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topplus Umstrittener Plan

4 € Preisaufschlag für kastrierte Ferkel?

Für Ferkel, die nach deutschem Recht betäubt und kastriert wurden, will die VEZG ab Januar 2021 einen Zuschlag von 4 € einführen. Unter Ferkelerzeugern und Mästern ist der Plan umstritten.

Lesezeit: 9 Minuten

In sieben Monaten läuft die Übergangsfrist für die betäubungslose Ferkelkastration endgültig aus. Daher brauchen die Sauenhalter endlich Klarheit darüber, welche der vom Gesetzgeber zugelassenen Alternativen von den Ferkelabnehmern akzeptiert und wie die Läufer künftig bezahlt werden. Das ist wichtig, damit Sauenhalter, die auch nach dem 31. Dezember Kastrate anbieten wollen, noch rechtzeitig in ein Narkosegerät investieren können.

Ebenso wichtig ist für die Ferkelerzeuger, dass sie Gewissheit bekommen, wie betäubt kastrierte Ferkel künftig bezahlt werden. Denn schließlich steigen die Kosten durch die zusätzliche Betäubung an. Die Vereinigung der Erzeugergemeinschaften für Vieh und Fleisch (VEZG) sowie die Fachbeiräte der Landwirtschaftskammern Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen haben daher eine Anpassung der Ferkelnotierung beschlossen, die ab dem 1. Januar 2021 gelten soll.

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Ist es das richtige Signal?

Die VEZG-Ferkelnotierung bezieht sich künftig auf 200er Gruppen unkastrierter Eber- und Sauferkel, die in Deutschland geboren und aufgezogen wurden. Nach geltendem Recht kastrierte Ferkel deutscher Herkunft, die in Partien mit einem ausgeglichenen biologischen Geschlechtsverhältnis gehandelt werden, erhalten zusätzlich einen Bonus von 2 € je Wurfferkel bzw. 4 € je Kastrat.

Keine Frage: Das ist ein starkes Signal an die Branche. Aber ist es auch das richtige Signal? Und kommt es zudem zur richtigen Zeit? top agrar hat sich bei Ferkelerzeugern, Mästern und Branchenvertretern umgehört.

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VEZG: Wichtiges Signal für die Ferkelerzeuger

Dr. Albert Hortmann-Scholten, VEZG/LWK Niedersachsen

Vieles deutet darauf hin, dass sich der deutsche Ferkelmarkt ab Januar 2021 teilen wird. Denn auch nach Ablauf der Übergangsfrist für die betäubungslose Ferkelkastration wird es eine rege Nachfrage nach rechtskonform kastrierten Ferkeln geben. Dafür gibt es mehrere Gründe:

  • Der Markt für Jungeberfleisch ist begrenzt, wie die Mehrheit der Schlachthöfe signalisiert. 2019 wurden bundesweit nur 4 Mio. Eber geschlachtet. Das entspricht einem Anteil von 15% aller männlichen Mastschweine. Bereits jetzt gibt es aufgrund der begrenzten Absatzmöglichkeiten und der abweichenden Schlachtkörperqualität deutliche Preisabzüge für Eberfleisch. Und diese Abzüge werden sich vergrößern, wenn noch mehr Jungeber auf den Markt drängen. Für unkastrierte Ferkel wird es daher ab Januar 2021 vermutlich deutliche Preisabzüge geben.



  • Die Improvac-Impfung wird von Tierschützern zwar als ideale Alternative zur chirurgischen Kastration gesehen. Bundesweit lehnen jedoch viele Schlachtunternehmen die Abnahme von Improvacebern ab. Andere akzeptieren sie zwar, ziehen pro Kilogramm Schlachtgewicht (SG) jedoch 3 Cent ab.

Das wird vermutlich dazu führen, dass es ab Januar 2021 einen geteilten Ferkelmarkt mit unterschiedlichen Ferkelpreisen geben wird. Die Fachgremien der Vereinigung der Erzeugergemeinschaften (VEZG) haben deshalb angekündigt, dass nach deutschem Recht ordnungsgemäß kastrierte männliche Ferkel ab Januar 2021 einen Preisaufschlag von 4 € bekommen sollen. Das entspricht einem Plus von 2 € je Ferkel in der Vermarktungspartie. Auf diese Werte hat man sich auf Basis aktueller Preise und Kosten geeinigt.

Der Preisaufschlag soll jedoch nur für Ferkel deutscher Herkunft gelten. So wird verhindert, dass noch mehr dänische Ferkel auf den deutschen Markt drängen, die in ihrer Heimat unter lokaler Betäubung kastriert wurden. Denn die ist kostengünstiger als die in Deutschland zugelassenen Verfahren.

Die VEZG wollte die kommende Preisdifferenzierung früh ankündigen, damit sich Ferkelerzeuger auf die Änderungen in der Vermarktung einstellen können. Die Hohenloher Notierung und die Ringgemeinschaft Bayern haben sich angeschlossen.

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ISN: „Wir müssen alle Alternativen offen halten“

Heinrich Dierkes, ISN-Vorsitzender, Damme

Über den Zeitpunkt der Einführung und die Höhe eines Zuschlages zur Ferkelnotierung kann man trefflich streiten. Fakt ist: Die Ferkelerzeuger brauchen zügig Klarheit, wohin die Reise beim Thema Ferkelkastration gehen soll. Denn sie müssen sich frühzeitig darauf einstellen können.

Fakt ist auch, dass die Alternativen zur chirurgischen Ferkelkastration – ganz abgesehen von ihren Vor- und Nachteilen – unterschiedliche Kosten verursachen. Und die dürfen nicht einseitig beim Ferkelerzeuger hängen bleiben! Deshalb war eine Preisdifferenzierung zu erwarten. Ein einheitlicher Zuschlag für alle Verfahren kann jedoch nicht allen Kastrationsalternativen gerecht werden.

Der von der VEZG beschlossene Bonus für kastrierte Ferkel darf nicht dazu führen, dass nun die Schlachtunternehmen und der Lebensmitteleinzelhandel die Hände in den Schoß legen und allein auf die Kastration unter Betäubung setzen. Auch die Alternativen, die auf die chirurgische Kastration komplett verzichten, müssen weiterhin wettbewerbsfähig bleiben.

Das Problem ist, dass sich Zuschläge für ein Verfahren häufig sehr schnell in einen Abzug für die anderen Alternativen entwickelt, sobald ein bestimmter Marktanteil erreicht ist. Die Grundnotierung passt sich an. Deshalb ist ein hoher Zuschlag nicht zwangsläufig gut für die Ferkelerzeuger. Je genauer der Zuschlag den Markt abbildet, desto eher hat er auch Bestand – ohne ausufernde Schattenpreise.

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Mäster: Der Markt wird es selbst regeln

Jürgen Dierauff, Schweinemäster aus Franken

Die Preisdifferenzierung der VEZG sehe ich als Signal an uns Schweinehalter, sich frühzeitig mit den Kastrationsalternativen auseinanderzusetzen – nicht mehr und nicht weniger. Ganz entscheidend ist für mich, dass wir alle uns zur Verfügung stehenden Alternativen auch weiterhin offenhalten und uns darüber hinaus den Weg zu weiteren Alternativen auf keinen Fall verbauen dürfen.

Der empfohlene Zuschlag von 2 € für Ferkel in gemischtgeschlechtlichen Partien ist aus meiner Sicht zu hoch. Denn das sind umgerechnet rund 4 € je kas-triertem, männlichen Ferkel. Nach meinem Kenntnisstand sind die Kosten für die Kastration unter Betäubung deutlich geringer. Und wenn die tatsächlichen Kosten und der Zuschlag zu weit auseinanderliegen, wird sich dieser Aufpreis auf Dauer nicht halten lassen.

Ein einheitlicher Zuschlag für alle betäubt kastrierten Ferkel macht ohnehin wenig Sinn. Ich bin der Meinung, dass es der Markt auf Dauer selbst regeln wird, welche Zuschläge gezahlt werden – je nachdem, welche Alternative zur betäubungslosen Kastration dabei zum Einsatz kommt.

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Sauenhalter: 4 € sind die untere Schmerzgrenze

Matthias Finkenbrink, Ferkelerzeuger aus dem Münsterland

Die VEZG hat ein wichtiges und richtiges Zeichen für uns Ferkelerzeuger gesetzt. Zum Jahreswechsel müssen wir bei der Kastration mit neuen Bedingungen arbeiten. Diese erfordern Investitionen in die Technik und sind zeitaufwendig. Für uns Ferkelerzeuger entsteht ein deutlicher Mehraufwand, der sich dann auch im Marktpreis widerspiegeln muss.

Nach Untersuchungen des Thünen-Institutes beansprucht die Kastration mit Isoflurannarkose bei guter Organisation mindestens doppelt soviel Zeit wie das betäubungslose Kastrieren. Zudem ist ungewiss, welche Langzeitfolgen die Arbeit mit dem Narkosegas für Anwender und Tiere haben kann. Insgesamt liegt die Spanne der Kosten je nach Methode zwischen 5 und 10 € je kastriertem Ferkel. Daher sind die von der VEZG vorgeschlagenen 4 € je Borg die untere Grenze.

Die beste Lösung ist für uns Ferkelerzeuger nach wie vor die Ebermast. Ich persönlich habe damit gute Erfahrungen gemacht. Leider ist der Markt für Eber begrenzt. Hier gilt es, in Zukunft alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Nachteile dieses Verfahrens zu minimieren – insbesondere auf züchterischer Seite.

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Ferkelerzeuger: Boni werden besser direkt ausgehandelt

Nadine Henke, Tierärztin und Sauenhalterin aus Bruchhausen-Vilsen

In meinen Augen ist der geplante Zuschlag für Ferkel aus betäubt kastrierten Würfen in Höhe von 2 € ein Sündenfall. Man kann das mit Markttransparenz begründen, ich halte es eher für vorauseilenden Gehorsam der VEZG. So wird den ausländischen Ferkelanbietern verdeutlicht, welchen Aufpreis ihre nicht nach deutschen Vorgaben kastrierten Eber bei uns erlösen können. Ich bezweifle, dass den deutschen Sauenhaltern damit geholfen ist.

Besser wäre es, die Kosten der einzelnen Kastrationsalternativen und die Erlösmöglichkeiten sauber zu kalkulieren und den Landwirten zur Orientierung zu geben. Wenn ein Mäster chirurgisch kastrierte Ferkel haben möchte, soll er seinem Ferkelerzeuger das Kastrieren auch bezahlen. Das kann und darf nicht über die Notierung geregelt werden. Boni müssen direkt und individuell zwischen Ferkelerzeugern und Mästern ausgehandelt werden, sowohl bei Impfungen als auch bei der Kastration.

Nach deutschem Tierschutzgesetz sind Amputationen verboten. Der Tierschutz ist im Grundgesetz verankert. Mittel- bis langfristig müssen wir daher komplett aus der chirurgischen Ferkelkastration aussteigen, denn es gibt mittlerweile bessere Wege. Der jetzige Vorschlag der VEZG ist in meinen Augen definitiv ein falsches Zeichen. Auf diese Weise wird der Ausstieg aus der chirurgischen Kastration seitens der Vermarkter blockiert, und das darf nicht sein!

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Ferkelimporteur: Feste Zuschläge drücken den Ferkelpreis

Markus Fiebelkorn, Danske Svineproducenter

Der Vorschlag der VEZG, für Ferkel aus betäubt kastrierten Partien ein Preiszuschlag von 2 € zu zahlen, soll dazu dienen, die Mehrkosten der Isoflurannarkose abzudecken.

Aus unserer Sicht ist das zwar wünschenswert. Es ist aber zweifelhaft, ob der Markt das hergibt. Dänische Sauenhalter haben bisher auch keinen finanziellen Ausgleich dafür erhalten, dass sie seit 1,5 Jahren die Kastration unter lokaler Betäubung durchführen. Allerdings ist dieses Verfahren auch preiswerter und nimmt nicht so viel Zeit in Anspruch wie eine Vollnarkose.

Wir gehen daher davon aus, dass sich der Gesamtpreis für kastrierte Ferkel auch in Deutschland ab Januar 2021 nicht verändern wird. Ändern wird sich allerdings, wie sich der Ferkelpreis künftig zusammensetzt. Auf der Abrechnung des Ferkelerzeugers wird zwar stehen, dass er 2 € pro Ferkel zusätzlich fürs Kastrieren erhält. Der Markt wird die Notierung aber nach kurzer Zeit entsprechend nach unten anpassen. Diese Reaktion konnte man auch bei früheren Notierungsumstellungen beobachten.

Wir empfehlen daher unseren Mitgliedern, die Entwicklung der Ferkelpreise und Aufschläge in den nächsten Monaten genau zu beobachten. Sollten die Ferkelpreise in Deutschland nicht mehr wettbewerbsfähig sein, werden sicherlich mehr dänische Ferkel in andere europäische Länder vermarktet oder in Dänemark selbst gemästet.

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Mäster: Der Bonus ist eindeutig zu hoch

Heinrich Kruthaup, Schweinemäster aus Südoldenburg

Der Vorschlag, für Ferkel aus kastrierten Würfen einen Preisaufschlag zu gewähren, kommt aus meiner Sicht viel zu früh. Schließlich kommen die Mastferkel, die nur noch betäubt kastriert werden dürfen, erst im März nächsten Jahres auf den Markt.

Natürlich brauchen die Ferkelerzeuger einen entsprechenden zeitlichen Vorlauf, um bei Bedarf in ein Narkosegerät investieren zu können. Aber es steht doch jedem Ferkelerzeuger und Mäster frei, sich dazu rechtzeitig auszutauschen – soweit es hier feste Lieferbeziehungen gibt. Allerdings ist der von der VEZG angekündigte Bonus von 2 € je Partieferkel eindeutig zu hoch. Dazu hätte ich gern nähere Informationen, wie kalkuliert wurde.

Entscheidend ist: Solange wir Mäster mit Schlachtschweinen, die in Deutschland geboren wurden, keinen Mehrerlös erzielen, müssen sich die deutschen Ferkel mit den kastrierten Läufern aus Dänemark und Holland messen lassen. Bei 2 € höheren Ferkelpreisen hätten die deutschen Tiere dann das Nachsehen.

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