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Kastenstände vor dem Aus?

Das „Kastenstand-Urteil“ des OVG Magdeburg verunsichert die Sauenhalter. Über die bundesweiten Folgen sprach top agrar mit Rechtsanwältin Dr. Daniela Schäfrich aus Potsdam.

Lesezeit: 6 Minuten

Das „Kastenstand-Urteil“ des OVG Magdeburg verunsichert die Sauenhalter. Über die bundesweiten Folgen sprach top agrar mit Rechtsanwältin Dr. Daniela Schäfrich aus Potsdam.


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Was beanstandet das Oberverwaltungsgericht Magdeburg in einem der Betriebe von Ferkelerzeuger Adrianus Straathof?

Schäfrich: Das OVG beanstandet die Breite der eingebauten Kastenstände. Nach Auffassung der Richter müssen die Schweine in der Lage sein, ihre Gliedmaßen im Liegen von sich zu strecken, ohne hierbei an Hindernisse zu stoßen.


Nach Ansicht des OVG reicht es nicht, wenn die Schweine ihre Beine unter dem seitlichen Trenngitter hindurch in die Nachbarbucht strecken können. Ist das Ausstrecken innerhalb des eigenen Kastenstandes nicht möglich, müssten stattdessen die beiden benachbarten Kastenstände unbelegt bleiben.


Worauf bezieht sich das OVG dabei?

Schäfrich: In der Urteilsbegründung beruft sich das Gericht auf § 24 Abs. 4 Nr. 2 der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV). Darin steht, dass Kastenstände so zu gestalten sind, dass jedes Schwein ungehindert aufstehen, sich hinlegen sowie den Kopf und in Seitenlage die Gliedmaßen ausstrecken kann. Das Problem ist, dass die Verordnung keine konkreten Vorgaben macht, wie der Begriff „ungehindert“ zu interpretieren ist.


Breitere Kastenstände erhöhen das Verletzungsrisiko für die Sauen. Ist das im Sinne des Tierschutzes?

Schäfrich: Natürlich nicht, denn in der TierSchNutztV steht auch, dass die Kastenstände so beschaffen sein müssen, dass sich die Schweine nicht darin verletzen können.


Die TierSchNutztV soll der Ausführung des Tierschutzgesetzes dienen. Maßstab jedes Handelns von Tierhaltern und Behörden, aber auch Maßstab bei der Beurteilung durch Gerichte muss daher sein, dass den Tieren keine Leiden und Qualen zugefügt werden. Wie das OVG Magdeburg mit diesem Aspekt umgeht, können wir erst beurteilen, wenn die schriftliche Urteilsbegründung vorliegt. Das war bis Redaktionsschluss (11.12.15) aber nicht der Fall.


Welche Konsequenzen ergeben sich aus dem Richterspruch?

Schäfrich: Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der betroffene Tierhalter hat die Möglichkeit, gegen das Urteil eine sogenannte Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesverwaltungsgericht zu erheben. Möglicherweise hat das OVG Magdeburg aber auch von sich aus schon die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen.

Grund für eine Zulassung der Revision kann z. B. die grundsätzliche Bedeutung des Richterspruchs sein. Denn

die Frage, wie § 24 Abs. 4 Nr. 2 der TierSchNutztV auszulegen ist, ist für die Rechtsanwendung in der gesamten Bundesrepublik von erheblicher Bedeutung. Wird das Urteil des OVG Magdeburg rechtskräftig oder bestätigt das Bundesverwaltungsgericht dieses Urteil, müssen die Kastenstände in dem betroffenen Betrieb nach Vorgaben des Gerichtes angepasst werden.



Könnte das Urteil auch bundesweit Signalwirkung haben?

Schäfrich: Vermutlich ja, denn bisher gibt es noch keine obergerichtliche Rechtsprechung, wie Kastenstände bemessen sein müssen. Auch aus den amtlichen Materialien zur TierSchNutztV ergeben sich keine Hinweise. Deshalb werden die Veterinärämter vermutlich auf dieses Urteil zurückgreifen, wenn sie Stallanlagen prüfen oder wenn es um die Genehmigung neuer Schweinehaltungsanlagen geht.


Rein rechtlich betrachtet hat das Urteil allerdings keine Bindungswirkung. Das Urteil gilt nur „inter partes“, das heißt zwischen dem Tierhalter und dem Veterinäramt, das die Verfügung erlassen hat.


Heißt das, dass andere Sauenhalter beruhigt aufatmen können?

Schäfrich: Leider nein. Veterinärämter, die sich in der Rechtsanwendung unsicher sind oder die aufgrund besonderer Beobachtung durch Tierschutzverbände unter Zugzwang geraten, werden sich vermutlich an dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Magdeburg orientieren und die Vorgaben auch für andere Regionen Deutschlands fordern.


Geht das so einfach? Ist der zuständige Kreisveterinär dazu berechtigt?

Schäfrich: Das zuständige Veterinäramt muss in jedem konkreten Einzelfall entscheiden, ob in einer Stallanlage tierschutzgerechte Zustände vorherrschen. Bei der Auslegung des § 24 Ab. 4 Nr. 2 TierschNutztV können sich die Behörden auf die Rechtssprechung des OVG Magdeburg berufen. Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Allerdings dürfen die Behörden dabei nicht die eigene Fachkompetenz ausblenden. Entscheidend für ihr Handeln ist, dass den Tiere keine Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt werden.


Wie kann man endlich Rechtssicherheit für die Ferkelerzeuger schaffen?

Schäfrich: Rechtssicherheit wird voraussichtlich nur eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes bringen. Alternativ dazu könnte Rechtssicherheit natürlich auch durch eine Änderung der TierSchNutztV erlangt werden. Dazu müssten in der Verordnung konkrete Anforderungen an die Gestaltung von Kastenständen benannt werden.


Was raten Sie Landwirten, die in nächster Zeit Post von ihrem Kreisveterinär bekommen?

Schäfrich: Sie sollten das Gespräch mit ihrem Veterinäramt suchen, um gemeinsam eine praktikable Lösung zu finden. Zumindest sollte abgewartet werden, wie das Bundesverwaltungsgericht entscheidet, wenn es zu einer Revision des Urteils kommt.


Erhält der Tierhalter in der Zwischenzeit eine tierschutzrechtliche Verfügung, mit der ihm die Umrüstung seiner Kastenstände auferlegt wird, muss er dagegen auf jeden Fall Widerspruch einlegen. Denn sonst wird die Verfügung bestandskräftig, und das Veterinäramt kann die Umsetzung per Zwangsvollstreckung durchsetzen bzw. Zwangsgelder verhängen.



Viele Sauenhalter sind derzeit gar nicht in der Lage, ihre Kastenstände umzurüsten. Muss der Gesetzgeber bei seiner Entscheidung darauf Rücksicht nehmen?

Schäfrich: Der Verordnungsgeber muss bei einer Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung die Grundrechte beachten. Dazu gehört auch das Grundrecht auf Berugsfreiheit. allerdings ist in Artikel 20a des Grundgesetzes auch der Tierschutz als Staatsziel definiert. Daher muss der Verordnungsgeber auch Tierleiden vermeiden. Wie er hier einen Ausgleich findet, werden wir abwarten müssen. Die Interessenvertreter der Schweinehalter sind jedoch gut beraten, wenn sie sich aktiv in die Änderung der TierSchNutztV einbringen.



Das Interview führten die top agrar-Redakteure Marcus Arden und Henning Lehnert


Das sagt das Ministerium


Das Landwirtschaftsministerium Sachsen-Anhalt lehnt starre Kastenstandbreiten von 65 bzw. 70 cm ab – auch nach dem Magdeburger Urteil. Gegenüber top agrar stellt das Ministerium klar: Die Tiere dürfen mit ihren Gliedmaßen im Liegen nicht an Hindernisse stoßen! Von Zentimeterangaben sei hier nicht die Rede. Die Tierhalter müssen daher jede einzelne Sau in Augenschein nehmen und dann entscheiden, welche Kastenstandbreite das jeweilige Tier braucht.


top agrar meint: Sachsen-Anhalt erweist dem Tierschutz einen Bärendienst, wenn Sauen in zu breiten Kastenständen stehen.

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