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Wir brauchen mehr „Tierwohl-Geschichten“!

Lesezeit: 8 Minuten

Interessiert Verbraucher das Thema Tierwohl auch an der Ladentheke? Wie viel Prozent der Kunden kaufen tatsächlich Tierwohlfleisch? Wer könnte das besser beurteilen als Lebensmittelhändler. Im Arbeitskreis „Bauern treffen Händler – Händler treffen Bauern“ berichten die Händler.


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Kaufinteresse


„Natürlich bezahle ich für Tierwohl-Fleisch gerne mehr Geld!“ Auf wie viel Prozent der Verbraucher trifft diese Aussage zu, wenn sie an der Fleischtheke stehen und die Auswahl zwischen konventionell erzeugter Ware und Labelfleisch haben?


Antwort: Laut Aussage der Lebensmittelhändler lassen maximal 20% der Kunden ihren Forderungen Taten folgen. Für 80% der Verbraucher ist nach wie vor der Preis das wichtigste Kaufargument. Vor allem in wirtschaftlich schwächeren Regionen Deutschlands, wo die Einkommen häufig niedriger sind, ist das Verhalten zu beobachten.


In diesen Regionen machen sich die Verbraucher zudem weniger Gedanken über ihre Ernährung, sie kaufen nur nach Preis. Nach Einschätzung der Händler wird sich an dieser Situation auch nichts ändern, solange konventionelle Ware und Labelfleisch nebeneinander in der Fleischtheke liegen.


Ein weiteres Problem ist, dass man dem Kunden bislang keinen wirklichen Mehrwert von Labelfleisch vermittelt hat. Bislang lautet die Botschaft immer: Konventionell erzeugtes Schweinefleisch erfüllt höchste Qualitätsansprüche. Welche Vorteile bietet dann Labelware, fragt der Kunde zu Recht?


Haltungsform


Wollen die Kunden im Laden wissen, wie das Schwein gelebt hat?


Antwort: Laut Aussage der Lebensmittelhändler spricht nur jeder fünfte Kunde den Fleisch- oder Wurstverkäufer darauf an, wie das Tier gelebt hat. Kein Kunde fragt aber danach, wie die Haltungsbedingungen im Detail ausgesehen haben. Das bedeutet: Nur wenige Verbraucher interessieren sich für das Thema Tierwohl, und das auch nur sehr oberflächlich. Das Gewissen des Verbrauchers ist sehr schnell beruhigt.


Umsatzanteile


Rechnet sich der Verkauf von Label- bzw. Tierwohl-Fleisch für den Händler?


Antwort: Für die allermeisten Händler rechnet sich der Verkauf von Tierwohlfleisch nicht. In vielen Läden macht Tierwohlfleisch nur 10% vom Umsatz an der Fleisch- und Wursttheke aus. Der Händler bekommt die höheren Kosten für die getrennte Logistik, den höheren Einkaufspreis usw. nicht wieder.


Viele Lebensmittelhändler wollen auf das Angebot von Tierwohl-Fleisch trotzdem nicht verzichten, weil sie dadurch ihr Image aufpolieren. Aus dem gleichen Grund bieten die Händler vegetarische oder vegane Fleischersatzprodukte an. Auch diese Produkte sind momentan „in“, aber auch nur in begrenztem Umfang.


Ein weiteres Problem ist der gnadenlose Konkurrenzkampf der Händler untereinander. Sobald Händler A hochpreisiges Tierwohl-Fleisch in der Werbung anbietet, lockt Händler B die Kunden mit Sonderangeboten in seinen Laden. Am Ende verliert der Händler, der zu stark auf Tierwohl-Fleisch setzt, seine Kunden an die Konkurrenz. Ein kompletter Umstieg ist daher nicht möglich, solange günstigere konventionelle Ware im Handel angeboten wird.


Regionalität


Die Menschen machen sich zusehends Sorgen um das Weltklima, sie wollen keine Ware mehr, die hunderte von Kilometern transportiert wurde. Bietet das Thema regionale Produktion neue Chancen für die Bauern?


Antwort: Einzelne Beispiele bei Fleisch, Gemüse oder Obst zeigen, dass Landwirte und Händler mit Regionalität punkten können. Die Lebensmittelhändler sehen für die regionale Herstellung und Vermarktung von Fleisch- und Wurstwaren aber auch in Zukunft nur begrenzte Absatzchancen. Das Problem bei der regionalen Vermarktung von Fleisch ist, dass der Landwirt für die Nicht-Edelteile einen anderen Vermarktungsweg finden muss. Der Händler wird sich nicht darum kümmern.


Für viele Einzelhändler bieten regional erzeugte Produkte vor allem die Möglichkeit, sich vom Discount abzuheben und mit der Karte Nachhaltigkeit zu punkten. Der Händler kann sich so als verantwortungsvoller, regional tätiger Geschäftsmann gegenüber seinen Kunden profilieren.


Direktbeziehung


Direktbeziehungen zwischen Bauern und Lebensmittelhändlern gibt es nur noch selten, gerade beim Fleisch. Warum ist das so?


Antwort: Beim Fleisch sind direkte Lieferbeziehungen nur möglich, wenn der Landwirt vorher weiß, wer ihm die Nicht-Edelteile des Schlachtkörpers abnimmt. Der Händler hat keine Möglichkeit, Eisbein, Rippen, Pfoten usw. in größerem Umfang zu verkaufen.


Vorteile hat in diesem Zusammenhang das Edeka-Konzept. Der Handelskonzern betreibt eigene Fleischwerke und kauft ganze Schweinehälften zu. Die verschiedenen Teile des Schweins kann das Unternehmen in unterschiedliche Absatzkanäle schieben. Aber auch hier müsste der Landwirt zuerst mit dem örtlichen Edeka-Händler sprechen, wie der Vermarktungsweg aussehen kann. Der Landwirt muss außerdem bei seinem Schlachthof nachfragen, ob er zum Beispiel Edeka bzw. das Fleischwerk beliefert.


Die Direktbeziehung wäre sehr viel einfacher möglich, wenn es noch kleinere Schlachthöfe gäbe, die wöchentlich zehn oder 20 Schweine schlachten und verarbeiten. Diese Kleinstbetriebe könnten den örtlichen Lebensmittelhändler direkt mit frischer, regional erzeugter Ware beliefern.


Wertigkeit


Schweinefleisch hat den Ruf der preiswerten Massenware, die sich jeder leisten kann. Wie kann man die Wertigkeit wieder erhöhen?


Antwort: Das ist sehr schwierig und ein sehr langer und teurer Prozess. Denn in Deutschland wird Schweinefleisch fast zu 100% über den Preis gekauft. Der Handel hat dieses Negativimage durch die wöchentlichen Billigangebote und Rabattaktionen über Jahrzehnte gefördert. Die Masse der Verbraucher schaut montags auf die Werbezettel, was diese Woche im Angebot ist, und erstellt auf dieser Grundlage den Speiseplan. Vor diesem Hintergrund ist klar: Tierwohlfleisch wird sich am Markt nur durchsetzen, wenn der Kunde die Wertigkeit des Schweinefleisches wieder erkennt. Der Käufer im Laden muss zuerst verstehen und akzeptieren, dass man Schweine-Nacken nicht für 2,99 € pro kg produzieren kann.


Einen weiteren wichtigen Ansatzpunkt, um das Image von Schweinefleisch wieder zu verbessern, sehen die Händler und Bauern bei den Kindern. Bereits im Kindergarten und in den Schulen muss dem Nachwuchs vermittelt werden, dass alle Lebensmittel eine Wertigkeit haben.


Story


Was müssen die Bauern aus Sicht der Lebensmittelhändler tun, damit sich Tierwohlfleisch am Markt in Zukunft durchsetzt?


Antwort: Wer eine Geschichte zu seinem Produkt erzählen kann, verkauft erfolgreicher, betonen die Händler. Und wenn die Geschichte gut ist, wollen sie alle hören. Dann wird sie sich über die modernen Kommunikationskanäle ganz von allein verbreiten. Aus Sicht der Lebensmittelhändler macht die Erzeugergemeinschaft Schwäbisch-Hall das sehr gut. Das Geheimnis aus Sicht der Händler ist, dass es Gründer Rudolf Bühler versteht, die Einzigartigkeit der Produktion immer wieder herauszustellen.


Als positives Beispiel aus dem Agrarbereich nennen die Händler noch die Marke „Kikok – Das ganz besondere Maishähnchen“. Kikok-Ware hebt sich schon durch die goldgelbe Farbe von der anderen Ware ab.


Ein gutes Beispiel ist auch Apple. Der Konzern hat es geschafft, dass Millionen Kunden ein iPhone mit Touchbildschirm kaufen. Dabei gibt es genauso gute und günstigere Alternativen. Beim Whisky von Jack Daniels ist das ähnlich. In beiden Fällen werden Geschichten zum jeweiligen Produkt erzählt.


Fleischalternativen


Der Verbrauch von Schweinefleisch sinkt. Ist der Verkauf von weniger, aber teurerem Tierwohlfleisch die Zukunft?


Antwort: Die Ernährungsgewohnheiten ändern sich. Die Diskussionen um den Klimawandel werden dazu führen, dass insgesamt weniger Fleisch gegessen wird. Die Fleischproduktion gilt als „Klimakiller“. Ob der Umsatzrückgang durch höherpreisiges Tierwohlfleisch ausgeglichen wird, hängt vom künftigen Image des Tierwohlfleisches ab. Einen großen Einfluss wird auch die weitere Entwicklung bei den pflanzlichen Fleischersatzprodukten haben. Viele Lebensmittelhändler sehen die Veggie-Welle aber bereits wieder auf dem Rückzug.


Fleischqualität


Magere Schweine sind gefragt. Wie stehen die Chancen für Fleisch, das sich geschmacklich hervorhebt?


Antwort: Wenn der Sektor die Vorzüge des fettreicheren Fleisches richtig kommuniziert, wird das Thema „Fleischqualität“ in Zukunft mehr Gewicht bekommen. Der Impuls muss aber aus der Landwirtschaft kommen. Der Handel braucht entsprechende Konzepte. Gerade die jüngere Zielgruppe sollte beim Thema Fleischqualität ins Visier genommen werden. Bei der Jugend verschieben sich die Standards.


marcus.arden@topagrar.com


Verbraucher und NGOs lassen nicht locker. Sie verlangen von den deutschen Landwirten noch mehr Tempo bei der Umsetzung zusätzlicher Tierwohlauflagen im Schweinestall. Ganz oben auf der Wunschliste des Verbrauchers stehen unter anderem mehr Platz pro Tier, Außenauslauf und Einsatz von organischem Beschäftigungsmaterial. Doch sind das ernst gemeinte Forderungen oder nur Lippenbekenntnisse? Interessiert den Kunden an der Ladentheke wirklich, wie das Schwein aufgewachsen ist? Und wie viele Kunden kaufen an der Fleischtheke, wo sie die Preise für konventionell erzeugtes Fleisch und Labelware direkt miteinander vergleichen können, tatsächlich die teurere Tierwohlware?


top agrar und die Zeitschrift Lebensmittelpraxis sind der Sache auf den Grund gegangen und haben mit Supermarktbetreibern und Landwirten über das Thema Tierwohl diskutiert. Die Diskussion fand im Rahmen des Arbeitskreises „Bauern treffen Händler – Händler treffen Bauern“ statt, der sich regelmäßig zu Themen austauscht, die sowohl Bauern als auch Lebensmitteleinzelhändler betreffen. Das Ziel des Arbeitskreises ist, mehr Verständnis auf beiden Seiten zu wecken.


top agrar und die Zeitschrift Lebensmittelpraxis sind der Sache auf den Grund gegangen und haben mit Supermarktbetreibern und Landwirten über das Thema Tierwohl diskutiert. Die Diskussion fand im Rahmen des Arbeitskreises „Bauern treffen Händler – Händler treffen Bauern“ statt, der sich regelmäßig zu Themen austauscht, die sowohl Bauern als auch Lebensmitteleinzelhändler betreffen. Das Ziel des Arbeitskreises ist, mehr Verständnis auf beiden Seiten zu wecken.


Die wichtigsten Punkte der Tierwohl-Diskussion haben wir im folgenden Beitrag zusammengefasst.

top agrar besser machen. Gemeinsam
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