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Speed Dating im Jungsauenstall

Lesezeit: 6 Minuten

Lässt sich die Fruchtbarkeitsleistung von Jungsauen mit einer automatischen Rauscheerkennung verbessern? Prof. Dr. Steffen Hoy, Jan Harth, Carmen Weirich und Miriam Wielinski von der Uni Gießen haben es in der Praxis getestet.


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Jungsauen dürfen nicht zu früh besamt werden, denn das Erreichen der Zuchtreife ist die Grundvoraussetzung für eine lang anhaltende, hohe Fruchtbarkeitsleistung. Im Idealfall sollten Jungsauen bei der ersten Belegung 240 bis 250 Tage alt sein, 130 bis 140 kg wiegen und bereits ein bis zwei Rauschezyklen durchlaufen haben.


Doch die Rauschebeobachtung bei Jungsauen ist zeitaufwendig. Die Tiere müssen täglich kontrolliert werden, am besten mit einem sexuell aktiven Eber. Und dafür fehlt den meisten Sauenhaltern die Zeit. Das erklärt, warum häufig keine Informationen dazu vorliegen, wann und wie oft die Jungsauen bereits gerauscht haben.


Elektronischer Rauschedetektor:

In-dustrie und Wissenschaft tüfteln deshalb bereits seit geraumer Zeit daran, wie man die Rauscheerkennung automatisieren kann. Bei Gruppenhaltung mit Abruffütterung bietet sich dazu das sogenannte „Guckloch“ an. Denn bei diesem System erhalten ohnehin alle Jungsauen eine Ohrmarke mit Transponder, damit sie von der Abruffütterung erkannt werden. Und dieser Chip kann auch für die Rauschekontrolle genutzt werden.


In der Praxis sieht das Ganze dann so aus: Die Jungsauen sind in einer Gruppenbucht mit eigener Abrufstation untergebracht. Gleich daneben befindet sich eine Eberbucht. Beide sind über ein „Guckloch“ miteinander verbunden, in dem sich eine Antenne befindet. Eine spezielle Software wertet dann aus, wie oft und wie lange einzelne Jungsauen Kontakt zum Eber gesucht haben.


Die Uni Gießen und Stalleinrichter Big Dutchman haben dazu gemeinsam das Programm „EstrusControl“ entwickelt. Übersteigen die Zahl der Besuche und die tägliche Gesamtbesuchsdauer festgelegte Grenzwerte, meldet das Programm dem Landwirt, dass die betreffende Jungsau rauschig ist.


Ist das System praxisreif?

Doch wie gut funktioniert die automatische Rauscheerkennung, und wie sicher ist die Prognose? Um diese Fragen zu klären, hat das Institut für Tierzucht und Haustiergenetik der Justus-Liebig-Universität Gießen in einem Ferkel-erzeugerbetrieb mit eigener Remontierung umfangreiche Untersuchungen durchgeführt.


Die Jungsauen der Hypor-Linie D wurden im Betrieb mit etwa 180 Le-benstagen auf Eigenleistung geprüft. Sie wurden dazu gewogen und bonitiert. Außerdem wurde per Ultraschall die Rückenspeckdicke gemessen. Anschließend wurden die Jungsauen in Gruppen mit jeweils 35 bis 40 Tieren aufgestallt und an einer eigenen Anlern-Abrufstation gefüttert. Dazu erhielten sie elektronische Ohrmarken mit Transponder.


Von den Jungsauen lagen zu Untersuchungsbeginn somit Daten zum Alter und zum Gewicht beim Einstallen vor. Daraus wurden die Lebenstagszunahmen (LTZ) bis zur Einstufung berechnet. Gemeinsam mit dem Betriebsleiter wurde dann das Alter bei der jeweiligen Brunstmeldung, bei der ersten Belegung (EBA) und der ersten Abferkelung (EFA) sowie die Wurfgröße im ersten Wurf bestimmt. Aus diesen Daten ließen sich die Abferkelrate und der Fer-kelindex für die Jungsauen berechnen.


Die Daten zu den Eberkontakten wurden direkt an den Betriebs-PC gemeldet und dort mithilfe des Programms „EstrusControl“ ausgewertet. Werktäglich loggten sich Wissenschaftler der Uni Gießen per TeamViewer in den Betriebsrechner ein und listeten die als rauschig gemeldeten Jungsauen auf.


Diese Tiere wurden dem Betriebsleiter dann telefonisch oder per E-Mail gemeldet, sodass er eine gesonderte Rauschekontrolle durchführen konnte. Unabhängig davon kontrollierte der Betriebsleiter bei allen Jungsauen zweimal täglich die Rausche und meldete die Ergebnisse nach Gießen, sodass hier beide Rauschemeldungen abgeglichen werden konnten.


Rauscheerkennung funktioniert:

Insgesamt wurden 261 Jungsauen in die Untersuchung einbezogen. Bei jeder Jungsau wurden die Zahl der Eberbesuche und die Besuchsdauer erfasst. Von den 261 Tieren waren 237 Jungsauen mindestens einmal am Rauschedetektor. 24 Sauen dagegen wurden überhaupt nicht erfasst. Das lag möglicherweise daran, dass sie die Jungsauengruppe nach kurzem Aufenthalt wieder verließen.


Insgesamt wurden die Jungsauen vier Gruppen zugeordnet:


  • Weder vom Rauschedetektor noch vom Betriebsleiter als rauschig erkannt.
  • Vom Landwirt als brünstig erkannt.
  • Vom elektronischen Rauschedetektor als rauschig erkannt.
  • Sowohl vom Landwirt als auch vom Rauschedetektor als brünstig erkannt.


Zum Ergebnis: Es gibt zwei Kenngrößen, die die Güte eines Tests beschreiben – die Sensitivität und die Spezifität. Die Sensitivität gibt an, wie viel Prozent der tatsächlich rauschigen Sauen richtig erkannt wurden. Und die Spezifität definiert den Anteil der Sauen, die korrekt als „nicht brünstig“ erkannt wurden.


Bei der ersten erkennbaren Rausche wurden in der vorliegenden Untersuchung 35,6% aller Jungsauen richtig als brünstig erkannt (siehe Übersicht 1 auf Seite S25). Hier stimmten die Beobachtungen des Betriebsleiters und das Resultat der elektronischen Rauschedetektion überein. Und die nicht rauschigen Sauen wurden in 91,7% aller Fälle korrekt als solche erkannt.


Bei der zweiten erkennbaren Rausche derselben Tiere fiel das Ergebnis schon wesentlich deutlicher aus (Übersicht 2, Seite S25). Etwa zwei Drittel (63,9%) der Jungsauen wurden diesmal vollkommen korrekt als brünstig eingestuft.


Mit anderen Worten: Mithilfe der elektronischen Rauschedetektion wurden zwar nicht alle brünstigen Sauen erkannt. Das Ergebnis ließe sich durch die Auswahl des richtigen Ebers aber vermutlich noch verbessern. Denn nachdem der ältere gegen einen jüngeren Eber ausgetauscht worden war, stieg die Zahl der Jungsauenbesuche am „Guckloch“ deutlich an. Für die Stimulation der Jungsauen sollten daher eher junge, sexuell aktive Eber eingesetzt werden.


Geschlechtsreife erkannt:

Die erste Brunst wurde bei allen Jungsauen etwa im gleichen Alter festgestellt – unabhängig davon, wie die Brunst bestimmt wurde. Das spricht für die Qualität der automatischen Brunstdetektion. Die 114 erfassten Jungsauen waren zwischen 199,5 und 202,6 Tage alt.


Natürlich kann man nicht ausschließen, dass die eine oder andere Jungsau bereits vorher schon einmal gerauscht hat, z.B. im Alter von 180 Tagen. Entscheidend ist jedoch, dass die Pubertät bei der automatischen Rauschedetektion rechtzeitig festgestellt wurde. Bis zur ersten Besamung, die im Praxisbetrieb ab dem 260. Lebenstag durchgeführt wird, können die Tiere aber in jedem Fall noch zwei Zyklen durchlaufen.


Für die weitere Auswertung wurden die Jungsauen, die durch den Betriebsleiter, den Rauschedetektor oder durch beide als brünstig erkannt wurden, in der Kategorie „geschlechtsreif“ zusammengefasst. Alle übrigen Sauen wurden als „nicht geschlechtsreif“ eingestuft.


Erstaunlich ist, dass es bei Alter und Gewicht der Tiere keine Unterschiede zwischen geschlechtsreifen und nicht geschlechtsreifen Tieren gab. Die Jungsauen beider Gruppen waren im Schnitt 181 Tage alt und wogen zwischen 119 und 121 kg. Mit anderen Worten: Alter und Gewicht der Tiere allein eignen sich nicht, um zu entscheiden, ob eine Jungsau geschlechtsreif ist. Inzwischen liegen von 48 geschlechtsreifen und 77 wahrscheinlich nicht geschlechtsreifen Jungsauen Daten zum Erstbesamungsalter und von 47 bzw. 72 Jungsauen Angaben zum Erstabferkelalter beziehungsweise zur Wurfgröße in Form der lebend geborenen Ferkel vor (siehe Übersicht 3).


Die Unterschiede ließen sich zwar statistisch nicht absichern. Tendenziell brachten die geschlechtsreif zur Brunstsynchronisation zugelassenen Jungsau-en jedoch pro Wurf 0,2 lebende Ferkel mehr zur Welt. Und auch ihre Abferkelrate war um 4,4% besser als die der vermutlich nicht geschlechtsreifen Tiere.


Hochgerechnet auf 100 besamte Jungsauen summiert sich der Leistungsvorsprung der geschlechtsreif zugelassenen Tiere auf immerhin 75 zusätzlich geborene Ferkel. Unter diesen Umständen dürfte sich die Investition in die elektronische Rauscheerkennung bei Jungsauen schnell bezahlt machen.

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