Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Sonstiges

Stilllegung 2024 Agrardiesel-Debatte Bürokratieabbau

Aus dem Heft

Straathofs schwieriges Erbe

Lesezeit: 7 Minuten

Der Straathof-Konzern wurde 2015 von der LFD-Holding übernommen. 2019 soll er mit gut 55000 Sauen verkauft werden. Chef Jörn-Fredrik Göbert richtet den Betrieb neu aus, feilt am Image und setzt auf Premiumfleisch.


Das Wichtigste zum Thema Schwein mittwochs per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Kein anderer Schweinehalter hat in den letzten Jahren so viele Negativschlagzeilen produziert wie der niederländische „Ferkelbaron“ Adrianus Straathof. Ihm wird u.a. vorgeworfen, einen Teil seiner Schweineställe ohne Baugenehmigung errichtet zu haben.


Auch soll es immer wieder Probleme beim Thema Tierschutz gegeben haben. Kranke Tiere sollen unzureichend versorgt worden sein. Zudem bemängelte der Landkreis Jerichower Land in den letzten Jahren mehrfach, dass die Sauen im Deckzentrum nicht tierschutzkonform untergebracht seien. Ein Teil der Kastenstände sei zu eng gewesen, die Sauen hätten sich darin nicht ungehindert hinlegen können.


Die Folgen dieser Auseinandersetzung sind bekannt: Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat das „Kasten-standurteil“ des OVG Magdeburg Ende 2016 bestätigt, nachdem die seinerzeit praktizierte Haltung von Sauen im Deckzentrum nicht rechtmäßig ist. Gestritten wird derzeit noch darüber, ob sich das Verbot nur auf diesen Einzelfall bezieht oder ob der Richterspruch bundesweite Geltung hat. Sicher ist aber eins: Viele deutsche Sauenhalter sind wegen der Vorgänge nicht gut auf Herrn Straathof zu sprechen.


Straathof ist raus:

Mittlerweile besteht sogar ein deutschlandweites Tierhaltungsverbot für Straathof. „Ich kann bestätigen, dass Herr Straathof heute keine Anteile mehr an seinem ehema-ligen Unternehmen hält“, erklärt Jörn-Fredrik Göbert gegenüber top agrar. Göbert ist Vorsitzender der Geschäftsführung der LFD-Holding (Landwirtschaftliche Ferkelzucht Deutschland), die die Geschäfte des ehemaligen Straathof-Imperiums übernommen hat. 95% der Anteile an der Holding werden derzeit treuhänderisch von Rechtsanwalt Christian Graf Brockdorff und 5% von der Rechts-, Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungskanzlei Schultze und Braun gehalten.


Göberts Hauptaufgabe besteht zurzeit darin, das Unternehmen neu aufzustellen und fit zu machen für den angestrebten Verkauf spätestens Anfang 2019. „Wir gehen dabei von einer Bewertung von deutlich über 100 Mio. € aus“, erklärt Jörn-Fredrik Göbert seine Verkaufsziele. Über mögliche Investoren will der 45-jährige Diplom-Wirtschaftsingenieur mit Fachrichtung Maschinenbau allerdings nichts sagen. Weder zu möglichen ausländischen Interessenten, inländischen Finanzinvestoren noch dazu, dass angeblich ein großes deutsches Schlachtunternehmen aus dem Ostwestfälischen Interesse an einem Kauf haben soll.


Bis zum Verkauf wird erst einmal kräftig investiert. Rund 37 Mio. € fließen von den beteiligten Banken bis Ende 2018 in die elf Standorte mit Sauenhaltung. Das steht jedenfalls im Businessplan, den die Geschäftsführung aufgestellt hat. Der Großteil des Geldes wird derzeit in die Modernisierung der Sauenställe gesteckt.


In den letzten Monaten wurde z.B. am Standort Gladau in Sachsen-Anhalt kräftig in die Haltung der laktierenden Sauen investiert. Zuerst wurden die Abferkelbuchten vergrößert, sodass diese nun den Vorgaben der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung entsprechen. Aktuell wird in das Deckzentrum investiert. Ein Teil der Sauen steht nach dem Absetzen jetzt nur noch maximal acht Tage lang im Kastenstand, danach werden die Tiere nach dem Vorbild des dänischen Modells in die Gruppenhaltung umgestallt. Vorher standen sie 28 Tage lang im Deckzentrum. „Rund 600000 € hat uns der Umbau des Deckzentrums bislang allein in Gladau gekostet“, berichtet Jörn Göbert.


Und ein Ende ist noch nicht abzusehen. Momentan verhandelt der Unternehmensleiter mit den zuständigen Behörden im Landkreis Jerichower Land, ob die Kastenstände selbst bei nur achttägiger Aufenthaltsdauer der Sauen angepasst werden müssen. Der Kreisveterinär steht auf dem Standpunkt, dass jeder Kastenstand so breit sein muss wie die Sau hoch ist. „Eine endgültige Lösung haben wir noch nicht gefunden. Sicher ist aber, dass wir gemeinsam mit den Behörden eine Lösung finden müssen und werden“, bekräftigt Göbert seinen Standpunkt. Er hält nichts davon, gegen die Ämter zu arbeiten. Sein Ziel ist, Vertrauen zurückzugewinnen.


Neben den Umbaumaßnahmen im Deckzentrum kämpft der Geschäftsführer momentan noch mit einem finanziell viel größeren Problem. In Gladau stehen Stallungen für rund 13000 Sauen, die Anlage ist derzeit aber nur zur Hälfte belegt. „Mehr Sauen dürfen wir an diesem Standort momentan nicht halten, weil die Genehmigungs-situation für das Unternehmen unklar ist“, schildert Göbert mit sorgenvoller Miene. Er hofft aber, dass er gemeinsam mit den Behörden den Knoten durchschlagen und die Anlage wieder voll auslasten kann. „In jedem Fall müssen wir zügig eine Lösung finden, denn durch die leeren Stallplätze entgehen uns jeden Tag Umsätze in Höhe von 80000 €“, erklärt er.


Premiumfleisch-Schiene:

Um die Finanzkraft des Unternehmens zu stärken und für mögliche Investoren attraktiver zu machen, investiert Jörn-Fredrik Göbert derzeit auch viel Zeit in den Aufbau einer Premiumfleisch-Schiene. Er ist überzeugt: „Der Konsument geht diesen Weg mit, wenn er einen spür-baren Mehrwert bekommt.“


Erste konkrete Ideen hat Göbert bereits umgesetzt. Zur EuroTier 2016 in Hannover hat er das Vermarktungskonzept „Value-Schwein“ präsentiert. Value steht dabei für Mehrwert bzw. höhere Wertigkeit. Mit seinen Value-Ferkeln wollen der findige Geschäftsmann und seine Mitstreiter in Zukunft einen Ferkelpreis erzielen, der irgendwo zwischen Bio und Konventionell liegt.


Dem Geschäftsführer sind dabei zwei Dinge wichtig: Zum einen setzt er auf die emotionale Schiene. Er will die Transparenz über die Herkunft und Behandlung der Tiere optimieren und die Rückverfolgbarkeit für den Verbraucher sicherstellen. Zudem will er dem Konsumenten garantieren, dass das Fleisch von Tieren stammt, die mehr Platz im Stall hatten, Raufutter bekommen haben, denen Beschäftigungsmaterial zur Verfügung stand, die Gentechnik-frei gefüttert und von gut ausgebildeten Mitarbeitern optimal betreut wurden.


Zum anderen stellt er qualitative Aspekte in den Mittelpunkt. Ganz oben auf der Prioritätenliste steht die Verbesserung der Schmackhaftigkeit. „Wenn der Käufer merkt, dass das Fleisch besser schmeckt, wird er auch dauerhaft mehr dafür bezahlen“, ist Göbert von seiner Strategie überzeugt. Die LFD-Holding experimentiert derzeit mit der gezielten Einkreuzung ausländischer Genetik. Damit will man u.a. den Anteil intramuskulären Fettes im Fleisch erhöhen und den pH-Wert verbessern.


Verzicht auf Antibiotika:

Der zweite wichtige Qualitäts-Baustein ist die antibiotikafreie Aufzucht und/oder Mast. „Der Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung ist für viele Verbraucher ein rotes Tuch. In unserer Value-Schiene werden wir deshalb nur Schweine verkaufen, die ohne Antibiotika aufgezogen und/oder gemästet wurden“, stellt Jörn-Fredrik Göbert klar.


Doch ist die Produktion ohne Antibiotika überhaupt möglich? Ein Feldversuch, den das Unternehmen im letzten Jahr gestartet hat, sollte das zeigen. Insgesamt 12000 Ferkel erhielten am ersten Lebenstag sogenannte RFID-Ohrmarkenchips. Jedes Ferkel hatte so eine individuelle Nummer im Ohr, die jederzeit mit dem elektronischen Lesegerät ausgelesen werden konnte. Alle Einzeltierdaten wie z.B. Geburtsdatum, Geschlecht, Behandlungen, Tierbetreuer usw. wurden dadurch automatisch in den Computer übertragen und konnten später tierindividuell ausgewertet werden. Die Tiere wurden am Ende der Mast bei der Firma Tönnies geschlachtet. Die Schlachtdaten konnten dank der elektronischen Chips ebenfalls jedem Einzeltier zugeordnet werden. So war eine 100%ige Rückverfolgbarkeit bei jedem Einzeltier gewährleistet. „Bei uns hatte jedes Tier seinen eigenen Lebenslauf“, erklärt Göbert.


Mit den Ergebnissen des Feldversuchs ist der Geschäftsführer rundum zufrieden. Bei knapp 60% der verkauften Ferkel konnte er auf den Einsatz von Antibiotika komplett verzichten. Gut 95% der RFID-Ohrmarkenchips saßen bei der Schlachtung der Tiere noch im Ohr und funktionierten auch noch. „Für die Rückverfolgbarkeit und Sicherheit ist das Funktionieren der Chips äußerst wichtig“, freut sich Göbert.


Warum der Antibiotikaeinsatz im Betrieb deutlich gesenkt werden konnte, hängt laut Jörn-Fredrik Göbert mit folgenden Punkten zusammen:


  • Sauenherde (Depoprepop) mit topGesundheitsstatus. Die Herde ist frei von APP, Influenza und PIA sowie PRRS-unverdächtig.
  • Alleinlage der Ställe.
  • Stallspezifisches Impfprogramm und Einsatz nadelloser Impftechnik.
  • Eigene Nachzucht der Jungsauen.
  • Strikte Einhaltung des betrieblichen Hygienekonzeptes.
  • Betreten der Abferkelbuchten auf ein Minimum beschränkt, um keine Keime zu verschleppen.


Nach den ersten positiven Erfahrungen des Feldversuches sollen mit dem Einstieg in das Value-Fleischkonzept in der LFD-Holding in Zukunft möglichst viele Schweine ohne Antibiotika aufgezogen werden. „Zu 100% werden wir das sicherlich nicht schaffen, aber unsere Messlatte liegt bei deutlich über 75%“, gibt Geschäftsführer Göbert die Marschrichtung für die kommenden Jahre vor. Mit diesem Konzept sucht er jetzt interessierte Partner, die sein Vermarktungskonzept über alle Wertschöpfungsstufen hinweg marktfähig machen. Er hofft auf eine „Braut“, die sich traut.Marcus Arden

top agrar besser machen. Gemeinsam
Sie sind Schweinehalter oder lesen regelmäßig den top agrar Schweine-Teil und/oder die SUS? Dann nehmen Sie an einem kurzen Nutzerinterview teil.

Die Redaktion empfiehlt

top + Letzte Chance: Nur noch bis zum 01.04.24

3 Monate top agrar Digital + 2 Wintermützen GRATIS

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.