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So bringen Sie das Immunsystem auf Trab

Lesezeit: 9 Minuten

Das Immunsystem schützt Ihre Schweine vor Krankheitserregern, beseitigt Fremdkörper und entartete Zellen. Wie Sie es dabei unterstützen können, erläutert Tierärztin Dr. Dörthe Norden aus Brockel.


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Meistens sind es die Ferkel aus Jungsauenwürfen, die Probleme bereiten“, klagt Ferkelerzeuger Rainer Lindhorst (Name geändert) gegenüber seiner Tierärztin. Ganz oft leiden die Tiere dann unter Durchfall, der sie in den ersten Lebenstagen schwächt. Manchmal kom​men aber auch Lahmheiten hinzu, weil den Ferkeln Gelenkentzündungen zu schaffen machen. Aber warum trifft es in den meisten Fällen die Jungsauenwürfe? Schuld ist das noch nicht ausgereifte Immunsystem. Schweine verfügen genau wie wir Menschen über die Fähigkeit, auf das Eindringen von Mikroorganismen in ihren Körper zu reagieren und sich gegen diese Ein-dringlinge zu wehren.


Diese Arbeit leistet das Immunsystem, ein hoch komplexes und spezialisiertes System aus Organen, Geweben und Zellen. Deren Aufgabe ist die Überwachung, das Entdecken, Abwehren und Entfernen von körperfremden und möglicherweise krank machenden Organismen und Fremdstoffen.


Milliarden von Abwehrzellen


Man kann sich das Ganze wie ein Verteidigungssystem aus Milliarden von Abwehrzellen vorstellen. Die meisten davon zirkulieren im Körper. Dringt ein „Feind“ in den Organismus des Schweins ein, stehen die Abwehrtruppen bereit, verständigen sich über Botenstoffe untereinander und besiegen im besten Fall den Fremdling.


Man unterscheidet dabei zwischen zwei Abwehrmechanismen:


  • Unspezifische, angeborene Abwehr;
  • spezifische, erworbene Abwehr.


Beide Systeme greifen ineinander. Meistens sind gleichzeitig mehrere dieser Abwehrmechanismen aktiv, um eine vollständige Beseitigung der Erreger zu gewährleisten.


Kommt das Schwein mit Schadstoffen oder Erregern in Kontakt, treten zunächst die unspezifischen Abwehrmaßnahmen in Aktion. Eine besonders wichtige Rolle spielen dabei die Fresszellen, die sogenannten Makrophagen. Dabei handelt es sich um Zellen, die die Fähigkeit besitzen, in den Körper eingedrungene Fremdstoffe regelrecht „aufzufressen“. Bakterien und geschädigte oder als körperfremd erkannte Zellen werden von diesen Zellen vertilgt. Das Gleiche passiert auch mit Fremdkörpern wie Ruß- oder Kohlepartikeln.


Die Zellen, die zum spezifischen Immunsystem gehören, werden dagegen erst für ihre spezielle Aufgabe ausgebildet. Ein Beispiel dafür sind die sogenannten T-Gedächtniszellen. Diese besonderen Helferzellen können eine einmal erlernte spezielle Immunreaktion speichern. Kommt das Schwein dann mit demselben Krankheitserreger (Anti-​gen) noch einmal in Kontakt, lösen die T-Gedächtniszellen schnell die erlernte Abwehrreaktion aus.


Vorbeugende Impfungen


Ein weiterer Baustein der spezifischen Abwehr ist die Bildung von Antikörpern, die sogenannten Immunglobuline. Schutzimpfungen für Ferkel und Sauen, die aus der heutigen Schweinehaltung nicht mehr wegzudenken sind, basieren auf diesem Prinzip der Antikörperbildung (siehe Übersicht unten).


Das Wirkprinzip: Die B-Lymphozyten produzieren Immunglobuline zur Abwehr körperfremder Erreger. Diese Antikörper heften sich dann ganz gezielt an die fremdartigen Strukturen. Einige dieser B-Zellen differenzieren zu Gedächtniszellen und sind in der Lage, gezielt Antikörper abzugeben. Sie binden sehr schnell die jeweiligen Antigene, wenn sich das Tier noch einmal mit dem gleichen Erreger infiziert.


Diese Antikörperbildung macht man sich auch beim Nachweis von Infektionen zunutze. Untersucht man das Blut erkrankter Tiere, können die verschiedenen Antikörper-Eiweiße (Immunglobuline, z.B. IgG oder IgM) sichtbar gemacht werden. Das Ergebnis der Untersuchung ermöglicht dann Rückschlüsse, mit welchen Krankheitserregern das Schwein Kontakt hatte bzw. wie lange dieser Kontakt schon anhält.


Immunsystem trainieren


Mit diesem Wissen lässt sich nun auch erklären, warum im Betrieb Lindhorst gerade die Ferkel von Jungsauen einen so schweren Start ins Leben haben: Das Immunsystem ihrer jungen Mütter ist noch nicht so trainiert wie das der Altsauen.


Hier verhält es sich ähnlich wie bei Dorf- und Stadtkindern. Vereinfacht gesagt: Wer als Kind im Dreck gespielt hat, besitzt das bessere Immunsystem und wird seltener krank. Die „Abwehrtruppen“ sind umso aktiver, je mehr Kontakt der Mensch bzw. das Tier mit Mikroorganismen im Leben gehabt hat.


Aus diesem Grund ist es wichtig, Jungsauen sorgfältig einzugliedern. Die Tiere sollen sich während dieser Zeit behutsam und schrittweise an die Keimflora ihrer zukünftigen Herde gewöhnen können. Der dafür erforderliche Eingliederungsstall sollte im Rein-Raus betrieben werden. In den ersten zwei Wochen setzen sich die Sauen dabei nur mit dem Tierbetreuer und ihrem Eingliederungsstall auseinander.


In dieser Zeit werden in Abstimmung mit dem Bestandstierarzt und dem Lieferbetrieb auch die ersten Impfungen durchgeführt. Die Impfungen führt man am besten zeitgleich oder im Abstand von zwei bis drei Wochen durch.


Die Rotlauf-/Parvovirose-Impfung ist inzwischen Standard. Allerdings sollte man auf das Alter der Sauen achten, damit es nicht zu störenden Wechselwirkungen mit mütterlichen Antikörpern kommt. Denn die können bis zum Alter von sechs Monaten bei den Jungsauen durchaus noch vorhanden sein. Bewährt hat sich auch eine einmalige PCV2-Impfung vor dem Eingliedern in die neue Herde. Denn Circoviren können insbesondere während der ersten Trächtigkeit Probleme bereiten. Die Impfung reduziert hier die Viruszirkulation in der Sauenherde. Weitere Impfungen wie z.B. gegen PRRS, Influenza und APP richten sich nach dem Erregervorkommen in der Altsauenherde.


Wichtig für die Grundimmunisierung der Tiere ist, dass die Impfungen nach drei bis vier Wochen wiederholt werden. Man spricht hier vom sogenannten Booster-Effekt.


Vorsichtiger Herdenkontakt


Ab der dritten Quarantänewoche erfolgt dann der allmähliche Kontakt mit der Keimflora des Stalles. Das kann durch das Zustallen von Läufern (z.B. Brüchlingen), abgehender Sauen oder von Ebern erfolgen. Stallen Sie jedoch niemals kranke Tiere zu!


Eine wichtige Information für das Immunsystem der Jungsauen liefert auch Kot aus dem Abferkelbereich. Hier treten Keime der ersten Abferkelwoche zutage wie z.B. E.coli, Clostridien und Staphylokokken, die für den Schutz der nächsten Ferkelgeneration eine wichtige Rolle spielen.


Mit Küchen-Krepppapier aufgenommener Saugferkeldurchfall aus der Abferkelbucht hilft den Jungsauen dabei, während der Eingliederungsphase eine wirksame, spezifische Immunabwehr auszubilden.


Mutterschutzimpfungen


Das Eingliedern der Jungsauen und die späteren Bestandsimpfungen dienen dazu, die Sauen selbst auf bestimmte Krankheitserreger vorzubereiten. Sie werden aktiv immunisiert. Daneben gibt es aber auch noch die Möglichkeit der passiven Immunisierung. Sie wird als Mutterschutzimpfung durchgeführt und schützt die Saugferkel über die Weitergabe von mütterlichen Antikörpern über das Kolostrum.


Bei Durchfallproblemen, wie sie im Betrieb Lindhorst auftreten, ist eine Impfung der Sauen vor der Geburt der Ferkel mit einer handelsüblichen Vakzine oder mit einem bestandsspezifischen Impfstoff angebracht. Denn beim Saugferkel weist das Immunsystem eine Besonderheit auf: Es ist in den ersten Lebenswochen noch nicht so weit aus-gebildet, dass es auf eine Infektion mit der Bildung von Antikörpern ausreichend reagieren könnte.


Anders als beim Menschen werden beim Schwein in der Trächtigkeit keine Immunglobuline von der Mutter an den Embryo weitergegeben. Denn die Plazenta der Sau ist für Antikörper nicht durchlässig. Deshalb sind die Ferkel darauf angewiesen, Antikörper und Immunzellen über die Muttermilch zu bekommen. Sie können die Darmschleim-​haut des Ferkels jedoch nur in den ersten 24 bis 48 Stunden überwinden. Später werden keine mütterlichen Antikörper mehr aufgenommen.


Auch der Gehalt an Immunglobulinen im Kolostrum selbst sinkt innerhalb von Stunden stark ab. Nach 24 Stunden ist nur noch ein Drittel der IgG-Ausgangskonzentration vorhanden.


Deshalb ist eine ausreichende Biest-milchaufnahme für die Ferkel so wich-​tig! Innerhalb der ersten 24 Stunden sollte jedes Ferkel 250 bis 300 ml Biestmilch aufgenommen haben.


Um die Kolostrumaufnahme zu beurteilen, kann man den Gehalt an Immunglobulinen (IgG) im Blut per ELISA-Test bestimmen. Noch einfacher ist es, die Ferkel am ersten Tag vor und nach dem Saugakt zu wiegen.


Sauen produzieren in den ersten 24 Stunden nach der Geburt rund 3,5 Liter Kolostrum. Bei mehr als zwölf lebend geborenen Ferkeln kann es daher eng werden. Damit auch in großen Würfen jedes Ferkel ausreichend Kolostrum bekommt, bietet sich das Verfahren des „Split Suckling“ an. Dabei werden die Würfe in zwei Gruppen aufgeteilt, die nacheinander Zugang zum Gesäuge bekommen.


Insbesondere für die ersten Würfe einer Abferkelgruppe ist dieses Verfahren interessant, weil es für einen Wurfausgleich dann in der Regel noch zu früh ist. Wie man beim „Split Suckling“ vorgeht, wird in der Checkliste am Ende des Beitrags ausführlich beschrieben.


Wichtig ist, dass die Ferkel Kolostrum von ihrer eigenen Mutter aufnehmen. Denn nur die muttereigenen Abwehrstoffe der zellulären Immunität regen das Immunsystem an.


Die eigene Immunabwehr des Ferkels entwickelt sich nur langsam, denn die Antigenstimulation ist bis zum Absetzen begrenzt. Gleichzeitig kann es zu Überlagerungen mit mütterlichen Antikörpern kommen, die Antigene abblocken und so die Entwicklung der antigenspezifischen Immunabwehr beeinflussen. Darüber hinaus können auch Umweltstressoren oder Impfungen die Ausbildung des Immunsystems der Ferkel beeinflussen – positiv oder negativ.


Darmbesiedelung steuern


Generell gilt: Ferkel sollten nicht steril aufwachsen. Der frühzeitige Kontakt zu Mikroorganismen ist wichtig, damit sie ein gut funktionierendes Immunsystem aufbauen können. Hier kommt der mikrobiellen Besiedelung des Darmes eine Schlüsselrolle zu.


Der Darm verfügt über eine eigene Immunabwehr, die mit dem übrigen Immunsystem des Körpers in Kontakt steht. Experten sprechen vom darmassoziierten Immunsystem (gut associated lymphoid tissue), GALT genannt.


Mehr als die Hälfte aller Immunzellen des Körpers befinden sich im Darm. Das Immunsystem des Darmes hat mehrere Aufgaben. Es muss auf der einen Seite die normale Darmflora und Nahrungsbestandteile tolerieren. Andererseits muss es jedoch gefährliche Krankheitserreger erkennen und über eine Abwehrreaktion zerstören. Ein intaktes Darm-Immunsystem ist daher von zentraler Bedeutung.


Die Zusammensetzung der Darmflora spielt dabei eine ganz wichtige Rolle. Das sogenannte Mikrobiom, die Bakteriengemeinschaft im Darm, hat direkten Einfluss auf das Immunsystem. Milchsäurebakterien können zum Beispiel Krankheitserreger wie E.coli-Bakterien und Salmonellen verdrängen. Der Einsatz von „Effektiven Mikroorganismen“ im Tierbestand, einer im Handel erhältlichen Mischung aus aufbauend regenerativ wirkenden Bakterien und Hefen, basiert auf dem gleichen Prinzip. Die guten, willkommenen Mikroorganismen besetzen die wichtigen Andockstellen, und unliebsamen Keimen wird so ein „Platzverweis“ erteilt.


Eine stabile Darmgesundheit bedeutet auch ein stabiles Immunsystem. Stressfaktoren wie Infektionen, Mykotoxine, Haltungsmängel und Fütterungsfehler, die die Darmgesundheit beeinträchtigen könnten, sollte man daher möglichst vermeiden.


Vorsicht ist zudem bei jeder antibiotischen Behandlung geboten. Denn antimikrobiell wirksame Stoffe töten nicht nur krankheitserregende Bakterien ab, sondern auch die guten, erwünschten Darmbewohner. Daher sollte man vor jedem Einsatz antimikrobieller Arzneimittel sorgsam zwischen Nutzen und Nebenwirkungen abwägen.


henning.lehnert@topagrar.com

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