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Sind deutsche Ferkel bald Mangelware?

Lesezeit: 5 Minuten

Deutsche Ferkel sind gefragt. Immer neue Auflagen machen den Sauenhaltern aber das Leben schwer. Künftig werden nur noch Großbetriebe produzieren. Das jedenfalls befürchtet Dr. Albert Hortmann-Scholten, LWK Niedersachsen.


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Deutsche Ferkel stehen bei vielen Schweinemästern und Schlachtern derzeit hoch im Kurs. Das hat zwei Gründe. Zum einen verlangen immer mehr Schlachthöfe den „5xD-Standard“. Dieser garantiert den Abnehmern im Lebensmittelhandel sowie den Exportkunden wie z.B. China, dass die Schweine in Deutschland geboren, aufgezogen, gemästet, zerlegt und geschlachtet wurden. Auch die deutschen Sauenhalter profitieren von dem Geschäft mit der Herkunftsgarantie. Für Tiere mit deutscher Ohrmarke erhalten Ferkelerzeuger ca. 2 bis 3 € pro 25 kg-Ferkel mehr im Vergleich zu den Tieren, die aus den Niederlanden und Dänemark eingeführt werden.


Zum anderen haben die Schlacht-unternehmen Anfang 2016 an den Abrechnungsmasken gedreht. Bei Tönnies und Vion schneiden insbesondere dänische Herkünfte aufgrund ihrer geringeren Fleischfülle jetzt deutlich schlechter ab als deutsche Schweine. Markt-experten beziffern den ökonomischen Nachteil auf 4 bis 5 € pro Tier.


Das spüren die dänischen Ferkelhändler, sie exportieren in diesem Jahr schätzungsweise 2 bis 3% weniger Ferkel nach Deutschland (siehe Übersicht 1). Dänische Lkw fahren derzeit verstärkt nach Polen, dort rechnet man dieses Jahr mit einer Einfuhr von rund 4 Mio. dänischen Ferkeln.


Große Verunsicherung:

Auch wenn deutsche Ferkel momentan der Renner sind und gut bezahlt werden, mittelfristig besteht die Gefahr, dass einheimische Tiere Mangelware werden. Schuld daran ist in erster Linie die ausufernde Auflagenflut, die den Ferkelerzeugern das Leben schwer macht. Kein anderer Produktionszweig muss so oft Geld in Umbaumaßnahmen investieren.


  • Bis Januar 2013 mussten die Ferkelerzeuger den EU-weit geforderten Umbau auf Gruppenhaltung bei den tragenden Sauen stemmen.
  • Bis August 2016 mussten sie laut Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung in Ferkelaufzuchtställen, die vor 2006 gebaut wurden, 0,35 m2 statt 0,30 m2 pro Ferkel bis 30 kg Lebendgewicht sicherstellen.
  • Bereits 2018 läuft die nächste Übergangsregelung aus. Dann muss die Gangbreite in der Gruppenhaltung hinter Fressliegebuchten auch in Altställen mindestens 160 bzw. 180 cm betragen.


Und damit nicht genug. Diskutiert werden derzeit auch Änderungen in der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung. Sollte diese tatsächlich „angepackt“ werden, droht den Sauenhaltern der nächste finanzielle Nackenschlag.


Ganz oben auf der Forderungsliste steht das Verbot des Ferkelschutzkorbes im Abferkelstall. In Zukunft sollen laktierende Sauen Bewegungsmöglichkeiten haben. Auf die Ferkelerzeuger kämen dann erneut hohe Investitionen zu, weil sich Freilauf- oder Bewegungsbuchten nicht so ohne Weiteres in bestehende Abferkelabteile einbauen lassen. In vielen Ställen müssten die Gebäudehüllen und die Güllekanäle verändert werden.


Magdeburger Urteil:

Aktuell bereitet das sogenannte „Magdeburger Urteil“ den Sauenhaltern Bauchschmerzen. Das Oberverwaltungsgericht Magdeburg hat im letzten Jahr entschieden, dass eine im Kastenstand gehaltene Sau die Möglichkeit haben muss, jederzeit eine Liegeposition einzunehmen, bei der ihre Gliedmaßen auch an dem vom Körper entferntesten Punkt nicht an Hindernisse stoßen. Im Klartext bedeutet das nichts anderes, als dass der Kastenstand so breit sein muss wie die Sau hoch ist (Stockmaß).


Das Urteil gilt eigentlich nur für einen großen Ferkelerzeuger im Landkreis Jerichower Land (Sachsen-Anhalt). Das hessische Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zum Beispiel hat aber bereits angekündigt, das Urteil zur Grundlage des Verwaltungshandelns zu machen, sollte der Richterspruch bundesweit Rechtskraft erlangen. Andere Behörden wollen diesem Beispiel folgen.


Betroffenen Ferkelerzeugern blieben dann nur zwei Möglichkeiten: Entweder erweitern sie ihr Deckzentrum bzw. sie bauen Bewegungsbuchten ein oder sie stallen die besamten Sauen direkt nach dem Ende der Rausche in die Gruppenhaltung um. In beiden Fällen stünden teure, kaum finanzierbare Umbaumaßnahmen an.


Doch das ist leichter gesagt als getan. Denn Genehmigungen für Umbaumaßnahmen oder Stallerweiterungen erteilen die Behörden immer seltener. Viele Landwirte könnten geforderte Investitionen in mehr Tierwohl also gar nicht umsetzen.


Ändert sich an der Situation nichts, werden in den kommenden Jahren tausende deutsche Ferkelerzeuger das Handtuch werfen, da sie sich die teuren Investitionen nicht mehr leisten können. Experten gehen jedenfalls davon aus, dass der Selbstversorgungsgrad bei Ferkeln künftig von 80% auf 65% sinkt.


Strukturbruch im Süden:

Es wäre allerdings falsch, allein dem Gesetzgeber die Schuld in die Schuhe zu schieben. Ein weiteres Problem sind die weiterhin akuten Strukturdefizite in der deutschen Sauenhaltung. Denn anders als in Holland und Dänemark haben es viele deutsche Sauenhalter in den letzten 20 Jahren nicht geschafft, wettbewerbsfähige Größenordnungen aufzubauen. Ende 2015 hielten in Deutschland 4200 Sauenhalter weniger als 100 Zuchtsauen. Das sind 44% aller inländischen Ferkel-erzeugerbetriebe, wie Übersicht2 auf Seite S13 zeigt. Bei der Konkurrenz in Holland und Dänemark gibt es diese Kleinbetriebe gar nicht mehr. Unsere Nachbarn sind uns strukturell gesehen also Lichtjahre voraus.


Besonders akut ist die Situation nach wie vor in Bayern und Baden-Württemberg. Hier sitzt das Gros der kleinstrukturierten Sauen haltenden Betriebe. Sie haben auf Dauer kaum noch eine Chance, ihre kleinen Ferkelpartien an den Mann zu bringen. Denn viele süddeutsche Mäster sind den Sauenhaltern in den letzten Jahren „davongewachsen“. Gleichzeitig ist der Markt für Mischpartien stark rückläufig.


Zusätzlich verschärfen wird sich die Situation in Süddeutschland durch das Verbot der betäubungslosen Kastration zum 1. Januar 2019. Lehnt das Metzgerhandwerk Alternativen wie zum Beispiel die Ebermast oder die Impfung gegen Ebergeruch (Improvac) weiterhin kategorisch ab, bricht vielen süddeutschen Ferkelerzeugern auch noch der letzte Absatzweg für männliche Ferkel weg.


Sollte es so kommen, drohen in Süddeutschland ganze Landkreise „sauenfrei“ zu werden. Und dann wäre selbst der derzeit von Experten prognostizierte Selbstversorgungsgrad von 65% nicht mehr zu halten.-ar-

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