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Zu Gast bei den Fermentprofis

Lesezeit: 7 Minuten

Familie Breul setzt auf fermentiertes Futter. Power- Praktikant Robert Lorenz hat von den Experten erfahren, warum man den Fermenter immer von unten befüllt.


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Die Futterkosten sind der größte Kostenblock in der Schweinemast. Sie schwanken seit Jahren konstant um 50% bezogen auf die Direktkosten. Das ist auch bei uns zuhause in Bayern so. Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten diskutieren mein Vater und ich deshalb immer wieder darüber, wie wir diesen großen Kostenblock verkleinern können.


In den letzten Jahren haben wir das relativ teure Sojaschrot z.T. durch zugekauften Raps ersetzt. Die Futterkosten sind dadurch zwar je nach Rohstoffpreis um 2 bis 4 € pro Tier gesunken, unsere 1850 Mastschweine fraßen das Futter aber deutlich schlechter. Und bei mehr als 14% Rapsanteil in der Mischung war sofort Feierabend, die Futteraufnahme brach ein und die Leistungen sanken.


Futter fermentieren?

Weil wir dennoch am Rapseinsatz festhalten wollen, beschäftigen wir uns seit Monaten intensiv mit dem Thema Futterfermentation. Mein Vater und ich glauben, dass wir den Anteil der Bitterstoffe im Raps durch die Fermentation deutlich verringern können und die Futteraufnahme selbst bei hohen Mischungsanteilen nicht leidet.


Weiterer Pluspunkt: Das Futter wird durch die Fermentation hygienisch stabiler. Die Nährstoffverfügbarkeit steigt ebenfalls, die Inhaltsstoffe werden ja quasi vorverdaut. Einzig die hohen Investitionskosten haben uns bislang von der Investition abgehalten. Wir haben überschlagen, dass wir mehrere zehntausend Euro investieren müssten.


Umso glücklicher war ich, dass ich als Power-Praktikant von top agrar eine Woche bei den Fermentationsprofis Paul (65) und Dirk Breul (34) verbringen durfte. Seniorchef Paul Breul vorsorgt die Schweine, Junior Dirk arbeitet bei einem großen deutschen Futtermittelunternehmen. Seit drei Jahren ist die Fermentation sein Spezialgebiet. „Weil wir das Futter im eigenen Betrieb fermentieren, sammle ich sehr viele Praxiserfahrungen, die ich im Job super nutzen kann“, erklärt Dirk mir.


Doppelfermenter:

Der Agraringenieur und sein Vater fermentieren das Mastfutter in zwei ausrangierten Weintanks, die sie im Internet gekauft haben. Jeder Fermenter fasst 6000 Liter. Beide Tanks sind mit der Flüssigfütterung des Betriebes gekoppelt.


Der Fermentationsprozess läuft immer nach dem gleichen Muster ab: Zuerst wird der zuletzt entleerte Fermenter mit gut 150 Liter heißem Wasser gespült. Mehrere Düsen oben im Fermenter erledigen diese Aufgabe. Danach füllt die Anlage die zuvor berechnete Menge an Rapsschrot und Weizen in den Anmischbehälter der Flüssigfütterung. „Den Weizen brauchen die Milchsäurebakterien zum Arbeiten. Sie nutzen die Kohlenhydrate als Energiequelle“, erklärt mir Seniorchef Paul.


Ein Medikamentendosierer gibt die Milchsäurebakterien zu, etwa 500g pro Tonne Ferment reichen. Die Bakterien sorgen durch ihre Arbeit für die Milchsäuregärung und das Absinken des pH-Wertes in den sauren Bereich. So bleibt das Futter hygienisch stabiler.


Jetzt pumpt die Anlage die Mischung in den Fermenter um. Dort bleibt sie für 24 Stunden stehen. Durch die Zugabe von heißem Wasser wird die Temperatur auf ca. 36°C eingestellt.


Saure Suppe:

Erst einen Tag später wird die Mischung verfüttert. Dafür pumpt die Anlage das Ferment in den Anmischbehälter zurück. Die Flüssigfütterung dosiert vor dem Ausdosieren noch den restlichen Weizen, das CCM und das Mineralfutter ein.


Dass die Fermentation geglückt ist, erfahre ich am eigenen Leib. Paul und ich ziehen eine Futterprobe aus dem Fermenter. Mit der Zunge teste ich die Futtersuppe. Diese schmeckt richtig sauer, der niedrige pH-Wert zeigt Wirkung. Mir fallen auch die vielen schwarzen Punkte auf. „Das ist der Raps“, betont Dirk. „Der Mischungsanteil liegt derzeit bei 23%.“ Das fressen die Mastschweine niemals, behaupte ich.


Doch ich werde sofort eines Besseren belehrt, als wir in den Stall gehen. Als das Fermentfutter in die Tröge fließt, stürzen sich die Mastschweine regelrecht darauf. Ich sehe kein Schwein, dass sein Futter liegen lässt. „Durch die Fermentation sind die Bitterstoffe im Raps eliminiert worden“, betont Dirk.


Absetzig fermentieren:

Während wir nach und nach durch alle Mastabteile laufen und die Fütterung der Schweine überwachen, bekomme ich von Paul und Dirk Breul weitere Tipps: Achte darauf, dass die Fermentmischung immer von unten in den Fermenter gepumpt wird. Es darf nicht zu viel Sauerstoff in den Futterbrei gelangen, sonst haben die Milchsäurebakterien Schwierigkeiten, lerne ich von den beiden. Auf jeden Fall soll ich langsam laufende Rührwerke mit maximal 70 Umdrehungen pro Minute einbauen. Das senkt den Sauerstoffeintrag zusätzlich.


Dirk rät mir außerdem zur gelenkten Fermentation (Batch-Verfahren). Bei dieser wird jede Fermentmischung komplett neu angesetzt und jeder Prozess startet mit frischen Milchsäurebakterien. Das erhöht die Sicherheit erheblich, lautet Dirks Empfehlung. Bei der ungelenkten Fermentierung geht deutlich mehr schief, weil die neue Futtersuppe immer mit der alten „angeimpft“ wird. „Dabei treten viel häufiger Fehlgärungen auf“, warnt Paul Breul mich.


Viel Heißwasser nötig:

Problematisch sehe ich den riesigen Bedarf an heißem Wasser. Das braucht man für die Temperatureinstellung im Fermenter. Bei einem Besuch eines Mästers im niedersächsischen Cloppenburg erfahre ich, dass der Landwirt jeden Tag rund 10000 Liter 35°C warmes Wasser für die Versorgung der 4000 Mastschweine mit Fermentfutter braucht. Das ist gewaltig, finde ich. Umgerechnet auf unsere knapp 2000 Schweine hieße das, dass ich täglich 5000 Liter Heißwasser aufbereiten muss. Kalkulieren muss ich mit etwa 4 Cent je kWh, wenn ich das Wasser mit Öl oder Gas aufheize. Kann ich die Abwärme aus einer Biogasanlage nutzen, liegen die Kosten bei 2,5 Cent je kWh, erklärt mir der Landwirt.


Keine Lösung ist es, mit niedrigeren Wassertemperaturen zu arbeiten. Bei Kälte streiken die Milchsäurebakterien und der pH-Wert sinkt viel zu langsam, so Dirks Erfahrung. Das Ziel ist, den pH-Wert in zehn Stunden auf unter pH 4 zu bringen. Nur dann ist der Futterbrei stabil. Dass die Absenkung funktioniert, sehe ich, als wir später im Stallbüro einen Blick auf den Computerbildschirm werfen. In zehn Stunden ist der pH-Wert von 5,6 auf 3,9 gefallen. Punktlandung, denke ich.


Genau kalkulieren:

Mehr erfahren möchte ich von Paul und Dirk Breul natürlich noch zur Wirtschaftlichkeit der Fermentation. Schließlich bringt die beste Fermentation nichts, wenn sich das Verfahren nicht rechnet.


Bei einem gemeinsamen Kaffee fangen wir an zu rechnen. Die Milchsäurebakterien kosten 0,75 € pro Mastschwein, die Warmwasseraufbereitung schlägt mit 0,40 € pro Tier zu Buche. Macht unter dem Strich 1,15 €. Investiert hat Familie Breul gut 15000 € für die Fermenter, die Rührwerke, die Pumpen, die Steuerungssoftware, den Medikamentendosierer usw. Die Abschreibungszeit beträgt zehn Jahre. Inklusive Reparaturen und Versicherung liegen die jährlichen Festkosten also bei unter 2000 €. Bei jährlich gut 2800 gemästeten Schweinen sind das 0,70 € pro Tier. Alles in allem belaufen sich die Fermentationskosten im Betrieb Breul damit auf 1,85 € pro Mastschwein.


Und wie sieht es auf der Habenseite aus? Paul sagt mir, dass die Futterverwertung seit Beginn der Fermentation um 0,2 Punkte besser geworden sei. Das bringt bei aktuellen Futterkosten einen finanziellen Vorteil von 3,50 €. Der Einsatz von Roggen und Raps in der Mischung senkt die Futterkosten um 1 €. Auf den Einsatz von Futtersäuren verzichten Breuls mittlerweile ganz, das bringt nochmal 1,50 € pro Schwein.


Unter dem Strich steht also ein Mehr-erlös von rund 4 € pro Mastschwein. Damit würde sich die Investition in die Fermentation für Familie Breul nach gut einem Jahr ausgezahlt haben, überschlage ich schnell im Kopf.


Mein Fazit: Der Einsatz heimischer Eiweißträger wie z.B. Rapsschrot wird durch die Fermentation wieder interessanter. Allerdings muss man vorher genau kalkulieren, ob sich die Investition im eigenen Betrieb lohnt.-ar-

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