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Staatsanwalt ermittelt bei Westfleisch

Lesezeit: 7 Minuten

Wegen baulicher Änderungen legten die Behörden das AutoFOM-Gerät im Coesfelder Schlachthof still. Lief die Anlage mehrere Monate ohne Zulassung? Die Staatsanwaltschaft ermittelt, ob Bauern geschädigt wurden.


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Mitte Dezember ging plötzlich alles ganz schnell: Im Westfleisch-Schlachthof im westfälischen Coesfeld rückten das Landesamt für Natur-, Umwelt- und Verbraucherschutz des Landes NRW (LANUV) und das zuständige Eichamt Münster zur Kontrolle an. Zunächst legte das LANUV eine Wasserdusche vor dem AutoFOM-Gerät still. Westfleisch wollte damit Kot- und Schmutzreste von den Schlachtkörpern entfernen und die Hygiene bei der Zerlegung optimieren. Wenig später entzog das Eichamt dem AutoFOM-Klassifizierungsgerät die Eichung. Seitdem wird dort mit dem FOM-Gerät klassifiziert.


Das LANUV begründet sein Vorgehen damit, dass Westfleisch die Wasserdusche direkt vor dem Eichbereich des AutoFOM installiert hat und durch die Verschleppung des Wassers in den Eichbereich eine Beeinflussung des Klassifizierungsergebnisses nicht auszuschließen sei. Darüber hinaus beanstandete die Behörde mehrere bauliche Veränderungen im Eichbereich des Gerätes und informierte das zuständige Eichamt.


Landwirte geschädigt?

Die Behörden versuchen derzeit zu klären, ob es durch die zusätzliche Wasserzufuhr zu Fehlmessungen bei der Schlachtschweine-Klassifizierung gekommen ist. Sollte das tatsächlich der Fall sein, könnten die Landwirte einen finanziellen Schaden erlitten haben.


Für Dr. Heinrich Bottermann, Präsident des LANUV, steht fest, dass zusätzliches Wasser im Eichbereich die Werte verzerren kann. „Bereits 2007 haben wir in Coesfeld festgestellt, dass es bei einem erhöhten Wasserzufluss zu einem Abfall der Messwerte kommen kann“, so Bottermann.


Prof. Dr. Wolfgang Branscheid vom Max Rubner-Institut in Kulmbach (MRI) bestätigt die Problematik. „Bei zu viel Wasser kann eine Bugwelle vor dem Schwein herlaufen. Dadurch kann es passieren, dass das AutoFOM zu früh mit der Messung beginnt und daraus ein verändertes Klassifizierungsergebnis resultiert“, erklärt der Fachmann.


Die Experten fragen sich, warum die Sprinkleranlage von Westfleisch so dicht am Messbereich des AutoFOM installiert wurde. „Man hätte diese doch auch weiter weg vom sensiblen Eichbereich einbauen können“, so Heinrich Bottermann. Das ist mittlerweile zwar geschehen. Die Wasserdusche wurde um 1,5 m versetzt, die Gefahr des unzulässigen Wassereintrags in das AutoFOM soll damit behoben sein. Jedoch wurde die Wassermenge laut Westfleisch nach dem Umsetzen der Dusche um den Faktor fünf erhöht.


Aufgrund der ungeklärten Vorgänge hat das LANUV mittlerweile Strafan-zeige bei der Staatsanwaltschaft erstattet. „Wir müssen klären lassen, ob es strafrechtlich relevante Verfehlungen gegeben hat, und ob es zu Fehlmessungen gekommen ist, die zu falschen Abrechnungen führten“, rechtfertigt Dr. Heinrich Bottermann das Vorgehen seiner Behörde. Die Staatsanwaltschaft prüft nun, ob etwaige Straftatbestände erfüllt sind.


Westfleisch streitet ab.

Westfleisch schließt derzeit aus, dass Landwirte zu Schaden gekommen sind. „Nach den uns vorliegenden internen Bewertungen führt das Abstellen des Wassers bei der Klassi-fizierung von Sauen und Börgen sogar zu einem geringfügigen Absinken der Muskelfleischanteile im Schlachtkörper und Bauch. Das kann nicht im Sinne der Bauern sein“, macht Westfleisch-Geschäftsführer Dr. Helfried Giesen deutlich.


Weitere Untersuchungen sollen seine These jetzt untermauern, Westfleisch hat einen externen Gutachter beauftragt. Dieser wertet derzeit alle Daten aus der Schlachthof-EDV aus, die seit Januar 2011 in Coesfeld aufgelaufen sind. Die Ergebnisse will man am 9. Februar präsentieren, also erst zwei Monate nach Stilllegung des AutoFOM-Gerätes. Westfleisch begründet die späte Veröffentlichung damit, dass der Gutachter zur Absicherung seiner Ergebnisse einen zweiten Fachmann zu Rate ziehen möchte.


Praktiker sehen die Gutachtertätigkeit indes kritisch. Ihrer Ansicht nach müssen die firmeneigenen Extranet-Daten, auf die alle Vertragsmäster Zugriff haben und in denen die AutoFOM-Ergebnisse dargestellt werden, nochmals durch einen von der „grünen Seite“ beauftragten Sachverständigen geprüft werden. Man könnte zum Beispiel die Messwerte vor und nach dem Abstellen der Dusche miteinander vergleichen.


Doch das ist leichter gesagt als getan. Denn Westfleisch hat alle Werte nachträglich auf Null gesetzt. „Weil derzeit nach FOM abgerechnet wird, spielen die AutoFOM-Daten im Extranet aktuell keine Rolle“, begründet Geschäftsführer Giesen das Vorgehen der Westfleisch.


Den Landwirten stößt das Vorgehen sauer auf. „Was will man vertuschen? Als genossenschaftliches Unternehmen gehören die Karten offen auf den Tisch gelegt, schließlich gehört die Westfleisch uns Bauern und es geht hier um unser Geld“, erklärt ein erboster Lieferant.


Der Unmut der Landwirte ist nachvollziehbar, schließlich geht es um viel Geld, wie folgendes Rechenbeispiel zeigt: Schon eine Abweichung von 0,01 Indexpunkten führt bei einem Preisfaktor von 1,59 € und 95 kg Schlachtgewicht zu einem Mindererlös von 1,51 € je Tier. Bei 200 000 Schlachtungen pro Monat würden den Bauern damit gut 300 000 € durch die Lappen gehen.


Vier Monate ohne Zulassung?

Streit ist bei den Beteiligten inzwischen auch darüber entbrannt, ob das AutoFOM-Gerät aufgrund der baulichen Veränderungen überhaupt hätte weiter betrieben werden dürfen.


Fakt ist: Das betreffende Gerät wurde zuletzt im November 2010 vom MRI abgenommen. Dabei wurden die Geräteeinheit und der umliegende Bereich (Eichbereich) genau überprüft und vermessen. Die Ergebnisse mit allen relevanten Einzelmaßen sind in der standortbezogenen Bauartzulassung dokumentiert.


Im August 2011 erfolgte der Einbau eines zweiten AutoFOM-Gerätes der neuesten Generation (AutoFOM III) direkt hinter dem aktuellen Klassifizierungs-gerät. Das neue Gerät sollte im Testbetrieb mitlaufen. Dadurch ergaben sich bauliche Veränderungen, die auch die relevanten Maße, die in der standortbezogenen Bauartzulassung festgelegt sind, verändert haben. In diesem Fall hätte die Zulassung erneuert werden müssen.


Das bestätigt Prof. Dr. Wolfgang Branscheid vom MRI. Tatsächlich hat sein Institut aber erst im Dezember 2011 den Auftrag erhalten, das Gerät neu abzunehmen. Treffen die Annahmen zu, hatte das AutoFOM-Gerät seit August 2011 keine Zulassung mehr und hätte nicht weiter betrieben werden dürfen!


Westfleisch weist in diesem Punkt alle Schuld von sich. Wie Geschäftsführer Dr. Helfried Giesen gegenüber top agrar erklärt, wurden die Umbaumaßnahmen für das AutoFOM III entsprechend den Plänen des Geräteherstellers Carometec durchgeführt. Und dieser sei schließlich dafür verantwortlich, dass das AutoFOM-Gerät eine gültige Bauartzulassung erlangt. „Carometec ist für die Bauartzulassung und Eichung zuständig, nicht wir“, so Giesen.


Das will Rembert Pieper, Deutschlandchef von Carometec so nicht stehen lassen. Er hält dem entgegen: „Die Umbaumaßnahmen wurden entsprechend den Plänen des Schlachtband-Anlagenbauers BANSS durchgeführt, wir als AutoFOM-Gerätehersteller haben immer darauf hingewiesen, dass alle vorhandenen Maße einzuhalten seien, damit die Bauartzulassung der AutoFOM-Anlage nicht erlischt.“


Des Weiteren seien Westfleisch, Carometec, das LANUV sowie das Eichamt über die Umbauten im August 2011 informiert gewesen. Alle Beteiligten hätten nach Abschluss der Arbeiten die Maße überprüft und für in Ordnung befunden. Dass im Dezember 2011 das LANUV dann plötzlich Unregelmäßigkeiten in den Maßen beanstandete, sei unverständlich. „Wir gehen davon aus, dass die beanstandeten, eher geringfügigen Abweichungen keinen Einfluss auf die Messergebnisse hatten, die neue Abnahme zeigt dies“, so Pieper.


Blackbox soll kommen.

Die Verantwortlichen bei Westfleisch stehen mittlerweile so stark unter Druck, dass man sich jetzt zähneknirschend dazu bereit erklärt hat, eine Blackbox testweise einzubauen. „Wir können uns der Blackbox nicht mehr entziehen, dieses Rennen haben wir verloren“, gesteht Geschäftsführer Giesen ein.


Der Sinneswandel des Westfleischchefs kommt spät – aber nicht zu spät. Denn dank der Blackbox, bei der alle Daten unter Umgehung der Schlachthof-EDV an die zuständigen Kontrollbehörden weitergeleitet werden können, ist Westfleisch künftig nicht mehr Alleinherrscher der Daten. Und das allein zählt! Dadurch kommt auch bei der westfälischen Genossenschaft mehr Transparenz in die Bewertung der Schlachtschweine.


Klar äußern müssen sich die Verantwortlichen nun noch dazu, wann und an welchen Standorten die Blackbox installiert werden soll. Dr. Bernhard Schlindwein, Marktexperte beim westfälischen Bauernverband, hofft, dass das Überwachungssystem jetzt zügig eingebaut wird: „Es gibt keinen Grund, länger zu warten.“Marcus Arden

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