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top agrar-Serie:Stallkonzepte der Zukunft - Abenteuer-Stall für Mastschweine

Lesezeit: 7 Minuten

Politik und Verbraucher fordern neue Ställe mit mehr Tierkomfort. Richard Hölscher arbeitet bereits an einem Stallkonzept mit erhöhtem Spaßfaktor.


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Viele Verbraucher sähen es gerne, wenn Schweine wieder auf der grünen Wiese stehen würden, wo sie wühlen, toben und sich den ganzen Tag beschäftigen können. Für viele Schweinehalter undenkbar. Denn zu groß ist die Furcht vor Verwurmung und der Einschleppung von Krankheitserregern.


So sieht das auch Richard Hölscher (39), Landwirt und Stalltechnikhersteller aus dem niedersächsischen Emsbüren. „Wir dürfen uns nicht zurückentwickeln, aber wir müssen aufgrund der Diskussionen um mehr Tierwohl darüber nachdenken, wie wir unsere Ställe attraktiver gestalten und die Tiere sinnvoll beschäftigen können. Natürlich muss das Ganze praktikabel und bezahlbar bleiben“, stellt Hölscher klar.


Der gelernte Maschinenbauingenieur beschäftigt sich bereits seit mehreren Jahren mit dem Thema. Im letzten Jahr wagte er dann den Weg in die Praxis. „Im eigenen Maststall teste ich unterschiedliche, zum Teil von mir selbst entwickelte Beschäftigungsmaterialien“, berichtet der Experte.


Der Großgruppenstall bietet gut 1 000 Mastschweinen Platz, gefüttert wird flüssig per Sensorfütterung. Der Stall ist 46 m lang und 19 m breit. Das vordere Ge-bäudedrittel ist baulich durch eine Wand vom restlichen Stall abgetrennt.


Die Belegung hat Richard Hölscher optimiert: Zunächst stallt er 1 000 Ferkel in den hinteren, 570 m2 großen Stallbereich ein. Mit ca. 50 kg werden die 300 schwersten Vorläufer automatisch in das vordere, gut 300 m2 große Gebäudedrittel geschleust. Sind zwei Drittel der Schweine verkauft, kommen die 300 Nachläufer in den kleineren Stallbereich, kurz darauf werden 1 000 neue Ferkel in den Hauptbereich eingestallt.


Das Aufstallungskonzept erlaubt es Richard Hölscher, im Maststall gut drei Mastdurchgänge jährlich zu fahren, das sind etwa 20 % mehr als üblich.


Verschiedenste Spielgeräte:

Das Auffälligste im Innern des Stalles sind die vielen unterschiedlichen Beschäf-tigungsmaterialien, die sich im ganzen Gebäude verteilen.


Neben Heuraufen hängen Salzlecksteine, Beißsterne und Gummibälle von der Decke, im Boden sind drei Halte-stangen für Scheuerbäume aus Holz fest verankert. Zudem sind zwei Kuhputzbürsten, eine Badewanne bzw. Wasserbecken, eine automatische Schweine-dusche und zwei Wühlflächen mit organischem Wühlmaterial installiert.


Auffällig ist auch die Bodengestaltung. Neben herkömmlichen Beton-spalten ist ein Drittel der Stallgrund-fläche mit Komfortliegeboden aus Kunststoff ausgelegt.


Heuraufe ist beliebt.

Nach knapp einem Jahr Erfahrung gibt es einen eindeutigen Spielfavoriten: Die Heuraufe nahmen die Schweine bislang in allen Mastdurchgängen am intensivsten an. Sobald ein Ballen im Drahtkorb liegt, stellen sich die Schweine rundherum auf und knabbern an den Halmen. Pro Woche verbrauchen die 1 000 Schweine drei Ballen, das sind etwa 5 g pro Tier und Tag.


Auf dem Spaltenboden liegen nur vereinzelt Halme. Ein Zeichen dafür, dass die Tiere das Heu intensiv kauen und abschlucken. Allerdings muss die Heuraufe mit den Schweinen in die Höhe wachsen. Jede Woche wird der Korb dazu ein Stück höher gezogen, sonst wühlen die größer werdenden Schweine den Heuballen innerhalb kürzester Zeit komplett aus dem Drahtgittergestell.


Die Kosten beziffert Richard Hölscher mit 0,60 € pro Mastschwein. Darin enthalten sind die Anschaffungskosten für den Heukorb, das Heu selbst sowie die Arbeitserledigungskosten.


Ähnlich gut angenommen werden auch die Salzlecksteine sowie die Scheuerbäume. Pro Durchgang verbrauchen die 1 000 Mastschweine sechs Lecksteine und drei Scheuerbäume. Die Kosten betragen rund 40 € für die Salzlecksteine und 30 € für die Scheuerbäume. „Das sind 0,07 € reine Materialkosten pro Schwein“, so der Ingenieur.


Kuhbürste floppt:

Als wenig sinnvoll hat sich dagegen der Einsatz der pendelnd aufgehängten Kuhbürsten herausgestellt. „Die Schweine nähern sich der Bürste zwar neugierig, sobald das Gerät anläuft, gehen die Tiere aber auf Distanz“, erklärt Richard Hölscher. „Richtig massieren lassen sich nur wenige Tiere am Ende der Mast.“


Hinzu kommt, dass Kuhbürsten als Beschäftigungsmaterial viel zu teuer sind. Jede kostet deutlich über 1 500 €. Außerdem zeichnet sich ab, dass die Borsten dem Kautrieb der Schweine nicht standhalten. Bereits nach dem ersten Durchgang waren erste Biss-spuren an den Kunststoffborsten zu erkennen, mittlerweile sind einige Bereiche sogar abgefressen.


Wesentlich mehr Spaß scheinen die Schweine an einem Wasserbad zu haben. Richard Hölscher hat eine ca. 10 cm hohe Kunststoffwanne kons-truiert, die vier Mal täglich vollauto-matisch befüllt und entleert wird. Sobald frisches Wasser in das Becken fließt, stürzen sich die Schweine regelrecht darauf.


Das Problem ist allerdings, dass die ca. 1,5 m2 große Wanne viel zu klein für die Großgruppe ist. „Letztendlich profitieren davon nur wenige Tiere, und auch die Unruhe im Stall nimmt zu“, berichtet Hölscher. „Es wäre auch keine Lösung, mehrere Wannen aufzustellen, der Wasserverbrauch und die Inves-titionskosten wären viel zu hoch.“


Trotzdem sieht Richard Hölscher die Badewanne als sinnvoll an. Denn diese wird von Verbrauchern als sehr positiv wahrgenommen. Schweine wollen sich nun mal suhlen, so die landläufige Meinung vieler Verbraucher. „Wir sollten also offen darüber diskutieren, ob solch ein System trotzdem Sinn machen kann, schließlich ist der Kunde König“, gibt er zu bedenken.


Überrascht zeigt sich Richard Hölscher von den Ergebnissen zum Stallboden. „Die Tiere suchen sich ruhige Plätze abseits der Laufwege zum Ausruhen aus. Dabei scheint den Tieren egal zu sein, wie der Boden beschaffen ist“, so seine Beobachtung.


Wühlflächen für Schweine:

Stets dicht belagert sind die beiden jeweils rund 30 m2 großen Wühlzonen, die sich rechts und links an der Stirnseite des Großraumstalles befinden.


Beide Wühlzonen werden aktuell mit getrockneten Sonnenblumenschalen beschickt. Diese werden per Spirale automatisch in den Stall befördert. Arbeitstechnisch ist das überhaupt kein Problem, und auch für das Güllesystem stellen die Schalen keine Gefahr dar.


„Das sieht toll aus, wenn die Schweine mit den Schnauzen durch das Wühlmaterial pflügen. Das Problem ist aber die Hygiene“, so Richard Hölscher. Bereits nach wenigen Tagen haben die Tiere den Bereich verkotet, zudem bleibt zu viel Flüssigkeit zurück, weil die Drainagefähigkeit des Bodens nicht ausreicht.


Die Kosten sind überschaubar. Die Sonnenblumenschalen kosten derzeit 90 € pro t. Pro Durchgang werden 8 t benötigt, sodass der Einsatz unter dem Strich 0,65 € pro Tier ohne Investitionskosten für die Technik kostet. „Das ist vertretbar“, erklärt Richard Hölscher.


Im nächsten Mastdurchgang wird Hölscher ein anderes Material ausprobieren. „Ich werde den 12 mm-Spaltenboden gegen Böden mit 17 mm breiten Schlitzen austauschen und den Tieren grob gehäckselte Hackschnitzel anbieten“, verrät er. Er glaubt, dass die Wühlzone dann trockener bleibt, weil Flüssigkeiten viel schneller nach unten ablaufen können.


Alternativ hat Richard Hölscher über den Einbau eines Bällebades nachgedacht. Das Problem ist aber, dass die Reinigung der Bälle sehr zeitintensiv wäre, weil jeder einzelne Ball per Hand abgeschrubbt oder eine spezielle Waschmaschine für die Bälle entwickelt werden müsste. „Das ist keine Lösung. Und so lange der Aufwand nicht extra bezahlt wird, müssen wir mehr Tierkomfort auf andere Art und Weise sicherstellen“, argumentiert er.


Klipp und klar spricht sich Richard Hölscher gegen den Einsatz von Stroh aus. „Stroh ist Gift für viele Güllesysteme“, warnt er. Und bei der reinen Strohhaltung auf planbefestigten Flächen laufen die Kosten aus dem Ruder. Bei einem Strohbedarf von 3 kg je Tier und Tag müssten 400 kg Stroh pro Mastschwein in den Stall gebracht werden. Unterstellt man einen Strohpreis von 80 € je t, liegen allein die Materialkosten bei über 30 € je Tier. Das ist nicht zu refinanzieren, es sei denn der Handel bezahlt das.


Forschung geht weiter:

Welche Ideen Richard Hölscher noch im Kopf hat, will er noch nicht verraten. Sicher ist aber, dass er in seinem Großraumstall auch in Zukunft Versuche mit unterschiedlichen Beschäf-tigungsmaterialien fahren wird. „Der Verbraucher fordert mehr Tierkomfort, also ist es unsere Aufgabe, dafür alltagstaugliche Konzepte zu entwickeln“, macht Hölscher klar.Marcus Arden

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