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Unheilbar kranke Tiere rechtzeitig erlösen!

Lesezeit: 5 Minuten

Die Entscheidung, wann ein krankes oder verletztes Schwein getötet werden muss, ist eine Gratwanderung. Hier brauchen die Landwirte mehr Hilfestellung, empfiehlt Prof. Dr. Elisabeth große Beilage von der Tierärztlichen Hochschule Hannover.


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Sie haben die Körper von Falltieren unter die Lupe genommen. Worauf haben Sie dabei geachtet?


große Beilage: Im Rahmen einer Studie wurden zwei Dinge ausgewertet: Erstens, ob die unheilbar kranken bzw. verletzten Schweine rechtzeitig von ihren Leiden erlöst wurden, wie es das Tierschutzgesetz vorschreibt. Und zweitens, ob die Tiere vorschriftsmäßig betäubt und notgetötet wurden.


Dazu habe ich im Frühjahr 2016 vier Tierkörperbeseitigungsanlagen (TBAs) besucht, die mit Schweinen aus sechs Bundesländern beliefert wurden. Die Auswertung erfolgte absolut anonym, es wurden keinerlei Ohrmarken oder Lieferscheine zugeordnet. Insgesamt habe ich knapp 1000 Schweine in Augenschein genommen. Die Untersuchung erfolgte auf eigene Initiative und wurde mit Mitteln der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover finanziert.


Was ist Ihnen bei den Untersuchungen in den TBAs aufgefallen?


große Beilage: Das Ergebnis war leider erschütternd. Bei 13,2 % der Mastschweine und 11,6 % der angelieferten Zuchttiere habe ich Verletzungen gefunden, die auf länger anhaltende, erhebliche Schmerzen und Leiden hindeuten. Im Detail handelte es sich dabei um extrem abgemagerte Tiere, Schweine mit eitrigen Gelenkentzündungen, chronischen Panaritien, abgerissenen und entzündeten Afterklauen, Tiere mit tiefen und stark entzündeten Bissverletzungen an Schwanz und Ohren sowie tiefgehenden Hautverletzungen durch Wundliegen und Tiere mit tiefen Geschwüren.


Heißt das, dass viele Schweinehalter zu lange zögern, bevor sie diese unheilbar kranken Tiere von ihren Leiden erlösen?


große Beilage: Eindeutig ja! Aufgrund der äußerlich erkennbaren Symptome hätten auch die Landwirte zu dem Ergebnis kommen müssen, dass die betroffenen Schweine keinerlei Heilungs- bzw. Genesungschance hatten. Sie hätten daher wesentlich früher erlöst werden müssen, um sie vor unnötigem Leiden zu bewahren.


Die betroffenen Landwirte müssen sich darüber im Klaren sein, dass es sich hierbei nicht um ein „Kavaliersdelikt“ handelt. Das zu späte Erlösen der Tiere kann – je nachdem, wie es juristisch bewertet wird – strafrechtlich relevant sein. Im Extremfall kann man den betroffenen Tierhaltern vorwerfen, gegen § 17 Nr. 2b des Tierschutzgesetzes verstoßen zu haben. Ihnen droht somit eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine erhebliche Geldstrafe!


Was ergab die Untersuchung der getöteten Tiere? Wurden sie vorschriftsmäßig betäubt und von ihren Leiden erlöst?


große Beilage: Leider nein. Ich habe 165 Schweine gefunden, bei denen die Befunde eindeutig darauf hinwiesen, dass die Tiere nicht verendet sind, sondern getötet wurden – so wie es das Tierschutzgesetz ja auch fordert.


Bei mehr als der Hälfte der Tiere (61,8 %) war jedoch erkennbar, dass die Betäubung bzw. Tötung mangelhaft ausgeführt wurde. Bei einigen wurde der Kopfschlag zur Betäubung falsch gesetzt. In anderen Fällen wurden Ferkel per Kopfschlag betäubt, die eindeutig schwerer als 5 kg waren. Oder der Bolzenschuss wurde an der falschen Stelle angesetzt. Und gut die Hälfte der Tierkörper war nicht entblutet.


Müssen sich Landwirte und Tierärzte intensiver mit dem Thema Nottöten beschäftigen?


große Beilage: Ich halte das für notwendig. Wenn mehr als 10 % aller unheilbar kranken oder verletzten Tiere zu spät erlöst werden, besteht dringender Handlungsbedarf. Hier müssen die Betroffenen stärker sensibilisiert und geschult werden.


Allerdings gibt es auch weniger eindeutige Situationen, z.B. bei Schweinen, die erst kurze Zeit erkrankt sind. Bis zu welchem Punkt besteht hier noch Aussicht auf Heilung, und ab wann muss das Tier von seinen Leiden erlöst werden? Diese Entscheidung gleicht einer Gratwanderung, und der Punkt, an dem es kippt, muss für jede einzelne Erkrankung sauber definiert werden. Hier besteht noch Forschungsbedarf.


Entscheidend ist, dass Amtstierärzte und Landwirte am Ende die gleiche Entscheidungsgrundlage in den Händen halten. Nur so kann sich der Landwirt seiner Wahl sicher sein. Und wenn erst einmal die Entscheidung zum Nottöten gefallen ist, muss das Tier unverzüglich erlöst werden.


Brauchen wir dazu nicht dringend bundeseinheitliche Vorgaben?


große Beilage: Der Schweinegesundheitsdienst Niedersachsen erarbeitet zurzeit in Abstimmung mit der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) eine entsprechende Leitlinie zum Nottöten. Und auch die DLG erarbeitet ein Papier.


Es ist wichtig, jetzt am Ball zu bleiben und zeitnah erste Ergebnisse zu präsentieren – auch als Signal an Tierschützer und Politiker, dass die Branche die Sache sehr ernst nimmt. Dieser erste Leitfaden kann jedoch nur ein Auftakt sein. Er muss, sobald weitere Forschungsergebnisse vorliegen, weiter verfeinert werden. Wichtig ist, dass der Leitfaden von Hoftierärzten, Landwirten, Amtstierärzten und Wissenschaftlern gemeinsam getragen wird und alle die gleiche Sprache sprechen.


Reicht es, Grenzen und Verhaltensregeln zu definieren? Oder muss man das Nottöten auch in der Praxis üben?


große Beilage: Die Theorie kann man im Rahmen der landwirtschaftlichen Ausbildung oder in Fortbildungen erlernen und verfeinern. Die richtige Anwendung und das Überwinden der Hemmschwelle erlernt man jedoch erst durch praktisches Üben.


Überregionale Schulungen können das nicht leisten, weil die nötigen Falltiere nicht immer bereitstehen. Ich empfehle daher, die Hoftierärzte – soweit nötig – in der Durchführung des Nottötens zu schulen. Und die Tierärzte geben ihr Wissen an die Landwirte weiter, wenn im Betrieb tatsächlich ein Tier erlöst werden muss. Der Tierhalter übt quasi unter Anleitung des Arztes.Henning Lehnert

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