunächst andere Maßnahmen ergriffen werden müssen, um Schwanzbeißen zu vermeiden.


Doch leider klaffen Wunsch und Wirklichkeit auseinander. Der Praxisalltag zeigt, dass sich das Beißgeschehen selbst beim Einsatz von Beschäftigungsmaterial nicht 100%ig verhindern lässt. Auch das Aussortieren der Beißer hilft nur kurzfristig. Probleme treten sowohl in konventionell als auch in ökologisch geführten Herden auf.


Trotz der bekannten Probleme machen Politik und Tierschützer weiter massiv Druck. Sie pochen auf die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben und wollen den Kupierverzicht lieber heute als morgen durchsetzen. Im niederländischen Versuchszentrum Sterksel traf sich jetzt zum zweiten Mal eine Ex-pertengruppe aus fünf europäischen Ländern zum Erfahrungsaustausch. top agrar fasst die Ergebnisse zusammen.


Gleiches Recht für alle:

Die Fachleute sind sich darin einig, dass in der EU gleiches Recht für alle gelten muss. Die Aktivitäten in Sachen Ringelschwanz müssen über alle Mitgliedsstaaten hinweg gleichermaßen forciert werden, um Wettbewerbsnachteile zu verhindern.


Die Experten befürchten, dass bei einem nicht einheitlichen Vorgehen vor allem die Ferkelerzeuger in den Ländern mit Kupierverbot die Leidtragenden sein werden. Denn bislang ist in der deutschen Gesetzgebung nur der Eingriff des Kupierens verboten, nicht aber das Halten von kupierten Tieren. Die Mastbetriebe könnten daher weiterhin Ferkel aus dem Ausland beziehen.


Der intakte Ringelschwanz führt zu Mehrkosten. Auf keinen Fall dürfen die Landwirte allein darauf sitzen bleiben, der finanzielle und zeitliche Mehraufwand muss durch den Markt honoriert werden.


In Deutschland werden in verschiedenen Projekten bereits Aufwandsentschädigungen gezahlt. Sie reichen von 16,50 bis 18 € pro intaktem Ringelschwanz. In Dänemark bezahlt Danish Crown den Landwirten eine Prämie für intakte Ringelschwänze. Ab dem Frühjahr 2017 wird es zudem ein Label-Programm für mehr Tierwohl bei Schweinen mit drei verschiedenen Stufen geben. In allen Stufen ist der unkupierte Schwanz verpflichtend und die Verbraucher müssen für das gelabelte Fleisch mehr bezahlen.


Einheitlicher Boniturschlüssel:

In der EU fehlt weiter ein einheitlicher Boniturschlüssel für den intakten Ringelschwanz. Die Vergleichbarkeit von Studien und Ergebnissen ist deshalb kaum möglich. Zwar hat das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) in Celle den „Deutschen Schweine Bonitur Schlüssel“ (DSBS) entwickelt und diesen anderen Ländern zur Verfügung gestellt. Er wird aber noch nicht überall angewendet.


In Dänemark wird nach wie vor von einem Schwanzbeißausbruch gesprochen, sobald vier Tiere eine Verletzung am Schwanz (Wunden, Blut, Teilverlust) aufweisen. Das Geschehen gilt als beruhigt, wenn am Tag nach dem Ausbruch die Wunden verschorft sind bzw. ein Heilungsprozess zu erkennen ist.


Das Bonitieren der Ringelschwänze muss in den landwirtschaftlichen Betrieben stattfinden. Erfolgt die Bonitur erst im Schlachthof, werden die Ergebnisse verfälscht. So kommt es zum Beispiel beim Entborsten der Schlachtkörper immer wieder zu Verletzungen am Schwanz. Oft werden die Verletzungen an den Schwänzen von den Veterinären auch nur dann erfasst, wenn der Schlachtkörper weitere Befunde aufweist. Die so erhobenen Ergebnisse bilden daher nicht die reelle Situation ab.


Risikoanalyse für jeden Betrieb:

In jedem Betrieb ist das Risiko für Schwanzbeißen unterschiedlich hoch. Die Experten empfehlen daher vor dem Einstieg in den Kupierverzicht eine einzelbetriebliche Risiko- bzw. Status quo-Analyse. Diese sollte durch einen unabhängigen Berater bzw. Veterinär erfolgen, der Erfahrung mit der Betreuung von unkupierten Schweinen besitzt.


Als geeignetes Tool zur Unterstützung dieser Analyse in der Mast wird das sogenannte SchwIP (Schwanz-beiß-Interventions-Programm) gesehen. Hierbei werden die relevanten Risiko-bereiche untersucht und in einem Bericht wird aufgezeigt, welche Risiken für Schwanzbeißen auf dem jeweiligen Betrieb vorhanden sind. Dadurch kann gezielt an der Reduzierung gearbeitet werden.


In Holland wurde das SchwIP bereits modifiziert und es wird in Betrieben zur Schwachstellenanalyse genutzt. Aufgrund der positiven Erfahrungen in der Mast wird das Programm derzeit auch für die Ferkelaufzucht entwickelt.


Was kostet der Ringelschwanz?

Es müssen endlich belastbare Kennzahlen erarbeitet werden, mit denen man die Kosten des Kupierverzichts genau beziffern kann. Zum einen müssen die Aufwendungen für die zusätzliche Arbeit durch die vermehrte Tierbeobachtung mit belastbaren Zahlen hinterlegt werden. Zum anderen sind die Mehrkosten für Raufutter und Beschäftigungsmaterial zu berücksichtigen.


Am schwierigsten wird es sicherlich sein, die Folgen eines Schwanzbeiß-Ausbruchs wahrheitsgetreu zu beziffern. In Abhängigkeit von der Schwere und dem Verletzungsgrad sowie der Anzahl der betroffenen Tiere kann diese Summe erheblich variieren. Stichhaltige Zahlen sind auch deshalb so wichtig, weil künftige Vermarktungskonzepte auf realistischen Annahmen fußen müssen. Korrekte Zahlen sind auch die Basis für künftige Label-Programme.


In Belgien haben Experten ausgerechnet, dass ein Schwanzbeißausbruch 7€ pro kupiertem Schwein kostet. Da bei unkupierten Tieren die Aufwendungen im Vorfeld wesentlich höher sind, ist anzunehmen, dass sich die Kosten im Falle eines Ausbruchs deutlich erhöhen.


Notfalllösungen erarbeiten:

Wenn es zum Schwanzbeißen kommt, müssen Lösungen vorhanden sein, um das Beißgeschehen schnell zu stabilisieren bzw. in den Griff zu bekommen. Ziel muss dabei nicht sein, das Geschehen 100%ig in den Griff zu bekommen – das wäre wahrscheinlich gar nicht möglich –, sondern den Ausbruch so gut es geht zu beherrschen. Das heißt, das Geschehen darf nicht eskalieren, und es dürfen keine Schwanzverluste oder Entzündungen entstehen.


Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass alle beteiligten Länder weiter intensiv an geeigneten Strategien und Empfehlungen für die Praxis arbeiten. Sicher ist bereits jetzt, dass es „die eine Lösung“ nicht geben wird. Jeder Betrieb muss eigene Erfahrungen sammeln.


Große Bedeutung hat vor allem der Einsatz von geeigneten und attraktiven Beschäftigungsmaterialien. Ohne diese ist das Halten von unkupierten Tieren kaum möglich. Für den Notfall muss jeder Betrieb vorbereitet sein und ein für die Tiere bis dato unbekanntes und attraktives Material anbieten können. Gut eignen sich Luzerneheu und Heu bzw. Silage. Der Wechsel des Beschäf-tigungsmaterials ist sowohl vorbeugend als auch bei einem vorhandenen Ausbruch wichtig.


Mehr qualifizierte Beratung:

Für die Landwirte ist es wichtig, dass sie ihren Mehraufwand honoriert bekommen und die Haltung von unkupierten Tieren sicherer als heute funktioniert.


Um diese Sicherheit zu bekommen, muss die Forschung in Versuchseinrichtungen weiter intensiviert werden. Zudem müssen weiter Erkenntnisse aus der Praxis gesammelt und ausgewertet werden. Ebenso muss das Angebot an qualifizierter Beratung ausgebaut und Fortbildungen von Landwirten und Tierärzten müssen gefördert werden.


Ein Austausch mit Berufskollegen über die eigenen Erfahrungen ist ebenfalls wertvoll und wichtig und wird in einigen Projekten bereits mithilfe von WhatsApp-Gruppen durchgeführt. Mittels hochgeladener Videos und Fotos auf dem Smartphone tauschen sich die Landwirte sowie Berater und Tierärzte untereinander aus.


Stallkonzepte fehlen:

Um den Wis-senstransfer zu optimieren, sollte in jedem Land eine zentrale Anlaufstelle eingerichtet werden, bei der sich die Experten aus der Landwirtschaft und Beratung mit Tierärzten und Wissenschaftlern austauschen können. Hilfreich wäre auch, wenn sich Netzwerke bilden, die untereinander neues Wissen austauschen und diskutieren. Eine Bündelung des vorhandenen Wissens und der gemachten Erfahrungen ist notwendig, um Fehler nicht zu wiederholen und Synergien zu fördern.


Dringender Handlungsbedarf besteht beim Thema Stallbaukonzepte für Neubauten. Gesucht werden Konzepte, in denen die Haltung von unkupierten Tieren relativ problemlos läuft und in denen man kosteneffizient arbeiten kann. In Dänemark werden beispielsweise aktuell dänische und schwedische Aufstallungen miteinander verglichen. Das Anlegen der verschiedenen Funk-tionsbereiche und die Gabe von Beschäftigungsmaterialien stehen dabei im Mittelpunkt.-ar-

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