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Serie:Weniger Antibiotika - Knacken Sie dieInfektionsketten!

Lesezeit: 7 Minuten

Wie Sie die Krankheitsübertragung gezielt unterbrechen und kranke Tiere frühzeitig aufspüren, verrät Tierarzt Dr. Andreas Palzer aus Scheidegg.


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In einem Punkt sind sich Landwirte, Ärzte und Politiker einig: Der Einsatz von Antibiotika muss reduziert werden – in der Tier- ebenso wie in der Humanmedizin. Nur so lässt sich die Gefahr der Selektion auf resistente Bakterien eindämmen. Ganz ohne Antibiotika geht es allerdings auch nicht. Denn selbst bei noch so guter Betreuung kann jedes Tier einmal krank werden. Und dann hat es ein Anrecht darauf, optimal behandelt zu werden.


Viel ist bereits gewonnen, wenn es gelingt, orale Gruppenbehandlungen auf ein Minimum zu beschränken und stattdessen gezielt einzelne Tiere zu kurieren. Das setzt aber voraus, dass Sie die kranken Tiere noch frühzeitiger erkennen. Denn nur dann haben Sie eine Chance, die weitere Ausbreitung des Erregers im Bestand zu stoppen. Zudem müssen Sie alles daran setzen, die typischen Infektionsketten in Ihrem Betrieb zu knacken. Dabei muss man zwei Arten der Erregerübertragung unterscheiden:


  • Vertikale Infektionsketten: Hier infizieren sich jüngere bei älteren Tieren. So können sich z. B. die Ferkel bei der Sau anstecken. Oder frisch abgesetzte Ferkel stecken sich bei zurückgestallten Kümmerern an.
  • Horizontale Infektionsketten: Hier wird der Erreger innerhalb einer Altersgruppe von Tier zu Tier übertragen, z. B. von einem erkrankten Läufer, der nicht rechtzeitig aus dem Abteil entfernt wurde, auf die Buchtengenossen.


Hygiene im Sauenstall:

Das Aufbrechen vertikaler Infektionsketten be-ginnt bereits bei den Sauen. Denn die Mütter sind bei vielen Erregern die erste und wichtigste Ansteckungsquelle für die Saugferkel. Bereits während der Geburt können sie sich z. B. bei ihren Müttern mit Streptokokken infizieren.


Deshalb ist es wichtig, dass Sie zunächst die Gesundheit ihrer Sauen stabilisieren. Dazu gehören unter anderem regelmäßige Entwurmungen und Räudebehandlungen.


Bei Räudeproblemen sollte man zweimal jährlich den kompletten Bestand behandeln. Beim Entwurmen ist es dagegen meist sinnvoller, gruppenweise vorzugehen. Sauen werden zehn bis vierzehn Tage vor dem Umstallen in den Abferkelstall entwurmt. Auch Mastferkel werden bei Bedarf zehn bis vierzehn Tage vor dem Umstallen in den Maststall einer Wurmkur unterzogen, spätestens jedoch direkt nach dem Umstallen.


Zur Stabilisierung gehören auch regelmäßige Impfungen. Standard sollte eine kombinierte Parvo/Rotlauf-Impfung der Sauen sein. Je nach Erregerdruck im Bestand bzw. in der Region kann es zudem sinnvoll sein, dass Sie die Muttertiere zusätzlich gegen Influenza oder PRRSV impfen.


Außerdem wichtig: Waschen Sie die Sauen vor dem Umstallen vom Warte- in den Abferkelstall mit Wasser und einem geeigneten Tierwaschmittel, um äußerlich anhaftende Erreger und Wurmeier abzuspülen. Anschließend stallen Sie die Tiere in saubere, frisch gereinigte und desinfizierte Buchten um. Achten Sie dabei darauf, dass die Buchten vor dem erneuten Belegen ausreichend abgetrocknet sind.


Nachgeburt entfernen:

Neugeborene Ferkel sind besonders anfällig. Daher sollten Sie vor und nach der Geburt regelmäßig den Kot hinter den Sauen entfernen. Kotschlitze erleichtern diese Arbeit enorm. Wichtig ist auch, dass Sie die Nachgeburten möglichst zeitnah aus der Abferkelbucht entfernen. Denn sie sind ein idealer Nährboden für Bakterien, an dem sich die eben erst geborenen Ferkel infizieren können. Oftmals sind Nabelentzündungen die Folge. Das Ausbringen von Gesteinsmehl oder anderen Trockendesinfektionsmitteln verbessert die Hygiene im Abferkelbereich zusätzlich.


Niemals zurückstallen!

Eine klassische vertikale Infektionskette wird auch ausgelöst, wenn Sie ältere Tiere in eine jüngere Altersgruppe zurückstallen. Um dies zu vermeiden, müssen Sie auf eine konsequente Rein-Raus-Belegung achten. Gleich alte Tiergruppen sollten immer gemeinsam in ein zuvor gereinigtes und desinfiziertes Abteil umgestallt werden! Verwenden Sie dabei DVG-geprüfte Desinfektionsmittel. Im Wachstum zurückgebliebene Tiere bringen Sie bis zum Verkauf am besten in einem separaten Abteil unter.


Innerhalb einer Altersgruppe (horizontale Infektionskette) können sich Krankheitserreger immer dann optimal ausbreiten, wenn die Belegungsquote voll ausgeschöft wird oder wenn Stressfaktoren das Immunsystem der Schweine schwächen. Daher kommt es darauf an, alles zu vermeiden, was die Tiere stressen könnte.


Zunächst einmal müssen Sie die Grundbedürfnisse Ihrer Schweine optimal stillen. Dazu gehört, dass den Schweinen ausreichend viele und in jedem Altersabschnitt gut erreichbare Tränken zur Verfügung stehen. Dabei müssen Sie regelmäßig kontrollieren, dass die Durchflussraten der Tränken ausreichen (siehe Übersicht 1). Nicht selten schmälern Biofilme im Innern der Rohre den Wasserdurchfluss und belasten das Wasser. Außerdem darf das Tier-/Fressplatzverhältnis nicht zu eng sein, und das Stallklima muss optimal eingestellt sein.


Besonders wichtig ist die Belegdichte. Denn eine zu dichte Aufstallung kann bei den Tieren enormen Stress auslösen. Deshalb ist es weder unter Tierwohl-aspekten noch aus wirtschaftlicher Sicht immer sinnvoll, die maximale Belegdichte auszuschöpfen.


Wohlfühl-Krankenbuchten:

Trennen Sie kranke Tiere so früh wie möglich von Ihren Buchtengenossen, um die weitere Erreger-Übertragung zu stoppen! Separate Krankenbuchten haben zudem den Vorteil, dass die „Patienten“ dort in Ruhe behandelt werden können, ohne jedesmal die gesamte Gruppe zu beunruhigen.


Leider verfügen noch nicht alle Betriebe über ein geeignetes Krankenabteil. Kranke Tiere haben besondere Bedürfnisse: Sie brauchen Ruhe und Wärme, eventuell auch eine weiche Unterlage. Die Krankenbucht sollte sich deshalb möglichst abseits vom „Tagesgeschäft“ befinden und über Wärmestrahler beheizbar sein. Bieten Sie den Tieren hier zudem ein Futter an, das besonders schmackhaft und leicht bekömmlich ist, um die Futteraufnahme anzuregen.


Auf keinen Fall dürfen Sie die Tiere nach ihrer Genesung wieder zurück in ihr ehemaliges Abteil bringen! Denn auch wenn die Patienten augenscheinlich wieder gesund sind, können sie weiterhin Erreger ausscheiden.


Einzeltiere behandeln:

Entscheidend ist, dass Sie erkrankte Tiere möglichst früh aufspüren, um sie ganz gezielt therapieren und auf eine Gruppenbehandlung verzichten zu können. Das setzt allerdings voraus, dass Sie die Schweine intensiv beobachten. Achten Sie dabei auch auf das Verhalten der Schweine (siehe Übersicht 2). Gesunde Schweine sind neugierig und suchen Kontakt. Kranke Schweine wirken teilnahmslos und sondern sich ab.


Aufschluss gibt auch der Ernährungszustand, den Sie am besten anhand der Dornfortsätze der Wirbelsäule beurteilen. Sind die Dornfortsätze beim stehenden Schwein erkennbar, ist der Ernährungszustand unzureichend. Für Sauen erfolgt die Bewertung anhand des dafür eigens entwickelten Body Condition Score (BCS).


Ein Spiegelbild des Gesundheitszustandes ist die Haut. Eine blasse Hautfarbe sowie lange, struppige Haare weisen auf einen schlechten Gesundheitszustand hin. Kritisch wird es, wenn sich einzelne Hautareale (z. B. an den Ohren) blaurot verfärben. Doch Achtung: Beurteilen Sie die Hautfarbe niemals, wenn die Tiere unter dem Infrarotstrahler liegen. Denn hier erscheint jedes noch so kranke Ferkel rosig.


Damit bei der Tierbeurteilung nichts vergessen wird, gibt es inzwischen spezielle Analyseprogramme wie z. B. das von der Firma Zoetis entwickelte „Individual Pig Care“-System (IPC). Hier erfolgt die Beurteilung der Bestandsgesundheit anhand der intensiven Beobachtung einzelner Tiere (siehe Kasten).


Die Tiere werden anschließend nach einem festen A-B-C-D-Schema klassifiziert. A-Tiere sind z. B. ewas hager und wirken teilnahmslos. Bei ihnen verspricht eine rasche Behandlung aber noch den größten Heilungserfolg. Von D-Tieren, die stark abgemagert sind und ein stumpfes Haarkleid aufweisen, trennen Sie sich dagegen besser gleich.


Das IPC-System funktioniert zuverlässig, wie neue Auswertungen aus Belgien zeigen. Die Beobachtung auf Einzeltierbasis ist jedoch aufwendig. Deshalb wird das IPC zurzeit von der Tierärztlichen Hochschule Hannover an deutsche Verhältnisse angepasst.

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