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Was bei Saugferkel-Durchfall wirklich hilft

Lesezeit: 10 Minuten

Durchfälle sind die zweithäufigste Todesursache bei Saugferkeln. Wie Sie wirksam vorbeugen und effektiv behandeln, erläutert Dr. Anna Siemers, Tierärztliche Gemeinschaftspraxis Dümmerland in Steinfeld.


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Es war zum Verzweifeln! Ferkelerzeuger Rainer Hartmann (Name geändert), der mit seinen 500 Sauen im Schnitt 28,3 Ferkel absetzt, bekam die Durchfälle bei seinen Saugferkeln einfach nicht in den Griff. Zwar wurden alle Abferkelbuchten nach jedem Durchgang gründlich mit heißem Wasser gereinigt, getrocknet und desinfiziert. Außerdem wusch er die Sauen vor dem Umstallen gründlich mit einem Spezialwaschmittel für Tiere.


Doch die erhoffte Wirkung blieb aus. Im Herbst 2014 spitzte sich die Situation immer weiter zu. Mehr als drei Viertel aller Würfe erkrankten zwischen dem zweiten und vierten Lebenstag an gelblich-wässrigem Durchfall. Dabei er-wischte es Altsauen- ebenso wie Jung-sauenwürfe. Das verwendete Antibiotikum zeigte kaum noch Wirkung, die Saugferkelverluste kletterten von 11 auf über 15 % und die Absetzgewichte sanken um durchschnittlich 480 g. Und selbst im Flatdeck waren die Ferkel deutlich anfälliger als früher. Hartmann war absolut ratlos.


Häufig sind es Mischinfektionen.

Ge-meinsam mit seiner Tierärztin zog Hartmann bei einigen erkrankten Ferkeln Kottupfer. Bei der Laboruntersuchung wurden neben Rota­viren auch zwei E.coli-Stämme nachgewiesen. Einer der beiden Coli-Erreger war gegen das bisher verwendete Antibiotikum resistent.


Als Sofortmaßnahme wechselte Hartmanns Tierärztin zu einem anderen, wirksamen Antibiotikum. Beim Bestandsdurchgang fiel der Ärztin zudem auf, dass sich die Ferkel nicht in allen Abferkelnestern gleichmäßig auf die Wärmeplatten verteilten. Messungen ergaben, dass die Temperatur auf den Heizplatten zwischen 33 und 37 °C schwankte. Dieses Problem ließ sich durch das Entlüften der Heizungsanlage schnell und problemlos beheben. Zusätzlich verabreicht Rainer Hartmann den Saugferkeln auf Anraten seiner Tierärztin neuerdings am ersten und zweiten Lebenstag ein probiotisches Präparat ins Maul, das unter anderem Antikörper gegen Rotaviren enthält. Auf diese Weise gelang es, die Ferkel so weit zu stabilisieren, dass nur noch etwa 40 % der Würfe erkrankten.


Durchfälle ein Riesenproblem:

Um den Erregerdruck in der Herde weiter zu senken, führten Tierärztin und Landwirt außerdem eine kombinierte Mutterschutzimpfung gegen Coli-Keime und Clostridien ein. Über die Muttermilch sollen die Ferkel passiv immunisiert werden. Die Sauen werden sechs und drei Wochen vor der Geburt geimpft. Später genügt zur Auffrischung dann eine einmalige Impfung, jeweils drei Wochen vorm Abferkeln.


Die Summe der ergriffenen Maßnahmen brachte schließlich den Durchbruch. Nachdem die ersten doppelt geimpften Sauen abgeferkelt hatten, mussten ab Dezember 2014 nur noch knapp 10 % aller Würfe antibiotisch gegen Durchfall behandelt werden.


Rainer Hartmann ist leider kein Einzelfall. Obwohl das Herdenmanagement in den letzten Jahren kontinuierlich verbessert wurde, verursachen Saug­fer­keldurchfälle noch immer in vielen Betrieben große Verluste. Aufgrund der gestiegenen Wurfgrößen und nach Be­stands­aufstockungen stehen selbst gut geführte Betriebe vor großen Problemen.


Durchfälle sind nach Erdrücken die zweithäufigste Todesursache bei Saugferkeln. Doch selbst wenn die Ferkel nicht verenden: Die Würfe wachsen auseinander, und die Durchfallferkel hinken zeitlebens hinterher. Mitunter lassen sich die Leistungseinbußen bis in den Maststall nachverfolgen.


Erst den Erreger bestimmen!

Als Auslöser für Saugferkeldurchfälle kommen zahlreiche bakterielle und virale Erreger sowie Parasiten infrage (siehe Übersicht). Ganz oft handelt es sich auch um Mischinfektionen.


Da jeder Erreger ein besonderes Behandlungs- und Vorbeugekonzept erfordert, müssen daher zunächst die beteiligten Erreger nachgewiesen werden. Am besten eignet sich dazu eine Tupferprobe von noch nicht behandelten Tieren. Ideal ist es, wenn die Tupferprobe im Rahmen einer Sektion gewonnen wird, denn dann kann auch gleich der Darm mitbeurteilt werden.


Die mit Abstand häufigste Ursache für Saugferkeldurchfälle sind Infektionen mit dem Bakterium E. coli. Man unterscheidet mehr als 1 000 verschiedene Coli-Stämme, von denen die meisten auch in „Friedenszeiten“ im Darm vorkommen.


Nur wenige von ihnen besitzen an ihrer Oberfläche die nötigen Struk-turen, um sich nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip an Rezeptoren im Schweinedarm anzuheften. Ist dies allerdings erst einmal geschehen, werden vom Erreger sogenannte Enterotoxine ausgeschieden, die einen wässrigen, meist gelben Durchfall auslösen.


Typisch für die Coliruhr ist, dass ganze Würfe sehr schnell und heftig erkranken. Die Ferkel trocknen stark aus, ihr After ist meist wund und durchfallverschmiert. Die Ferkel können sich über verschmutzte Abteile, den Kot der Sau und den Durchfall erkrankter Wurfgeschwister infizieren. Daher sollte man Saugferkel, die an Coli-Durchfall erkrankt sind, möglichst auch nicht versetzen.


Keime zerstören Darmzellen.

Auch Clostridien gehören zu den bakteriellen Durchfallerregern. Clostridium perfringens Typ A kann Clostridiendurchfall und der Typ C die Nekrotisierende Enteritis auslösen. Die Infektionsquellen sind ähnlich wie bei Coliinfektionen. Die Toxine dieser Keime sind aber so stark, dass sie im Gegensatz zur Coliruhr sogar das Gewebe des Darmes zerstören können. Außerdem sind Clostridien in der Lage, Gas zu bilden.


Die Kennzeichen für eine nekrotisierende Darmentzündung sind ausgetrocknete Ferkel, deren Durchfall übelriechend, wässrig-gelblich bis sogar blutig und schaumig sein kann. Die Infektion mit Clostridium perfringens Typ A verläuft dagegen in der Regel weniger heftig. Aber auch hier kümmern die Ferkel nach dem Absetzen.


Saugferkeldurchfälle, an denen Bakterien beteiligt sind, müssen unverzüglich antibiotisch behandelt werden. Die Akutbehandlung kann mit einem Breitbandantibiotikum starten, das die meisten Erreger abdeckt. Sobald das Ergebnis des Resistenztests vorliegt, muss die Behandlung aber angepasst werden.


Gleichzeitig sollte die zusätzliche Ferkelmilch durch eine Elektrolytlösung ersetzt werden. Im Handel gibt es fertige Präparate. Man kann die Lösung mithilfe von Traubenzucker und Kochsalz aber auch leicht selbst herstellen.


Aufgrund des stark wässrigen Durchfalls ist das Hinterteil der Ferkel bei bakteriellen Infektionen häufig feucht, und die Tiere kühlen aus. Deshalb ist es sinnvoll, Durchfallwürfe ein- bis zweimal täglich mit Hygienepulver abzustreuen. Das Pulver bindet neben der Feuchtigkeit auch die Erreger und mindert die Gefahr, dass sich die Erkrankung weiter ausbreitet.


Rotaviren, TGE und PED:

Neben bakteriellen Erregern können auch Viren Auslöser des Saugferkeldurchfalls sein, vor allem Rota- und Coronaviren.


Rotavirusdurchfall tritt besonders bei Jungsauenwürfen und nach Bestandsaufstockungen auf, weil dann die Immunität der Sauenherde noch nicht stabil ist. Die Viren zerstören die Zotten am Darm, die für die Nährstoffaufnahme wichtig sind. Das führt zu einem wässrigen, bräunlichen Durchfall, der teils wie geronnene Milch mit gelben Beimengungen aussieht.


Die TGE (Transmissible Virale Gastroenteritis) und die PED werden beide durch Coronaviren ausgelöst. Sie zerstören die Darmzotten noch intensiver als Rotaviren. Daher verlaufen beide Erkrankungen massiv und mit hohen Ferkelverlusten. Die Ferkel leiden unter gelb-wässrigem Durchfall und erbrechen häufig.


Die TGE ist eine meldepflichtige Tierkrankheit. Sie führte in Deutschland in den 80er Jahren zu außerordentlich hohen Ferkelverlusten. Glücklicherweise fand dann eine Durchseuchung der Bestände mit einem nahe verwandten Virus statt. Das wirkte wie eine Impfung, sodass heute nur noch selten TGE-Infektionen auftreten.


Die PED sorgt seit Längerem in Asien und seit 2013 auch in den USA für große Ferkelverluste. In Deutschland gab es 2014 ebenfalls erste Erkrankungsfälle, die sich bislang aber auf wenige Mastbetriebe beschränken. In den betroffenen Beständen wurde ein schwach krankmachender PED-Stamm nachgewiesen. Die Tiere leiden unter starkem Durchfall und kümmern, die Sterberate ist jedoch gering. Sollte das Virus in Sauenbestände gelangen, sind jedoch auch bei uns massive Ferkelverluste zu erwarten.


Zur Behandlung: Gegen die genannten Viren gibt es zurzeit leider kein wirksames Medikament und noch keine zugelassenen Impfstoffe. Deshalb bleiben nur die bereits genannten Maßnahmen, um die Ferkel bestmöglich zu unterstützen. Erkrankte Ferkel sollten nicht versetzt werden, sie sollten täglich mit Hygienepulver abgestreut und es sollte ihnen eine Elektrolytlösung angeboten werden.


Stark ausgetrockneten Ferkeln, die zu schwach sind, um sich bis zum Gesäuge der Sau durchzukämpfen, können 5 ml 5 %ige Glukoselösung in die Bauchhöhle gespritzt werden. Die richtige Injektionsstelle befindet sich auf Höhe des zweitletzten Zitzenpaares.


Darüber hinaus können auch Parasiten Ferkeldurchfälle verursachen. Die wichtigsten Parasiten sind Kokzidien (Kokzidiose) und Zwergfadenwürmer (Strongyloidiose). Kokzidien dringen in die Zellen des Darmes ein und entwickeln sich in ihnen. Verlässt der Parasit anschließend die Zelle, wird sie dadurch zerstört. Die Entwicklung des Erregers dauert vier bis fünf Tage. Daher tritt der pastenartige, gelbliche Durchfall meist zwischen dem 5. und 15. Lebenstag auf. Die Sterblichkeit ist zwar nicht besonders hoch, die Ferkel bleiben jedoch in ihrer Entwicklung zurück. Oft sind Kokzidien Wegbereiter für andere Erreger.


Gegen Kokzidien behandeln?

Den sichersten Schutz bietet eine vorbeugende Behandlung mit einem Kokzidiostatikum. Das Mittel wird den Ferkeln mit einem Dosierer zwischen dem dritten und fünften Lebenstag direkt ins Maul verabreicht. So wird der Erreger bekämpft, bevor er in die Darmzellen eindringen kann.


Die Infektion der Ferkel mit dem Zwergfadenwurm findet über das Gesäuge und die Milch statt. Die ersten Anzeichen treten etwa in der zweiten Säugewoche auf. Die Ferkel leiden unter pastenartigem, gelbem Durchfall, haben eine blasse Hautfarbe und magern ab. Da in den meisten Betrieben inzwischen jedoch routinemäßig entwurmt wird, sind Infektionen mit dem Zwergfadenwurm selten geworden.


Die wichtigste vorbeugende Maßnahme gegen Saugferkeldurchfälle sind Mutterschutzimpfungen. Die Sauen werden drei Wochen vor dem Abferkeln geimpft. Die von der Sau gebildeten Antikörper stehen den Ferkeln dann über das Kolostrum von der ersten Lebensminute an zur Verfügung.


Sauenimpfungen rechnen sich.

Mutterschutzimpfungen sind – wenn sie die richtigen Erreger abdecken – sehr effektiv. Oft reicht es schon, die Saugferkelverluste nur um 1 % zu senken, um die Kosten der Impfung zu decken.


Gegen die genannten bakteriellen Erreger von Saugferkeldurchfällen gibt es gute konventionelle Impfstoffe. Häufig werden Kombiimpfstoffe gegen Colibakterien und Clostridien eingesetzt. Zeigt die Impfung nicht die erhoffte Wirkung, sollte man zunächst die Kolostrumversorgung der Ferkel überprüfen. Leiden die Sauen unter MMA oder sind die Würfe zu groß, bekommen die Ferkel oftmals nicht genug Biestmilch. Die Kleineren erkranken dann als erste, und die gut entwickelten Ferkel stecken sich an.


Bei großen Würfen sollte man deshalb das „split suckling“ anwenden: Wenn die starken Ferkel genug Kolostrum bekommen haben, werden sie einige Zeit im Ferkelnest fixiert, damit die Schwächeren zum Zuge kommen.


Ist die Kolostrumversorgung gut und es treten trotz Impfung immer noch Durchfälle auf, kann aus den für den Erregernachweis gewonnenen Durchfallproben ein stallspezifischer Impfstoff hergestellt werden.


Gegen die viralen Durchfallerreger gibt es zurzeit noch keine konventionellen Impfstoffe. Und es können auch noch keine stallspezifischen Impfstoffe hergestellt werden. In der Gemeinschaftspraxis Dümmerland gute Erfahrungen mit einem für Rinder zugelassenen Rota-Corona-Impfstoff gemacht. Die Umwidmung ist rechtlich zulässig, sollte jedoch mit der zuständigen Überwachungsbehörde abgestimmt werden.


Sehr positiv sind auch erste Erfahrungen mit einem Probiotikum, das neben modifizierten Hefezellwandbestandteilen und Kolostrumpulver zwei Bakterienkulturen enthält (s. top agrar 10/2014, Seite S 21). In zwölf von fünfzehn Betrieben sank der Anteil der Duchfallwürfe von 68,3 % auf 14,8 %. Die Verluste wurden um 3,6 % gesenkt, und es musste selterner antibiotisch behandelt werden.

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