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Wird Improvac doch noch salonfähig?

Lesezeit: 5 Minuten

Die Impfung gegen Ebergeruch konnte in Deutschland bisher nicht Fuß fassen.


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Die Impfung gegen Ebergeruch mit Improvac von der Firma Zoetis ist seit Mai 2009 in Deutschland zugelassen. Sie wird in der Praxis aber bisher kaum angewendet – im Gegensatz zu Schweden, Norwegen, Belgien, Australien und Brasilien, wo die Impfung schon heute große Bedeutung hat.


Wie bei Impfungen gegen Infektionskrankheiten reagiert der Organismus auch bei der Eberimpfung mit der Bildung von Antikörpern gegen die im Impfstoff enthaltenen körperfremden Stoffe. Diese Antikörper fangen dann einen Botenstoff (Gonadotropin-Releasing-Factor, GnRF) ab, der maßgeblich für die Steuerung der Hodenfunktion verantwortlich ist.


Hormonbildung unterdrückt:

Durch die Impfung werden in den Hoden keine Geschlechtshormone mehr gebildet, sie bleiben in ihrer Entwicklung und Größe zurück. Zudem wird die Freisetzung des Pheromons Androstenon verhindert, das neben Skatol maßgeblich für den unerwünschten Ebergeruch verantwortlich ist.


Die Wirkung stellt sich jedoch erst nach der zweiten Impfung ein. Die erste Impfung der männlichen Ferkel kann ab der achten Lebenswoche erfolgen. In der Regel geschieht dies beim Einstallen in die Mast. Die zweite Impfung erfolgt dann vier bis sechs Wochen vor dem erwarteten Schlachttermin. Da die Wirkung etwa zehn Wochen nach der zweiten Impfung nachlässt, darf die zweite Behandlung aber nicht zu früh erfolgen.


Handel gibt sich reserviert.

„Die Immunokastration ist das einzige Verfahren, das die Hodenfunktion ausschaltet, ohne den Tieren Schmerzen zuzufügen – von dem Impfeinstich einmal abgesehen“, lobt Prof. Ulrike Weiler die Vorteile der Impfung. Deshalb ist das Verfahren inzwischen auch von Tierschützern akzeptiert und wird mittlerweile auch von Biobetrieben wie den Herrmannsdorfer Landwerkstätten in Glonn bei München eingesetzt. Ein weiterer Vorteil: Bis zur zweiten Impfung wachsen die Tiere wie intakte Eber auf – inklusive der besseren Futterverwertung (FVW). Nach der Impfung verschlechtert sich die FVW zwar, dafür lagern die Impflinge aber mehr intramuskuläres Fett ein, was der Fleischqualität zugute kommt.


Dennoch wird die Immunokastration in Deutschland mit Ausnahme von REWE sowohl vom Lebensmitteleinzelhandel als auch von den großen Schlacht- und Zerlegebetrieben bisher abgelehnt. Zu groß ist die Furcht, dass Schlagzeilen von hormonbehandeltem Fleisch in der Presse auftauchen und dem Verbraucher nachhaltig den Appetit verderben könnten.


„Unsere Kunden sagen uns immer wieder, dass sie kein Fleisch von Schweinen wollen, die mit Improvac geimpft wurden. Deshalb werden die Tiere derzeit bei uns auch nicht geschlachtet“, argumentiert Westfleisch-Einkaufsleiter Heribert Qualbrink.


Und wie rechnet sich das Verfahren? Die Landwirtschaftskammer NRW hat 2013 Untersuchungen zur Wirtschaftlichkeit des Improvac-Einsatzes durchgeführt. Dazu wurden die Wachstums- und Schlachtleistungen von Improvac-behandelten Tieren mit denen intakter Eber verglichen.


Ergebnis: Während der gesamten Aufzucht erreichten die Impftiere eine tendenziell bessere Zuwachsleistung, ihr Schlachtkörper wurde jedoch schlechter bewertet. Unter dem Strich konnte der höhere Zuwachs der Impftiere die schlechtere Schlachtkörperbewertung nicht ausgleichen. Dadurch erlösten die Improvac-Tiere je nach Fütterungsregime einen um 7 bis 15€ geringeren Überschuss über die Futterkosten als die intakten Jungeber – inklusive der Impfkosten. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt eine im Jahr 2014 von der LLFG Iden in Sachsen-Anhalt durchgeführte Studie. Auch hier ergab sich inklusive der Impfkosten ein finanzieller Unterschied von rund 8€ zugunsten der intakten Eber.


Impfstoffhersteller Zoetis gibt jedoch zu bedenken, dass die nachgelagerten Prozesskosten bei den geimpften Tieren geringer seien. Weil weniger geruchs-auffällige Tiere auftreten, müssten auch weniger Schweine einer intensiven Geruchsprobe unterzogen und weniger geruchsbelastete Schweine in der Kette verarbeitet werden.


Fleischqualität wie bei Börgen?

Auch die Fleischqualität der geimpften Tiere sei besser als die von Jungebern. Dabei beruft sich der Impfstoffhersteller auf eine selbst in Auftrag gegebene und im Jahr 2014 von der Hochschule Ostwestfalen-Lippe durchgeführte Studie. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass die Qualität der Erzeugnisse, die aus Fleisch geimpfter Eber hergestellt wurden, derjenigen entspricht, die aus Fleisch von weiblichen Mastschweinen und Börgen produziert wurden.


Hinter vorgehaltener Hand hört man aus dem In- und Ausland aber auch von anderen Ergebnissen. Auch bei der Improvac-Impfung sollen am Schlachtband 2 bis 3% geruchsauffällige Tiere auftreten. Und es wird berichtet, dass die Fettqualität eben doch nicht so gut sei wie die der Börge.


Viele Mäster stehen der Impfung gegen Ebergeruch ohnehin skeptisch gegenüber, weil die zweite Impfung der schweren Tiere vier bis sechs Wochen vor der Schlachtung beschwerlich und nicht ungefährlich ist.


Außerdem besteht die Gefahr, dass die Tiere nicht die volle Impfdosis erhalten, vergessen werden oder nicht geimpft werden dürfen, weil sie zum Impftermin krank sind. „Deshalb ist auch bei der Improvac-Impfung eine sichere Geruchsdetektion am Schlachtband erforderlich“, gibt Isabella Timm-Guri vom BBV zu bedenken.


Wie sich der LEH in den nächsten Monaten gegenüber der Imunokastration positioniert, bleibt abzuwarten. Nachdem überregionale Tageszeitungen wie die Frankfurter Rundschau und die Berliner Zeitung sehr wohlwollend über die Impfung berichtet haben, akzeptiert jetzt auch der Rewe-Konzern die Impfung als Alternative zur chirurgischen Kastration. Könnte sein, dass andere Unternehmen nachziehen und das Verfahren in Deutschland doch noch „salonfähig“ wird.


Zu einer besseren Akzeptanz könnte auch die Tatsache beitragen, dass im Jahr 2018 das Hauptpatent für den Improvac-Impfstoff fällt. Dann ist Zoetis nicht mehr alleiniger Anbieter des Präparates. Einige Wettbewerber sollen bereits an ähnlichen Lösungen arbeiten. Die Kosten für die Eberimpfung, die jetzt noch bei rund 4 bis 5€ pro männlichem Ferkel liegen, könnten dann deutlich fallen.

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