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„Toll Collect“ im Schweinestall

Lesezeit: 6 Minuten

Die Uni Hohenheim testet derzeit Ultrahochfrequenz-Systeme zur elektronischen Tierüberwachung. Antennen zeichnen dabei die Laufwege der Schweine auf. Der Landwirt findet so schneller kranke Tiere und Umrauscher.


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In der Schweinehaltung haben sich elektronische Ohrmarken durchgesetzt: Ferkelerzeuger mit Abruffütterungen für Sauen setzen die runden Ohrchips bereits seit über 20 Jahren ein. Mithilfe der Technik kann jede Sau automatisch und tierindividuell gefüttert werden. Zuchtbetriebe speichern auf den Ohrmarken Einzeltierdaten. Dazu erhält jedes Ferkel nach der Geburt eine elektronische Ohrmarke. Weitere Vorteile der Technik sind:


  • Elektronische Ohrmarken ermöglichen die automatische, einzeltierbezogene Verknüpfung und Auswertung von Daten. Das sogenannte „Smart Farming“ wird dadurch Realität.
  • Die Technik erleichtert die Rückverfolgbarkeit bzw. Herkunftskennzeichnung von Fleisch.
  • Großes Potenzial bietet die Technologie in puncto Tierbeobachtung. So kann man zum Beispiel das Bewegungsverhalten der Schweine aufzeichnen. Das Lkw-Mautsystem „Toll Collect“ arbeitet vom Prinzip her ähnlich. Dank der Bewegungsdaten erkennt der Landwirt, ob eine Sau, ein Ferkel oder ein Mastschwein erkrankt ist. Denn wenn das Tier nur noch selten den Trog oder die Tränke aufsucht, stimmt etwas nicht. Auch Umrauscher kann der Landwirt leichter finden, wenn er das Bewegungsmuster der Sau aufzeichnet. Steht die Sau ständig in der Nähe der Eberbucht, ist das meistens ein klares Zeichen für die Brunst.
  • Auch im Hinblick auf die zukünftig gesetzlich vorgeschriebene Tierwohl-Dokumentation hat die elektronische Kennzeichnung Vorteile.


RFID-Standard:

Alle gängigen Systeme, die heute zur Tierkennzeichnung eingesetzt werden, arbeiten mit der sogenannten Radiofrequenz-Identifikation (RFID). Das System besteht im Wesentlichen aus drei Komponenten:


  • Einem Transponder mit einer Antenne und einem Mikrochip, auf dem die Tiernummer gespeichert ist,
  • einem Lesegerät mit Antenne,
  • sowie einem nachgelagerten Datenverarbeitungssystem.


Der Transponder, meist die Ohrmarke, wird möglichst mittig im Ohr eingezogen. Injektate, die unter der Haut platziert werden, sind Alternativen. Allerdings können diese mit der Zeit wandern und sie sind am Schlachthof schwer zu entfernen. Halsbänder spielen in der Schweinehaltung keine Rolle mehr.


RFID-Transponder arbeiten passiv, sie kommen ohne Batterie aus und gewinnen ihre Energie ausschließlich aus dem Antennenfeld des Lesegerätes. Der Transponder läuft erfahrungsgemäß viele Jahre wartungsfrei und die Anschaffungskosten sind gering. Der Preis schwankt je nach Qualität zwischen 0,80 und 1,50 € pro Ohrmarke.


Die derzeit verfügbaren Produkte basieren auf der RFID-Technik im Niedrigfrequenzbereich (Low-Frequency, LF-RFID). Der große Vorteil der niedrigen Betriebsfrequenz ist der geringe Einfluss von Körpergewebe auf den Datenaustausch. Eine LF-Ohrmarke lässt sich auch hinter dem Ohr sehr gut auslesen.


Es gibt aber auch Nachteile. Die Lesereichweite endet bei mehr als 1 m Entfernung und aufgrund der geringen Datenübertragungsrate können mehrere Transponder nicht parallel ausgelesen werden. Das macht die Erkennung mehrerer Tiere am Trog fast unmöglich.


Kranke Schweine finden:

Seit einiger Zeit wird daher an der Praxistauglichkeit von Ultrahochfrequenz-RFID (UHF) geforscht. Bei dieser Technik steigt die Lesereichweite auf 2 bis 8 m an. Auch die simultane Erfassung von theoretisch mehreren hundert Transpondern ist möglich. Dank UHF-Technik rückt die Überwachung von größeren Stallbereichen mit vielen Tieren in greifbare Nähe.


Allerdings hat auch dieser Frequenzbereich Nachteile: Die elektromagne-tische Strahlung wird von Wasser sehr stark absorbiert. Der Transponder lässt sich deshalb durch das Ohrgewebe nur schwer erkennen. Zusätzlich beeinflusst das tierische Gewebe die Arbeit der Transponderantenne negativ.


Fachleute sehen in der UHF-Technik trotzdem die Zukunft, weil neu entwickelte Transponderchips besser ausgelesen werden können. Auch die Lesegeräte werden immer leistungsfähiger. Durch ein verbessertes Design der Ohrmarken werden zudem die negativen Effekte des Ohrgewebes reduziert.


In gemeinsamen Forschungsprojekten der Uni Hohenheim, der Hochschule Hannover und den Firmen Agrident, Caisley International, deister electronic und Phenobyte werden derzeit praxistaugliche UHF-Transponder, Antennen und Lesegeräte entwickelt. Ziel ist, die Technologie an die rauen Bedingungen in der Tierhaltung anzupassen.


Tiergesundheit im Blick:

Im Fokus der Projekte steht unter anderem die Entwicklung kleiner Ohrmarken. Denn in Zukunft soll möglichst jedes Schwein seine individuelle Ohrmarke ein Leben lang tragen. Damit das sicher funktioniert, müssen die Ohrmarken zur Größe des Tieres passen. Ferkel brauchen wesentlich kleinere Transponder als Mastschweine oder Sauen.


Parallel dazu wird an einer Software gearbeitet, mit der die Tiergesundheit automatisch überwacht werden kann. Derzeit arbeiten Experten an einem Warnsystem, mit dem Krankheiten wie Lahmheiten im Bestand schneller erkannt werden können. Die Idee ist, die Aktivitäten der Tiere aufzuzeichnen und daraus Rückschlüsse auf die Tiergesundheit zu ziehen. Denn lahme Tiere bewegen sich weniger als gesunde.


Welches Potenzial die UHF-Technik im Alltag hat, wird derzeit im Versuchsmaststall der Uni Hohenheim getestet. Aktuell zeichnet das System die Besuche der Tiere am Trog, den Tränken und an einem Beschäftigungsgerät mit Strohraufe auf (siehe Übersicht 1). Da diese Einrichtungsgegenstände über die ganze Bucht verstreut stehen, können aus den einzelnen Besuchsdaten „virtuelle Wegstrecken“ berechnet werden. Das passiert, indem für jeden Wechsel zwischen zwei Orten – wenn z.B. ein Schwein vom Trog zur Tränke läuft – die Distanz zwischen diesen Orten zur täglichen Wegstrecke hinzuaddiert wird.


So entsteht für jedes Tier nach und nach ein individuelles Bewegungsmuster. Was man aus diesen Informationen ablesen kann, zeigt das Beispiel in Übersicht 2. Auffällig ist, dass das Tier zwischen dem 90. und 100. Masttag plötzlich weniger als 200 m pro Tag läuft. Die Ursache war eine plötzlich auftretende Lahmheit. Das konnte anhand des steigenden Locomotion Score – damit wird die Lahmheit eines Tieres beurteilt – klar nachgewiesen werden. Der Locomotion Score 2 weist hier auf eine deutliche Lahmheit bei mindestens einer Gliedmaße hin.


Anders sah die Situation bei dem Mastschwein in Übersicht 3 aus. Das Schwein war während der gesamten Mastdauer gesund, aktiv und legte täglich annähernd die gleiche Wegstrecke zurück. Der Locomotion Score bliebt kontinuierlich bei 0. Das bedeutet, dass keine Lahmheit vorlag.


Umrauscher finden:

Erste Auswertungen ergaben, dass bei ca. 55% der lahmen Schweine deutliche Abweichungen in der Aktivität auftreten, die das System sicher erkennt. Werden diese Daten künftig mit anderen Kennzahlen, wie z.B. der Aufenthaltsdauer am Trog kombiniert, dürfte sich die Trefferquote noch weiter erhöhen. Momentan werden Algorithmen entwickelt, die die Abweichungen erfassen und Alarmmeldungen an den Tierhalter senden.


Nach einem ganz ähnlichen Muster laufen derzeit die Versuche im Warte-stall für tragende Sauen. Durch die Verteilung mehrerer Antennen im Stall, die erhöhte Tieraktivitäten aufzeichnen, sollen Umrauscher oder lahme Tiere schneller gefunden werden. Die Software erstellt dabei automatisch eine tagesaktuelle Alarmliste. In dieser werden auffällige Tiere gekennzeichnet. Der Landwirt hat dann die Möglichkeit, diese Sauen weiter zu beobachten, zu behandeln oder als gesund bzw. unauffällig zu markieren.Kontakt


marcus.arden@topagrar.com

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