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SchwIP gegen Beißer in der Aufzucht

Lesezeit: 9 Minuten

Nach Erfolgen in der Mast entwickelt das Friedrich-Loeffler-Institut jetzt ein Schwanzbeiß-Interventions-Programm für die Aufzucht. Danach hapert es häufig am Stallklima und der Wasserversorgung. Angelika Grümpel und Dr. Sabine Dippel berichten.


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Schwanzbeißen ist eine Verhaltensstörung. Sie tritt auf, wenn viele verschiedene Faktoren das Schwein überfordern. Alle Altersstufen vom Ferkel bis zum Mastschwein können davon betroffen sein. Weil die Wirkung aller Faktoren zählt, gibt es keine Standardlösung gegen das Schwanzbeißen. Jeder Betrieb muss individuell die Risikofaktoren prüfen und beheben.


Zur betriebsindividuellen Analyse des Schwanzbeißrisikos wurde vom Institut für Tierschutz und Tierhaltung im Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) in Celle von 2011 bis 2014 das Schwanz-beiß-Interventions-Programm entwickelt, kurz SchwIP genannt. Es handelt sich dabei um ein Excel-basiertes Computerprogramm.


Anwendung auf Tablet-PC:

Das Programm war bisher allerdings nur für Erhebungen in der Mast geeignet. Nun wurde eine Version speziell für Aufzuchtferkel erarbeitet, die insbesondere die Risikofaktoren in der Aufzucht unter die Lupe nimmt. Hierfür wurde eine Software entwickelt, die auch auf Tablet-Computern läuft.


Um Betriebsblindheit zu vermeiden, sollte das Programm nicht durch den Landwirt selbst angewendet werden, sondern durch eine geschulte Person. Deswegen hat das FLI inzwischen über 100 Berater und Tierärzte in der Anwendung des SchwIP trainiert.


Bei einem SchwIP-Besuch werden zunächst im Interview verschiedene Basisdaten zum Betrieb und zu den Schweinen erfasst. Im Anschluss daran wird direkt im Stall die Umgebung beurteilt, aber auch die Tiere selbst werden auf Verletzungen und Anzeichen von Krankheiten geprüft.


Alle erhobenen Daten werden dann in einem Risikobericht zusammengefasst. Der Bericht wird direkt nach dem Stallrundgang ausgedruckt und dem Landwirt ausgehändigt. Nachdem das Ergebnis mit ihm besprochen wurde, legt der Landwirt Ziele und Maßnahmen fest, mit denen er das Schwanz-beißrisiko reduzieren will.


Regelmäßige Erfolgskontrolle:

Über einen Zeitraum von sechs Monaten setzt der Schweinehalter die festgelegten Maßnahmen um und macht Aufzeichnungen, falls es erneut zu Beißereien kommt. Dann wird eine Erfolgskontrolle durchgeführt, d.h. es werden erneut die Schwachstellen analysiert. Außerdem wird abgefragt, ob die Maßnahmen wie geplant umgesetzt und die Ziele erreicht wurden.


Übersicht 1 zeigt beispielhaft die Ergebnisse eines Besuches in einem fiktiven Aufzuchtbetrieb. Landwirt und Berater erkennen sofort, in welchen Bereichen ein erhöhtes bzw. ein vermindertes Risiko für Schwanzeißen besteht. In puncto Hygiene und Rationsgestaltung schneidet der Betrieb bestens ab. Hier besteht ein geringes Schwanzbeiß-Risiko. Das hohe Leistungsniveau der Herde und das frühe Absetzen der Ferkel könnte jedoch den Stress für die Tiere erhöhen. Nach sechs Monaten wird der Betrieb erneut besucht, es wird eine Erfolgskontrolle durchgeführt und ein neuer Maßnahmen-Plan erstellt. Bei regelmäßiger Wiederholung kann das Schwanzbeiß-Risiko im Betrieb auf diese Weise verringert werden.


In die Entwicklung des Aufzucht-SchwIPs sind bundesweit über 100 Ferkelaufzuchtbetriebe eingebunden, die dreimal im Abstand von jeweils sechs Monaten besucht werden. Alle Betriebe nehmen freiwillig an der SchwIP-Analyse teil, weil sie im Flatdeck mit mehr oder weniger heftigen Beißer-Problemen zu kämpfen haben.


Die Betriebe werden von geschulten Beratern und Tierärzten sowie vom FLI besucht. Übersicht 2 zeigt für die 27 vom FLI besuchten Pilotbetriebe den durchschnittlichen Anteil von Ferkeln pro Bucht, die bei der ersten SchwIP-Stallbegehung Schwanz- oder Ohrveränderungen aufwiesen. Es wurden sowohl Bissspuren als auch Nekrosen, Ringabschnürungen, Schwellungen und Teilverluste erfasst.


Ergebnis: In allen 27 Betrieben wurden sowohl Schwanz- als auch Ohrenveränderungen bei den Ferkeln festgestellt. Es scheint allerdings keinen Zusammenhang zwischen Schwanz- und Ohrenveränderungen zu geben. Bei den Ohren gab es keine Voll- oder Teilverluste, wohl aber in sechs Betrieben bei den Schwänzen der Aufzuchtferkel.


Krankenbucht vorhanden?

Die Gesundheit der Tiere spielt für das Schwanzbeiß-Risiko eine große Rolle. Schweine, die nicht gesund sind, fühlen sich nicht wohl und leiden unter Stress. Dieser Stress kann dazu führen, dass genau diese Tiere mit dem Schwanzbeißen beginnen.


Kranke Schweine werden allerdings auch schnell zum Opfer von Schwanzbeiß-Attacken. Daher sollten verletzte und kranke Schweine schnellstmöglich behandelt und bei Bedarf in eine Krankenbucht umgestallt werden.


21 der 27 Pilotbetriebe verfügten über eine Krankenbucht und 16 Betriebe zusätzlich über eine Separationsbucht (siehe Übersicht 3). Das kann eine separate Bucht im Resteabteil sein oder auch nur ein abgegitterter Bereich im normalen Mastabteil. In dieser Bucht können dann z.B. identifizierte Schwanzbeißer separiert werden.


In zwölf Betrieben wurden Anzeichen für Durchfall in den Buchten gefunden und in 22 Betrieben Hinweise auf Atemwegserkrankungen. In sieben Betrieben entdeckten die SchwIP-Anwender Schweine, die in eine Krankenbucht gemusst hätten. Meistens handelte es sich dabei um Tiere mit Fundamentproblemen.


Gut beschäftigt:

Beschäftigung kann das Risiko für Schwanzbeißen reduzieren. Das Beschäftigungsmaterial sollte essbar, kaubar, wühlbar und zerstörbar sein. Im SchwIP wird zwischen organischen Materialien wie Stroh, Baumwollseilen, Jutesäcken und anorganischen Beschäftigungsmaterialien wie Plastik und Gummi unterschieden.


In 20 Betrieben wurden sowohl organische als auch anorganische Materialien zur Beschäftigung angeboten. Bei der anorganischen Beschäftigung überwiegten Futterketten und Beißobjekte aus Plastik wie Beißmonde oder -sterne an Ketten. In elf Betrieben wurde den Schweinen Stroh, Heu, Luzerne oder Silage als organische Beschäftigung vorgelegt. 13 Betriebe nutzten außerdem Seile und zwölf Landwirte Holzstücke als zusätzliches Beschäftigungsmaterial (siehe Übersicht 4).


Prima Klima?

Mängel beim Stallklima belasten die Schweine stark. Denn erhöhte Schadgasgehalte im Stall können Schleimhautreizungen verursachen. Das macht die Schweine anfälliger für Krankheiten und führt zu Stress. Deshalb wurden in den erfassten Buchten an drei Stellen Ammoniak, Kohlenstoffdioxid und Schwefelwasserstoff, relative Luftfeuchte und Lufttemperatur im Liegebereich gemessen.


Die Schadgasgehalte sollten bestimmte Grenzwerte nicht überschreiten. Sie liegen beim Ammoniak bei 15 ppm und beim CO2 bei 2000 ppm. Gerade für NH3 wurden in den Pilotställen jedoch zum Teil stark erhöhte Werte gemessen, das Maximum lag bei 57 ppm. Auch die CO2-Gehalte waren in acht Betrieben stark erhöht. Es wurden Werte bis 5000 ppm nachgewiesen.


In einigen Betrieben waren zudem die Lufttemperatur und die relative Luftfeuchte nicht optimal. Ist es im Flatdeck zu warm, nehmen die Schweine weniger Futter auf, und die täglichen Zunahmen sinken. Aber auch bei einer zu niedrigen Lufttemperatur sinkt die Leistung, weil mehr Energie für die Erhaltung der Körpertemperatur aufgewendet werden muss. Zudem steigt das Risiko, dass die Schweine an einem Infekt erkranken. In 16 der 27 untersuchten Betriebe war die Lufttemperatur im Liegebereich an die Bedürfnisse der Aufzuchtferkel angepasst. In elf Betrieben war es zu warm, teilweise bis zu 30,5 °C. Die relative Luftfeuchte war in 15 Betrieben in Ordnung. Der kleinste gemessene Wert lag bei 60,1% Luftfeuchte und der höchste bei 98,0%.


Risikofaktor Durst:

Zur Beurteilung der Wasserversorgung wurden das Tier-Tränke-Verhältnis, die Durchflussraten, die Verschmutzung und die Funktionsfähigkeit der Tränken erfasst. Außerdem wurde subjektiv die Qualität des Wassers beurteilt.


Spritzende oder verschmutzte Tränken werden von Schweinen gemieden, sodass die Tiere weniger saufen. Das kann die täglichen Zunahmen verringern und den Stress erhöhen. Deshalb ist es wichtig, die Tränken täglich auf Verunreinigung zu prüfen. In acht der 27 erfassten Betriebe waren die Tränken mit Kot verschmutzt, und in 17 Betrieben war die Funktion der Tränken mehr oder weniger eingeschränkt. Bei stark spritzenden Tränken ist häufig auch die Durchflussrate nicht angepasst. Bei der Überprüfung zeigte sich, dass die empfohlenen 0,5 bis 0,7 l/min nur in einem einzigen Betrieb erreicht wurden. In 26 Betrieben war der Durchfluss zu hoch, in einigen Buchten wurden sogar Werte von mehr als 1,5 l/min gemessen. Das ist für Ferkel eindeutig viel zu hoch! Und in 17 Betrieben war die Durchflussmenge zu gering.


Die Wasserqualität wurde optisch, nach Geruch und zum Teil geschmacklich beurteilt. Sie war in 22 Betrieben in Ordnung. In den übrigen fünf Ställen gab es zum Teil Verunreinigungen im Wasser oder es roch schlecht.


Wichtig ist auch das Tier-Tränke-Verhältnis. Es müssen so viele Tränken in einer Bucht vorhanden sein, dass die Ferkel nicht zum Saufen anstehen müssen. Denn beim Anstehen und Warten kommt es häufiger vor, dass die Schweine in der zweiten Reihe den Vordermann attackieren, um ans Wasser zu kommen. Das Gleiche gilt für Futter und Beschäftigungsmaterialien.


Keine Mängel beim Futter:

Von Experten wird deshalb ein Tier-Tränke-Verhältnis von 10:1 empfohlen. Bei der Überprüfung wurden nur Tränken gezählt, die für die Schweine erreichbar und nicht an einem Futterautomaten angebracht waren. Das Tier-Tränke-Verhältnis war in zehn Betrieben in Ordnung, bei den übrigen Ställen waren jeweils zu wenig Tränken in der Bucht vorhanden.


Auch Futter ist eine wichtige Einflussgröße beim Thema Schwanzbeißen. Haben die Schweine keinen Zugang zu Futter, führt das zu Stress. Er entsteht einerseits aus dem Kampf um den Fressplatz, andererseits aber auch durch Hunger. Zudem können auch abrupte Futterumstellungen oder Mängel an bestimmten Nährstoffen das Schwanzbeiß-Risiko deutlich erhöhen.


Die meisten Betriebe hatten in der Aufzucht nur ein Fütterungssystem installiert. Zumeist handelte es sich dabei um Breiautomaten. Fünf Betriebe dagegen verfügten im Flatdeck über zwei verschiedene Fütterungssysteme, meistens eine Kombination aus Brei- und Trockenfütterung.


In 26 der 27 vom FLI besuchten Betriebe konnten die Schweine das Futter ad libitum aufnehmen, in einem Betrieb wurden sie tagesrationiert gefüttert. Das Futter wurde in 15 Betrieben in Form von Pellets, Granulat oder in gekrümelter Form vorgelegt. Die anderen Betriebe verfütterten geschrotetes bzw. gemahlenes Futter oder verwendeten in der Aufzucht insgesamt unterschiedliche Futterstrukturen.


Im Schnitt setzten die Betriebe im Verlauf der Aufzucht 2,5 Futterrationen ein, 17 Betriebe verschnitten dabei das Futter über einen Zeitraum von mindestens fünf Tagen.


Für das Tier-Fressplatz-Verhältnis wurde im SchwIP ein Richtwert von 4:1 für ad libitum-Fütterung und 1:1 für rationierte bzw. tagesrationierte Fütterung hinterlegt. Auf allen Betrieben wurde das vorgegebene Tier-Fressplatz-Verhältnis eingehalten.


Zusätzlich wurden verschiedene Futterinhaltsstoffe abgefragt wie zum Beispiel tierisches Eiweiß. Acht der 27 besuchten Betriebe verfütterten tierisches Eiweiß im FerkelaufzuchtfutterI, sechs im FAZII und vier im FerkelaufzuchtfutterIII.-lh-

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