Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Sonstiges

Stilllegung 2024 Agrardiesel-Debatte Bürokratieabbau

Aus dem Heft

Verbraucher kann man überzeugen

Lesezeit: 6 Minuten

Viele Menschen fordern Stroheinstreu, Auslauf und mehr Platz für Schweine. Die negativen Folgen sehen sie nicht. Mit guten Argumenten und passenden Bildern lassen sie sich sogar vom Spaltenboden überzeugen, wie eine Forschungsarbeit der Uni Göttingen zeigt.


Das Wichtigste zum Thema Schwein mittwochs per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Die öffentliche Kritik an der Nutztierhaltung reißt nicht ab, viele Verbraucher hinterfragen sie kritisch. Die Schweinehaltung steht besonders oft im Kreuzfeuer der Kritik. Regelmäßig tauchen Negativ-Schlagzeilen und Bilder in Zeitungen, Fernsehen, Rundfunk, Internet und Social-Media-Kanälen auf, die zeigen sollen, unter welch katastrophalen Bedingungen Schweine in deutschen Ställen angeblich gehalten werden.


Mehr Natur fürs Schwein:

Am Ende des Tages fordert der Verbraucher immer wieder naturnahe Haltungssysteme, in denen die Sauen, Ferkel und Mastschweine ihr arteigenes Verhalten besser ausleben können. Ganz oben auf der Wunschliste stehen Stroheinstreu, Auslauf, mehr Platz und mehr Bewegungsfreiheit.


Die meisten Verbraucher machen sich allerdings wenig Gedanken über die negativen Auswirkungen, wenn entsprechende Wünsche in der Praxis umgesetzt würden. Dass Stroh zum Beispiel Pilzsporen und andere krankmachende Toxine enthalten kann, das wissen nur die wenigsten Bürger. Aus den Forderungen ergeben sich also klassische Zielkonflikte. Hierunter versteht man die Unvereinbarkeit von mehreren Zielen, die nicht alle vollständig und gleichzeitig zu erreichen sind.


Doch wie reagiert der Verbraucher, wenn er mit solchen Zielkonflikten konfrontiert wird? Interessiert ihn das überhaupt? Ändert er womöglich seine Meinung, wenn ihm reale und objektive Informationen in Form von Bildern und Texten zur Schweinehaltung gezeigt werden? Wenn ja, könnte das bei der Entwicklung neuer Kommunikationsstrategien helfen.


Die Uni Göttingen hat dazu Unter-suchungen durchgeführt. Im Rahmen einer Forschungsarbeit wurden zehn einstündige Interviews mit Verbrauchern geführt. Die Inhalte der Interviews drehten sich um folgende Themenkomplexe:


  • Mast auf Vollspaltenboden.
  • Säugende Sau im Ferkelschutzkorb.
  • Mast mit Auslaufmöglichkeit.


Zu jedem Haltungssystem präsentierten die Fragesteller den Interviewpartnern je zwei Bilder aus Praxisbetrieben. Parallel dazu legte man den Teilnehmern schriftlich die wissenschaftlich basierten Vor- und Nachteile des jeweiligen Systems vor (siehe Übersicht).


Die Auswahl der Teilnehmer erfolgte mithilfe von Anzeigen in der Lokalpresse und in verschiedenen sozialen Medien. Teilnehmen durften ausschließlich Personen, die weder Vorerfahrungen in der Landwirtschaft noch eine landwirtschaftliche Ausbildung absolviert hatten. Dadurch sollte jegliche Beeinflussung durch mögliches Fachwissen ausgeschlossen werden, um möglichst reale Verbrauchermeinungen zu erhalten.


Verständnis für Spaltenböden:

Die Informationen und Bilder zum Thema Schweinemast in Gruppenhaltung auf Spaltenboden waren für die meisten Teilnehmer neu. Viele Bürger glaubten, dass Mastschweine in Einzelhaltung stehen. Die gezeigten Bilder der sauberen Tiere mit Bewegungsmöglichkeit führten schließlich aber dazu, dass das Verfahren positiv bewertet wurde.


Die Verbraucher fokussierten sich zunächst zwar sehr stark auf die Tiere, ihr Aussehen und den Platz. Die Eindrücke reichten aber aus, um auch den Beton-spaltenboden zu akzeptieren. Die Teilnehmer äußerten auch Verständnis dafür, dass Landwirte ihre Tiere aus ökonomischen Gründen in den gezeigten Systemen halten. Sie waren teilweise sogar überrascht davon, dass die Haltung von Mastschweinen wie auf den Bildern dargestellt aussieht. Das hätten sie sich schlimmer vorgestellt.


Kritik gab es lediglich dafür, dass die Schweine kaum Möglichkeiten haben, ihr artspezifisches Verhalten (wühlen und suhlen) auszuleben.


No-Go Ferkelschutzkorb:

Auf Ablehnung stieß der Ferkelschutzkorb. Selbst die den Interviewpartnern schriftlich vorgelegten Pro- und Kontra-Informa-tionen trugen kaum dazu bei, dass die Teilnehmer die Vorteile des Systems in ihre Bewertung einbezogen. Als großes Problem erwies sich immer wieder, dass die Befragten bereits ähnliche Bilder aus den Medien kannten und diese emotional aufgeladen waren. Die Teilnehmer sprachen von „Gefängnis“ oder „Einsperren“.


Dass der Ferkelschutzkorb dazu beiträgt, die Zahl der erdrückten Ferkel zu reduzieren, nahmen die Probanden zwar positiv zur Kenntnis, dennoch sorgten sie sich mehr um das Muttertier. Die Fixierung der Sauen empfand man als unnatürlich, als Qual und als Grausamkeit gegenüber der Sau. Viele Teilnehmer forderten eine zeitnahe Überarbeitung des Systems, bei dem das Wohl der Sau deutlich stärker berücksichtigt wird als bislang.


Das Argument Arbeitsschutz zählte übrigens überhaupt nicht. Die Befragten waren durch die Bank der Meinung, dass sich eine Sau, die artgerecht gehalten wird, nicht aggressiv verhält.


Außenhaltung ist toll:

Eine vom Verbraucher durchweg positive Bewertung erzielte die Außenhaltung der Mastschweine. Vor allem das zusätzliche Platzangebot kam bei den Umfrage-teilnehmern gut an. Gleichzeitig lobten sie das zusätzliche Tageslicht- und Frischluftangebot sowie die Stroheinstreu. Tierwohl-Argumente hatten also oberste Priorität.


Ganz anders war das in Bezug auf die bekannten Nachteile bei Außenhaltung. Zunehmende Emissionsprobleme, Wurmbefall, Sonnenbrand, Schweine-pestgefahr etc. nahmen die Teilnehmer bei diesem Zielkonflikt überhaupt nicht ernst.


Aufklärung tut Not.

Die Ergebnisse belegen, dass Verbraucher Zielkonflikte nur schwer bewerten können. Persön-liche Vorerfahrungen und Informa-tionen aus den Medien beeinflussen die Wahrnehmung und Meinung stark. Nichtsdestotrotz gibt es Themen in der Schweinehaltung, bei denen sich eine Aufklärungskampagne lohnt, weil sie die Akzeptanz beim Endkunden nachweislich verbessern kann.


Das trifft zum Beispiel beim Thema Mast auf Vollspaltenböden zu. Erhält der Verbraucher fachlich fundierte Informationen über den Betonspaltenboden, können diese zu mehr Akzeptanz beitragen.


Völlig anders ist das bei bereits sehr emotional aufgeladenen Themen und Bildern. Hier trägt die fachliche Informationsvermittlung nur selten Früchte. Den Ferkelschutzkorb zum Beispiel lehnt der Verbraucher ab. Ähnlich ist das beim Thema betäubungslose Ferkelkastration. In beiden Fällen sollten Landwirte dennoch offen zu ihrem Tun stehen. Die Praktiker müssen dem Verbraucher allerdings genau erklären, warum sie entsprechende Haltungstechniken einsetzen.


Wichtig ist auch, dass die Suche nach Alternativen, mit der sich die Branche beschäftigt (wie zum Beispiel die Erprobung der freien Abferkelung), offen kommuniziert wird. Die angestrebten Veränderungen und Verbesserungen der Haltungssysteme müssen dem Verbraucher dabei leicht verständlich erklärt werden. Das wird allerdings nicht in allen Fällen funktionieren. Dann kann nur eine Überarbeitung des Systems dazu beitragen, mehr Akzeptanz in der Bevölkerung zu erzielen.


Tierwohl vor Umweltschutz:

Insgesamt stand für die Teilnehmer der Studie das Wohl des Tieres oft an erster Stelle. Das war vor allem immer dann der Fall, wenn Unsicherheiten und Informationsdefizite bestanden. Argumente des Arbeitsschutzes, der Wirtschaftlichkeit oder der Umweltbelastung berücksichtigten sie weniger stark.


Landwirte können sich diese Erkenntnis zu Nutze machen, indem sie gegenüber dem Verbraucher klarstellen, dass auch ihnen das Wohl der Tiere am Herzen liegt. Die Tierhalter sollten sich nicht verschließen, sondern aktiv werden und auf die Komplexität mancher Probleme hinweisen. Nur so schafft man beim Verbraucher ein Bewusstsein dafür, dass die Umsetzung von gesellschaftlichen Forderungen komplex ist, die Branche aber nach Lösungswegen sucht.-ar-

top agrar besser machen. Gemeinsam
Sie sind Schweinehalter oder lesen regelmäßig den top agrar Schweine-Teil und/oder die SUS? Dann nehmen Sie an einem kurzen Nutzerinterview teil.

Die Redaktion empfiehlt

top + Letzte Chance: Nur noch bis zum 01.04.24

3 Monate top agrar Digital + 2 Wintermützen GRATIS

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.