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Tipps rund ums freie Abferkeln

Lesezeit: 8 Minuten

Ferkelschutzkorb und Kastenstand werden zunehmend kritisiert. Die Alternative ist das freie Abferkeln. Das Landwirtschaftliche Bildungszentrum Echem hat dazu ein Tagesseminar durchgeführt. Heike Engels war für top agrar dabei.


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Ferkelschutzkorb und Kastenstand stehen schon lange in der öffentlichen Kritik. Sie reduzieren zwar die Erdrückungsgefahr für die Ferkel, schränken aber gleichzeitig die Bewegungsfreiheit der Sauen stark ein. Aufstehen, Ablegen und Säugen sind beeinträchtigt. Zudem kann die Sau in der Vorbereitungsphase der Geburt nicht ihrem Nestbaudrang nachkommen.


Deshalb wird viel über freies Abferkeln diskutiert. Hier werden die Sauen während der Geburt und Säugeperiode ohne Kastenstand und damit ohne Fixierung gehalten. In der ökologischen Schweinehaltung ist das freie Abferkeln bereits seit Längerem gang und gäbe. Beim und nach dem Abferkeln dürfen die Sauen nur in Einzelfällen fixiert werden, und dann auch nur für maximal vierzehn Tage.


Große Würfe, erhöhte Verluste:

Dem freien Abferkeln wird allerdings nachgesagt, dass es mit höheren Erdrückungsverlusten durch die Sau verbunden ist. Ralf Bussemas vom Johann Heinrich von Thünen-Institut für ökologischen Landbau in Trenthorst stellte in Echem jedoch klar, dass hohe Ferkelverluste sowohl im konventionellen als auch im ökologischen System ein großes Problem darstellen: „Wir sprechen bei beiden Systemen über 10 bis 30% Verluste – das ist viel zu viel.“


Bussemas betonte allerdings, dass man genau unterscheiden müsse. Nicht immer würden die Ferkel auch tatsächlich von der Sau erdrückt. Mitunter seien sie auch einfach nur lebensschwach. Deshalb müsse man bei den Verlustursachen noch genauer zwischen lebensschwach, verendet und erdrückt unterscheiden. Erdrückungsverluste seien nicht systembedingt mit dem ökologischen Landbau verbunden.Der Ökoberater macht stattdessen vor allem große Würfe für die Probleme verantwortlich. Hier gebe es eindeutig eine genetische Komponente. Beispielsweise hätten sich in der Vergangenheit viele Ferkelerzeuger für die dänische Genetik entschieden, weil die für ihre hohe Fruchtbarkeitsleistung bekannt ist.


Je größer der Wurf, desto größer seien auch die Probleme. „Der Idealwurf hat elf Ferkel. Denn bei größeren Würfen sind die Gewichte der einzelnen Ferkel häufig zu niedrig, und die Vitalität der Tiere ist vermindert“, betont Bussemas.


Mit steigender Wurfgröße werde es allerdings immer schwieriger, alle Ferkel bedarfsgerecht zu versorgen. Kleine Betriebe hätten zum Beispiel kaum Möglichkeiten, Ammensauen zu halten. Und auch das Versetzen von Ferkeln sei schwierig, denn nicht fixierte Sauen können sehr ungemütlich werden, wenn man ihre Ferkel aus dem Wurf entfernen will. Die meisten Verluste gebe es direkt nach der Geburt und bis zu 80% innerhalb der ersten Lebenswoche zu beklagen, erläuterte Bussemas. Unter dem Strich treten mehr Verluste beim Abferkeln auf als beim späteren Gruppensäugen.


Der Wissenschaftler hat zudem beobachtet, dass die Ferkelverluste steigen, wenn die Geburten nicht intensiv überwacht werden. Das Versetzen der Ferkel hingegen erhöhe das Verlustrisiko nach bisherigen Erfahrungen nicht.


Fester Absetzrhythmus wichtig:

Ralf Bussemas erläuterte in Echem, was man in der ökologischen Schweinehaltung unternimmt, um die Ferkelverluste in den Griff zu bekommen. Entscheidend sei die Gesäugequalität der Sau. „Jung-sauen sollten über mindestens fünfzehn tatsächlich funktionierende Zitzen verfügen“, so Bussemas. Das sei wichtig, weil bei jedem Abferkeln im Schnitt eine halbe Zitze verloren gehe. Daher müsse das Zuchtziel entsprechend angepasst werden, oder man müsse auf Eigenremontierung setzen.


Auch beim Ferkelversetzen müsse man die Qualität der Zitzen im Blick behalten. Altsauen könnten gut zehn Ferkel aufziehen, ihnen sollten aber keine weiteren Ferkel mehr zugesetzt werden, so Bussemas. Kümmerer seien oft das Ergebnis nicht mehr vollständig funktionierender Zitzen bei der Sau. Daher lohne sich ein Blick aufs Gesäuge und eine Notiz im Sauenplaner.


Um Ferkel versetzen zu können, müssen mehrere Sauen zeitnah abferkeln. Deshalb ist es nach Ansicht des Beraters wichtig, einen festen Abferkelrhythmus einzuhalten. „Ideal ist der Drei-Wochen-Rhythmus. Hier ist gewährleistet, dass genügend Sauen zum Ferkelversetzen bereitstehen. Denn das Zeitfenster ist eng. Ferkel sollten nur zwischen zwölf und 48 Stunden nach der Geburt versetzt werden. Nicht früher, damit die Ferkel erst Kolostrum bei der eigenen Mutter aufnehmen können. Aber auch nicht später, weil nach 48 Stunden der Milchfluss an den nicht genutzten Zitzen bereits wieder versiege.


Generell gelte für das Ferkelversetzen: So viel wie nötig und so wenig wie möglich. Ein „Ferkelrodeo“ funktioniere nicht mit Sauen, die nicht fixiert sind. Umgesetzt werden sollten immer nur die stärksten Ferkel des Wurfes und –wenn kastriert wird – nur die weiblichen Ferkel. Sauen, die zum zweiten Mal abferkeln, sind in der Regel ruhiger und nehmen zugesetzte Ferkel besser an als Jungsauen.


Kolostrum, Wärme, Beifutter:

Um Milchmangel durch Gesäugeentzündungen zuvorzukommen, riet der Experte für ökologische Schweinehaltung zur Temperaturkontrolle. In den ersten fünf Tagen nach der Geburt sollte man morgens und abends bei den Sauen Fieber messen. Fiebernde Tiere müssen gemeinsam mit dem Tierarzt zeitnah behandelt werden.


Hygiene, Rein-Raus, gute Reinigung mit Hochdruckreiniger und Desinfektion, Entwurmung und Sauenwaschen vor dem Einstallen seien ebenfalls wichtig. Die Abferkelbucht sollte über ein gleichmäßig beheiztes, großes (0,8 m²) Ferkelnest verfügen – am besten mit einer Bodenheizung, eine Wärmelampe alleine reiche nicht. „Gerade Ferkel, die nicht vital sind, brauchen sofort viel Wärme, ansonsten schlagen weitere Maßnahmen meist fehl“, so Bussemas.


Das A und O für die Vitalität und das Überleben der Ferkel sei eine schnelle und ausreichende Kolostrumaufnahme. Schwache Ferkel werden in Trenthorst konsequent gedrencht. „Wir verabreichen den Tieren mit einer 20 ml-Spritze 15 ml Kolostrum, das vorher aus verschiedenen Zitzen gewonnen wurde“, erläuterte Ralf Bussemas. Anschließend werden die Ferkel dann ins warme Nest gelegt.


Um auch kleinen und später geborenen Ferkeln eine Chance auf einen Säugeplatz an der mütterlichen Zitze zu geben, werden die ersten sechs Ferkel zudem markiert und nach der Kolos-trumaufnahme für zwei Stunden unter der Wärmelampe weggesperrt.


Generell empfiehlt Bussemas, den Ferkeln eine Elektrolyttränke und Milchaustauscher anzubieten. „In Trent-horst bekommen alle Ferkel etwa 1,5 Tage nach der Geburt eine Elektrolyt-lösung. Dazu lösen wir drei Esslöffel Traubenzucker, eine Prise Salz und einen Schuss Apfelessig in einem Liter warmem Wasser auf. Trinken die Ferkel viel davon, stellen wir auf Milchaustauscher um, trinken sie wenig, bieten wir nach drei Tagen nur noch Wasser an“, schildert Bussemas das Vorgehen.


Wenn alle ergriffenen Maßnahmen nicht fruchten, müssen lebensschwache Ferkel auch in der ökologischen Schweinehaltung sofort und tierschutzgerecht gemerzt werden.


Dr. Barbara Voss von der BHZP GmbH berichtete in Echem über den aktuellen Stand des Projektes „Free Sow“. Die gesellschaftlich geforderte freie Haltung von Sauen zum Abferkeln und während der Ferkelaufzucht stellt auch die Zucht vor eine große Herausforderung. „In puncto Tierverhalten werden jetzt Merkmale relevant, die jahrzehntelang unbeachtet blieben oder sogar weggezüchtet wurden“, so Dr. Voss.


Auf Mütterlichkeit züchten:

Im Projekt „Free Sow“ wollen die Züchter diese Merkmale herausfinden und gezielt bearbeiten. Das Projekt läuft seit einem halben Jahr. Für die Durchführung hat der Projektpartner BHZP Stallungen zur Verfügung gestellt, die Sauen der Zuchtlinie „db.01“ werden in Freilaufbuchten von Big Dutchman gehalten. In Echem gab es dazu allerdings auch kritische Stimmen. Die Bucht von Big Dutchman sei eigentlich zu klein. Zudem werden die Sauen zeitweise fixiert. Besser würden sich „echte“ Freilaufbuchten mit verschiedenen Funktionsbereichen und ohne jegliche Fixierung eignen.


„Wir bonitieren jede Sau nach Gewicht, Zitzenanzahl, Futterverwertung, Aufzuchtleistung und führen mit ihnen vor und nach der Geburt Verhaltenstests durch“, erläutert Dr. Voss. Vor der Geburt wird getestet, ab wann den Sauen Nestbaumaterial in Form eines Jutesacks angeboten werden sollte und wie intensiv sich die Tiere damit beschäftigen. Und nach der Geburt werden die Sauen auf ihre mütterlichen Eigenschaften und ihr Verhalten gegenüber Menschen geprüft, die sich ihren Ferkeln nähern.


Konkrete Ergebnisse liegen aufgrund der kurzen Projektlaufzeit zwar noch nicht vor. Man habe aber schon erste Beobachtungen machen können. Die Untersucher stellten u.a. fest, dass der Zeitpunkt, wann der Ferkelschutzkorb geöffnet wird, einen großen Effekt hat. „In der Freilaufbucht fixieren wir die Sau im geburtsnahen Zeitraum. Öffnen wir die Tür zu früh, steigen die Ferkelverluste an. Es erwischt auch gut entwickelte Tiere“, berichtet Dr. Voss.


Im db-Sauenplaner wurde deshalb eine neue Verlust-Kategorie „Erdrückt nach Öffnen der Buchtentür“ aufgenommen. „Wir nutzen dieses Merkmal, um den optimalen Zeitpunkt für das Öffnen der Buchtentür zu bestimmen. Hier ist aber noch viel Forschungsarbeit nötig“, gibt Dr. Voss zu bedenken. -lh-

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