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Tierwohl: Bauern bremsen nicht!

Lesezeit: 5 Minuten

Die Tierwohl-Diskussion stockt. An den Bauern liegt es nicht, das Problem ist die ungeklärte Finanzierungsfrage.


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Landwirte können und wollen mehr Tierwohl in ihren Betrieben umsetzen, wenn sie für ihre Mehrleistungen etwas zurückbekommen. Die zweimalige Überzeichnung der Initiative Tierwohl ist ein deutliches Zeichen dafür, dass Bauern nicht die Bremser sind!“ Mit ihrer Analyse setzte die neu gewählte stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Silvia Breher gleich zu Beginn der top agrar-Veranstaltungsreihe „Landwirtschaft im Dialog“ ein deutliches Ausrufezeichen. 150 Gäste diskutierten Ende November in Berlin mit Politikern, Vertretern der Agrarwirtschaft, NGOs und Landwirten über das Thema „Tierhalter im Tierschutzstress: Wo bleibt das Gesamtkonzept? Wie schafft die Politik den Brückenschlag zwischen Bürgern und Bauern“


Tierwohl: Förderung nötig


Breher betonte, dass Deutschland jetzt ein Gesamtkonzept brauche, wolle man beim Tierwohl endlich voran kommen. „Wir müssen den Zielkonflikt zwischen Tierhaltung und Umweltschutz auflösen, mehr Fördergelder für bauliche Umbaumaßnahmen zur Verfügung stellen und eine tragfähige und schlanke Lösung finden, wie wir den Bauern ihr Tierwohlengagement bezahlen“, so der Appell der niedersächsischen Politikerin aus dem Kreis Cloppenburg.


Friedrich Ostendorff, Agrarpolitischer Sprecher von Bündnis90/Die Grünen, wollte dem nicht widersprechen. Er setzt auf die Ergebnisse aus dem Kompetenznetzwerk für Tierhaltung, das der ehemalige Bundeslandwirtschaftsminister Jochen Borchert leitet. Ostendorff: „Was ich von dort höre, macht mir Hoffnung.“ Kritik verteilte Ostendorff in Richtung des Lebensmitteleinzelhandels (LEH). „Wer einerseits neue Haltungsformen und mehr Tierwohl fordert und andererseits jede Woche Fleisch verramscht, ist nicht ehrlich. Das passt nicht zusammen“, forderte er endlich mehr Aufrichtigkeit.


Lidl-Einkaufsleiter Jan Bock konterte umgehend. „Beim Tierwohl müssen wir kleine Schritte gehen, sonst überfordern wir Bauern und Verbraucher“, warnte er vor Aktionismus. Bock sieht in der Initiative Tierwohl (ITW) den richtigen Partner. Nur der ITW sei es bislang gelungen, nennenswerte Mengen an Tierwohlfleisch zu bündeln. „Ohne die ITW schaffen wir es nicht, schnell mehr Fleisch in höherwertige Haltungsstufen zu bekommen. Jetzt muss die Nämlichkeit folgen, denn der Verbraucher will wissen, von welchen Betrieben das Fleisch kommt, für das er mehr Geld bezahlt“, ist sich Bock sicher.


CDU gegen freiwilliges Label


In Zukunft ist eine eindeutige Kennzeichnung notwendig. Ob ein freiwilliges Label ausreicht oder nur die verpflichtende Kennzeichnung den Durchbruch bringt, darüber waren sich Silvia Breher und Dr. Till Backhaus, SPD-Agrarminister in Mecklenburg-Vorpommern, schnell einig. Beide sprachen sich gegen das vom BMEL geplante freiwillige Tierwohllabel aus. „Ein freiwilliges Label hilft nicht weiter. Wir wollen eine auf EU-Ebene verpflichtende Herkunftskennzeichnung“, so Breher. Ob daher der Plan von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner aufgeht, Fleisch mit dem staatlichen Tierwohlkennzeichen bereits in der zweiten Jahreshälfte 2020 in der Ladentheke liegen zu haben, ist fraglich.


Keine Rechtssicherheit


Die Bauern sind sofort bereit, mehr Tierwohl umzusetzen. Daran ließen die drei auf dem Podium stehenden Landwirte keinen Zweifel aufkommen. „Ich will in mehr Tierwohl investieren, kann aber nicht. Ich warte seit Jahren darauf, dass die überarbeitete Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung verabschiedet wird, damit ich meinen Sauenstall umbauen kann“, erklärte Ferkelerzeuger Markus Lehmenkühler aus NRW.


Verständnislos ist auch Hähnchenmäster Jürgen Seeger aus Niedersachsen. „Ich habe einen neuen Hähnchenstall für knapp 30000 Tiere genehmigt bekommen und diesen nach Tierwohlkriterien gebaut. Nach nur einem Durchgang hat der Kreis die Baugenehmigung widerrufen“, so Seeger. Der Grund: Ein Anwohner hatte geklagt und Verfahrensfehler moniert. Jetzt steht der Stall seit Jahren leer. „Das belastet mich und meine Familie sehr“, zeigte Seeger die Folgen auf.


Andreas Wörle, Milchviehhalter aus Bayern, sieht sogar die Gefahr, dass sein Betrieb mit 25 Kühen in Anbindehaltung demnächst ausläuft, weil er keine Baugenehmigung für einen neuen, tierfreundlicheren Boxenlaufstall bekommt. Wörle möchte für 60 Kühe innerhalb der Ortschaft neu bauen. Obwohl die Nachbarn einverstanden sind, verweigert ihm das Landwirtschaftsamt die Zustimmung. „Meine Molkerei droht mir sogar, dass sie meine Milch nicht mehr abholt, wenn meine Kühe weiter in Anbindehaltung stehen“, fasst Wörle die Situation zusammen.


Investiert der Bauer nicht...


...leidet der gesamte vor- und nachgelagerte Sektor. „Als Futtermittelproduzent und Landmaschinenhändler spüren wir sofort, wenn die Bauern keine Rechtssicherheit haben“, verlangte Dr. Dirk Köckler, Vorstand der Agravis Raiffeisen AG, endlich ein Signal des Aufbruchs von der Politik.


Auch Versicherer und Banken tun sich mit der Situation schwer. „Wir können Risiken nur kalkulieren, wenn wir wissen, wie der Stall der Zukunft aussieht“, erklärte Dr. Edgar Martin, Vorstand der R+V Versicherung. Für den Sektor klare Rahmenbedingungen vom Staat forderte Dr. Christian Bock, Bereichsleiter der Landwirtschaftlichen Rentenbank in Frankfurt. „Aus meiner Sicht ist es nicht die Aufgabe der Banken, bei der Finanzierung zusätzliche Risikoprüfungen für Tierwohl vorzunehmen, so wie das aktuell beim Klimaschutz diskutiert wird“, so Bock.


Steen Sönnichsen, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Westfleisch SCE, sieht sogar den gesamten ländlichen Raum gefährdet, wenn immer mehr Höfe aufgeben. Das sieht auch Dr. Hermann-Josef Nienhoff, Geschäftsführer von QS in Bonn, so. Er stellte die Frage in den Raum, wie lange wir es uns in Deutschland noch leisten wollen, dass monatlich 30 bis 50 Schweine haltende Betriebe aus der Produktion aussteigen, weil ihnen die Zukunftsperspektive fehlt. „Anstatt die Tierwohlfrage weiterhin in unterschiedlichen Konzerten mit unreifen Konzepten zu diskutieren, sollten wir endlich ein großes Orchester bilden und die heimische Tierhaltung stärken“, so Nienhoffs Appell.


marcus.arden@topagrar.com

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