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Özdemirs Entwurf für Tierhaltungskennzeichnung erntet Kritik

Für den Entwurf zur staatlichen Tierhaltungskennzeichnung hagelt es Kritik. DBV-Generalsekretär Krüsken hält den Entwurf für unnötig bürokratisch. Enttäuscht zeigen sich auch Tierschutzorganisationen.

Lesezeit: 7 Minuten

Mit teilweise harscher Kritik ist der Referentenentwurf des Bundeslandwirtschaftsministeriums für ein Tierhaltungskennzeichnungsgesetz in der Landwirtschaft aufgenommen worden. Der Deutsche Bauernverband (DBV) sieht sich zwar in seiner Forderung bestätigt, ein verbindliches Haltungskennzeichen auf den Weg zu bringen.

Die Vorlage sei jedoch „zu kurz gesprungen, für die Landwirte unnötig bürokratisch und für die nachfolgenden Stufen mit großen Schlupflöchern und Kontrolldefiziten versehen“, beklagte DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken. Er bemängelte insbesondere, dass ein verbindlicher Fahrplan für die notwendigen Schritte fehle, um weitere Bereiche einzubeziehen und so zu einer umfänglichen Tierhaltungskennzeichnung zu kommen.

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Außer-Haus-Verpflegung außen vor

Der Entwurf des Bundeslandwirtschaftsministeriums orientiert sich an den Eckpunkten, die Ressortchef Cem Özdemir Anfang Juni vorgestellt hat. Danach sollen Lebensmittel tierischen Ursprungs künftig verpflichtend gekennzeichnet werden, wenn die Tiere in Deutschland gehalten wurden und die Lebensmittel in Deutschland an Endverbraucher verkauft werden. Die Kennzeichnung soll laut Entwurf zunächst für frisches Schweinefleisch vorgeschrieben werden, das über den Lebensmitteleinzelhandel, Fleischereifachgeschäfte und den Onlinehandel vermarktet wird.

Erst einmal außen vor bleibt damit die Außer-Haus-Verpflegung. Diese soll nach einer Aussage von Özdemir in einem späteren Schritt einbezogen werden, ebenso wie die Kennzeichnung für weitere Tierarten wie Rinder, Milchvieh und Geflügel. Importe sollen sich laut dem Referentenentwurf freiwillig dem deutschen Kennzeichnungssystem unterwerfen können; verpflichtend soll es für sie jedoch nicht werden.

Der Referentenentwurf ist inzwischen an die Länder und Verbände verschickt worden. Bis wann die Ressortabstimmung abgeschlossen sein soll, ist offen. Im Herbst soll der Gesetzentwurf in erster Lesung im Bundestag beraten werden. Ein Gesetzesbeschluss wird für die erste Jahreshälfte 2023 angestrebt.

Krüsken: „Immenses Glaubwürdigkeitsproblem“

DBV-Generalsekretär Krüsken monierte erneut, dass lediglich die Mast maßgeblich für die Haltungskennzeichnung sein solle. Daraus resultiere ein immenses Glaubwürdigkeitsproblem. Beispielsweise könne Fleisch von Tieren in einer hohen Haltungsstufe gekennzeichnet werden, die als Ferkel außerhalb von Deutschland betäubungslos kastriert und anschließend importiert worden seien. Krüsken zufolge ist der Entwurf für Tierhalter zudem mit einem erheblichen zusätzlichen bürokratischen Aufwand verbunden. So sei die Einführung eines zusätzlichen eigenen Registers für landwirtschaftliche Betriebe weder notwendig noch sachgerecht.

Zusätzliche Bürokratie

Unverständlich ist für den Generalsekretär auch, warum nicht auf das bestehende System der Nummern in der Viehverkehrsverordnung (VVVO) zurückgegriffen werde. Die geplanten Aufzeichnungspflichten belasteten die Betriebe mit zusätzlicher Bürokratie. Sie seien zudem überflüssig, weil die geforderten Daten ohnehin in der Datenbank zum Herkunftssicherungs- und Informationssystem für Tiere (HIT) vorlägen und für die Haltungskennzeichnung genutzt werden könnten.

Kein belastbares Kontrollkonzept

Demgegenüber gebe es kein belastbares Kontrollkonzept und keine Kontrollsystematik für die nachgelagerten Stufen und für ausländische Betriebe. Krüsken befürchtet, dass dort Manipulationen sehr einfach möglich sein werden. Regelrecht zum Schummeln lade die geplante Vermischungsregelung für Verarbeitungserzeugnisse ein. Konsistente und aufeinander abgestimmte Kontrollen zwischen den unterschiedlichen Ebenen seien so nicht zu erreichen.

Schlupflöcher für Verarbeiter

Für den DBV-Generalsekretär ist nicht nachvollziehbar, dass nicht auf bestehende Kontrollsysteme wie das der Initiative Tierwohl (ITW) zurückgegriffen werden soll. Schließlich bieten Krüsken zufolge die vorgesehenen Regelungen für eine freiwillige Kennzeichnung große Schlupflöcher für Verarbeiter, die sich der Kennzeichnung entziehen wollen, beispielsweise indem sie einen Verarbeitungsschritt ins europäische Ausland verlagern. Umgehungsmöglichkeiten seien auch angesichts unzureichender Kontrollen Tür und Tor geöffnet.

Handel kann Basispreis weiter drücken

Der Geschäftsführer der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN), Dr. Torsten Staack, machte die Gefahr für die Wettbewerbsfähigkeit am Beispiel der vorgesehenen Regelungen für den Umgang mit nicht gekennzeichneter Ware, also EU-Ware, deutlich. Laut ISN verhandeln Aldi „und die Nachahmer im deutschen Lebensmitteleinzelhandel“ schon jetzt beim Basispreis für Schweinefleischprodukte auf Weltmarktpreisniveau. Deutsche Schweinehalter könnten jedoch nicht einmal auf europäischem Preisniveau produzieren.

Mit der nicht gekennzeichneten EU-Ware und den möglicherweise erheblichen nicht kennzeichnungspflichtigen Anteilen in gekennzeichneten Fleisch- und Wurstwaren könne der Basispreis vom Handel dann zukünftig „munter weiter gedrückt“ werden. „Wie sollen sich für Schweinehalter dann akzeptable Preise oder gewinnbringende Erlöse erzielen lassen“, fragt Staack.

Probleme nicht ignorieren

Zwar sei gegen temporäre verkaufsfördernde Preisaktionen im Lebensmitteleinzelhandel nichts zu sagen. Wenn jedoch der Handel trotz Haltungskennzeichnung einen Freifahrtschein bekomme, mit EU-Ware Druck auf die Basisnotierung auszuüben, sei das ein Schlag in das Gesicht der deutschen Schweinehalter. Der ISN-Geschäftsführer forderte Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir dazu auf, diese Probleme nicht zu ignorieren und die Schlupflöcher zu schließen.

Finanzierung für Stallumbau weiter offen

Kritik hagelte es auch vom Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG). „Der vorliegende Referentenentwurf kann und darf in dieser Form nicht Gesetz werden“, forderte ZDG-Präsident Friedrich-Otto Ripke. Mit keiner Silbe werde den heimischen Landwirten erklärt, wie sie den geforderten Umbau ihrer Ställe finanzieren sollen. Zudem sei eine obligatorische Herkunftskennzeichnung auf allen Vermarktungswegen als klare Auszeichnung und Wertschätzung der deutschen Ware nach wie vor nicht vorgesehen. „Das kann nicht funktionieren, schon gar nicht in Inflationszeiten mit deutlichem Trend zum Einkauf von billigeren Lebensmitteln“, warnte Ripke.

Transparenz zu Haltung und Herkunft

Mit der Nichtberücksichtigung des Außer-Haus-Verzehrs bleibe über die Hälfte des Marktes ungeregelt. Ripke zufolge wäre jedoch mehr Transparenz zu Haltung und Herkunft von Tieren besonders wichtig. Ausländische Ware mit deutlich niedrigeren Tierhaltungsstandards werde damit künftig noch stärker in Gastronomie, Kantinen und Großhandel verarbeitet und deutsche Ware verdrängen.

Mit seinem Vorschlag löse Minister Özdemir somit aktiv Fleischimporte aus. Allein aus verfassungsrechtlichen Gründen sei nicht akzeptabel, dass neben dem staatlichen Haltungskennzeichen keine weiteren Label zur Haltungsform erlaubt sein sollen. „Das bewährte und inzwischen bei Dreiviertel der deutschen Verbrauchern gut bekannte Label der ITW, das auf mehr als 80 % der geflügelfleischhaltigen Lebensmitteln vorhanden ist, werden wir uns nicht verbieten lassen“, kündigte der ZDG-Präsident an.

Tierschützer: Kein Anreiz zur Verbesserung der Haltung

Enttäuscht zeigte sich auch der Deutsche Tierschutzbund. „Aus einem geplanten Tierwohlkennzeichen ist ein Tierhaltungskennzeichen geworden“, stellte Präsident Thomas Schröder fest. Ein Anreiz zur Verbesserung der Haltung sei nicht vorgesehen. So werde die Verantwortung für mehr Tierschutz wieder auf den Verbraucher abgeschoben, das Ordnungsrecht bleibe jedoch unverändert. Wenn die FDP bei ihrer Förderblockadepolitik bleibe, werde zudem kaum ein Landwirt freiwillig seine Haltungssysteme umstellen.

Die Tierschutzorganisation ProVieh forderte, den gesamten Lebenszyklus der Tiere als Grundlage für die Haltungskennzeichnung heranzuziehen und die Haltungskriterien zu erweitern. Durch die Beschränkung der Kennzeichnung auf einen Lebensabschnitt gingen Anreize für Verbesserungen in der Aufzucht verloren. Mit dem Gesetz der Haltungskennzeichnung für das Schwein werde der Grundstein für weitere Tierarten gelegt. Die Aufzucht von Ferkeln oder Kälbern müsse miteinbezogen werden.

Auch nach Auffassung von Greenpeace müssen für den nötigen „Umbau und Rückbau“ der Tierhaltung alle Bereiche der Lebensmittelbranche wie Gastronomie und industrielle Verarbeitung in die Pflicht genommen werden, da dort drei Viertel des Fleisches verkauft würden. Außerdem müsse die Kennzeichnung auch für Fleisch aus Rind und Geflügel und nicht nur für Schweinefleisch gelten.

Umstieg im Einzelhandel schleppend

Nach ihrer jüngsten jährlichen Abfrage zur freiwilligen Kennzeichnung des Fleischangebots bei Aldi Nord, Aldi Süd, Edeka, Kaufland, Lidl, Netto, Penny und Rewe verbessere sich das Fleischsortiment dort nur schleppend, so Greenpeace. Der Umstieg von den Haltungsformen 1 und 2 auf höhere Stufen komme kaum voran. Seit September 2021 habe sich nach Angaben der befragten Ketten der Anteil der mit der Haltungsform 1 gekennzeichneten Frischfleischprodukte mit 19 % zwar fast halbiert. Der vollständige Wechsel zur Haltungsform 2 bei Schweine- und Geflügelfrischfleisch dauere zum Teil aber wesentlich länger als geplant. Keine der befragten Ketten wolle bis Ende des Jahres auf Lock- und Sonderangebote für Fleisch verzichten.

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