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topplus Afrikanische Schweinepest

ASP-Bekämpfung: Jetzt ist Teamarbeit gefragt!

Die Kritik an der ASP-Bekämpfung in Brandenburg wird lauter. top agrar sprach mit der Leiterin des Brandenburger Landeskrisenstabs, Staatsekretärin Anna Heyer-Stuffer.

Lesezeit: 9 Minuten

Das ASP-Geschehen weitet sich aus. Letzte Woche wurde auch außerhalb des ersten Restriktionsgebietes im Landkreis Märkisch-Oderland ein ASP-infiziertes Wildschwein entdeckt. Wie beurteilen Sie die aktuelle Lage?

Heyer-Stuffer: Die Lage ist ernst, denn sie betrifft die Landwirtschaft in ganz Deutschland. Bei vielen Landwirten geht es um massive wirtschaftliche Einbußen, möglicherweise sogar um die Existenz. Alle Verantwortlichen in Brandenburg arbeiten deshalb mit Hochdruck daran, die Afrikanische Schweinepest so schnell wie möglich einzudämmen. Uns allen muss aber bewusst sein, dass die ASP-Krise nicht in wenigen Wochen überwunden sein wird. Für diese Krise brauchen wir einen langen Atem. Es wird dauern, bis Deutschland den Status „seuchenfrei“ wiedererlangt. Entscheiden ist, dass die Hausschweinebestände nach wie vor frei von ASP sind. Und wir werden alles tun, damit das so bleibt.

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Die Lage ist ernst!"

Der Elektrozaun, der rund um die beiden Kerngebiete aufgestellt wurde, steht besonders in der Kritik. Er sei zu niedrig, der Abstand zum Boden zu groß und er führe nicht überall Strom. War er eine Fehlinvestition?

Heyer-Stuffer: Nein, dieser Kritik widerspreche ich ausdrücklich! Diese mobilen Wildschutzzäune werden seit vielen Jahren eingesetzt, z.B. beim Deichschutz. Hier haben sie sich zur Abwehr von Wildschweinen bewährt. Auch Tschechien hat, als sich dort im Jahr 2017 die ASP ausbreitete, mit dem Einsatz von Elektrozäunen sehr gute Erfahrungen gesammelt. Die mobilen Elektrozäune sind zur ersten Absicherung eines Fundortes erste Wahl. Alle anderen Länder wären genauso vorgegangen. Daran gibt es von den Experten auch überhaupt keine Kritik. Wir mussten allerdings feststellen, dass die Zäune vor Ort immer wieder mutwillig beschädigt oder Batterien gestohlen werden. Das ist natürlich fatal. Diese Zäune dienen vor allem zum Schutz unserer Landwirtschaft.

Die mobilen Elektrozäune habe sich bewährt"

Rund um das erste Kerngebiet soll eine „Weiße Zone“ eingerichtet werden. Was ist genau geplant?

Heyer-Stuffer: Neben der intensiven und gründlichen Fallwildsuche sowie der Bergung der Kadaver ist das die zweite Säule unserer Strategie. Die „Weiße Zone“, die sich zwischen einem inneren und einem äußeren Zaun erstreckt, haben wir auch mit den Experten der EUVET-Mission der Europäischen Kommission abgestimmt. Durch das Einrichten einer „Weißen Zone“ hat auch Belgien erfolgreich dazu beigetragen, ein Überspringen der ASP auf Deutschland zu verhindern.

Wir werden um das erste Kerngebiet einen mindestens fünf Kilometer breiten Streifen mit festen Zäunen sichern. Der äußere Zaun hat eine Länge von mehr als 50 Kilometern, der innere Zaun von circa 40 Kilometern. Das Landeskrisenzentrum-ASP in Potsdam bereitet das mit den Krisenzentren der betroffenen Landkreise gemeinsam vor. Damit wollen wir die Ausbreitung der ASP stoppen. Sobald diese „Weiße Zone“, die etwas 250 Quadratkilometer umfasst, mit festen Zäunen gesichert ist, sollen darin die Wildschweine stark reduziert werden.

In Tschechien wurden die Wildschweine im Kerngebiet mit Nachtsichtgeräten und Sachalldämpfern erfolgreich bejagt. Werden Sie das tschechische Modell kopieren?

Heyer-Stuffer: Auch wir werden zu einem späteren Zeitpunkt die verbleibenden Wildschweine aus dem Kerngebiet mit geeigneten jagdlichen Maßnahmen entnehmen. Dabei spielt neben dem Einsatz von Schwarzwildfallen auch die Nachtsichttechnik eine wichtige Rolle.

Welche weiteren Maßnahmen sind für das jetzt deutlich vergrößerte gefährdete Gebiet und die Pufferzone geplant?

Heyer-Stuffer: Im Gefährdeten Gebiet besteht ein vorläufiges Jagdverbot für alle Tierarten, um Schwarzwild am Standort zu halten und so eine Verbreitung der Tierseuche zu verhindern. Ganz wesentlich ist die permanente Fallwildsuche, um eine mögliche Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest schnell zu erkennen und unverzüglich handeln zu können. Die Einsatzkräfte am Boden werden durch Polizeihubschrauber und Drohne mit Wärmebildkameras unterstützt.

Das vorläufige Nutzungsverbot für land- und forstwirtschaftliche Flächen, das ebenfalls ein Verschleppen des ASP-Erregers verhindern soll, wird von den Landkreisen sukzessive wieder aufgehoben. Aber auch das ist von den Ergebnissen der Fallwildsuche abhängig. Darüber hinaus werden im gefährdeten Gebiet die Hausschweinehaltungen auf die Einhaltung der Biosicherheitsmaßnahmen kontrolliert. In der Pufferzone erfolgt eine verstärkte Kadaversuche. Es werden zudem alle erlegten, verendeten und verunfallten Wildschweine virologisch untersucht. In dieser Zone wird Schwarzwild verstärkt durch Einzeljagd und Fallenjagd reduziert, Bewegungsjagden, ausgenommen Erntejagden, sind hingegen verboten.

Warum wurde mit dem Bau eines festen, schwarzwildsicheren Zaunes entlang der deutsch-polnischen Grenze nicht schon früher begonnen?

Heyer-Stuffer: Brandenburg hat sich seit Ende 2019 für eine „Weiße Zone“ mit je einer festen Zaunreihe auf deutscher und auf polnischer Seite eingesetzt. Das wäre eine sehr effektive Maßnahme. Solch ein Vorhaben kann aber nur der Bund mit der polnischen Regierung aushandeln. Es gab Gespräche, Deutschland wollte sogar beide Zäune bezahlen, das Vorhaben wurde von polnischer Seite aber abgelehnt.

Für einen vorbeugenden festen Zaun auf deutscher Seite hat zudem die Rechtsgrundlage gefehlt. Mit der amtlichen Feststellung der ASP bei Wildschweinen im Land Brandenburg und der Einrichtung von Restriktionszonen ist die Rechtsgrundlage einer festen Wildschweinbarriere jetzt vorhanden. Den besten Schutz bietet jedoch ein doppelter Zaun und eine „Weiße Zone“. Wir haben das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) am 01. Oktober 2020 deshalb gebeten, die Verhandlungen mit Polen zur Errichtung einer weißen Zone wieder aufzunehmen.

Mit welchen Kosten rechnen Sie für den Zaunbau, und wer wird das finanzieren?

Heyer-Stuffer: Das Land Brandenburg stellt in diesem Jahr rund sechs Millionen Euro aus dem Landeshaushalt für den Bau von festen Wildschutzzäunen zur Verfügung. Es handelt sich dabei um so genannte außerplanmäßige Ausgaben. Das wir diese Mittel so schnell zur Verfügung stellen, ist ein wichtiges Signal. Entscheidend ist, dass wir jetzt sehr schnell handeln und alles Notwendige veranlassen, um die weitere Ausbreitung der ASP zu verhindern.

Die Seuchenbekämpfung liegt in der Hand der Landkreise. Wäre es nicht viel sinnvoller, die Seuchenbekämpfung zentral auf Bundeslandebene zu koordinieren?

Heyer-Stuffer: Die Umsetzung der Tierseuchenbekämpfungsmaßnahmen, die im Tierseuchenalarm- und Bekämpfungsplan des Landes Brandenburg festgelegt sind, ist Aufgabe der Landkreise und Kreisfreien Städte. Koordiniert wird das Ganze von den regionalen und überregionalen Krisenzentren. Der Tierseuchenbekämpfungsdienst des Landes unterstützt die Kreise fachlich, insbesondere bei den epidemiologischen Ermittlungen, aber auch bei den Bekämpfungsmaßnahmen.

Es gibt viele lokale Besonderheiten, die die Verantwortlichen vor Ort am besten kennen. Man kann eine derartige Tierseuche nicht allein von der Landeshauptstadt vom Schreibtisch aus bewältigen, es erfordert eine Teamleistung. Sie brauchen die etablierten Strukturen und die Ortskenntnisse aus den Landkreisen. Und ich versichere Ihnen: Die Landkreise und das Land arbeiten eng abgestimmt Hand in Hand zusammen. Wir diskutieren Maßnahmen und treffen gemeinsam Entscheidungen.

Das Landeskrisenzentrum in Potsdam führt täglich Telefonschalten mit den betroffenen Kreisen durch, um anhand der aktuellen Tierseuchenlage die jeweils notwendigen Maßnahmen festzulegen. Vor Ort in Eisenhüttenstadt haben wir zusätzlich eine Technische Einsatzleitung eingerichtet, die operative Maßnahmen wie den Zaunbau koordiniert. Und im Landeskrisenstab, der anlassbezogen zusammenkommt, treffen wir alle strategischen Entscheidungen für das gesamte Land.

Diese bestehenden Krisenstrukturen haben sich schon bei früheren Tierseuchen wie z.B. der Geflügelpest bestens bewährt. Die Experten in den Krisenzentren verstehen ihr Handwerk. Tierseuchenbekämpfung muss schnell und konsequent erfolgen. Es geht um Gefahrenabwehr.

Einige Bürger fühlen sich durch die vorübergehende Sperrung von Rad- und Wanderwegen in ihren Grundrechten beeinträchtigt. Auf welcher Rechtsgrundlage erfolgt diese Sperrung?

Heyer-Stuffer: Rechtsgrundlage für die vorläufigen Sperren sind das Bundestiergesundheitsgesetz und die Schweinepest-Verordnung. Die Maßnahmen müssen selbstverständlich verhältnismäßig sein. Wenn am Deich ein Radweg gesperrt werden muss, ist das für einige Radfahrer sicherlich ärgerlich, aber absolut vertretbar. Im Vordergrund steht immer die Verhinderung der Ausbreitung und Tilgung der Seuche.

Wir müssen als Gesellschaft auch die massiven wirtschaftlichen Folgen für unsere Landwirtschaft im Blick haben. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung, für deren erfolgreiche Bewältigung wir die Akzeptanz der Bevölkerung brauchen. Deshalb finden vor Ort auch zahlreiche Informationsveranstaltungen statt, die über die Notwendigkeit der Maßnahmen aufklären.

Die schrittweise Aufhebung der Nutzungsbeschränkungen für land- und forstwirtschaftliche Flächen birgt auch Risiken, solange das wirkliche Ausmaß des Seuchengeschehens noch nicht bekannt ist. Befürchten Sie keine Rückschläge?

Heyer-Stuffer: Das ist ein schwieriger Abwägungsprozess. Die Veterinärämter geben land- und forstwirtschaftliche Flächen erst nach intensiver Prüfung frei. Wenn man ein Feld mehrmals intensiv abgesucht hat, und dann kein Fallwild findet, dann muss man den Landwirten auch die Möglichkeit geben, diese Flächen wieder zu bearbeiten. Das Seuchengeschehen ist ein dynamischer Prozess. Die Lage kann sich jederzeit ändern. Allen muss deshalb klar sein, dass die Maßnahmen zur Tierseuchenbekämpfung immer der aktuellen Lage angepasst werden müssen.

Wie viele Schweinehalter befinden sich in den beiden Kernzonen, im Gefährdeten Gebiet und in der Pufferzone? Wie viele Sauen und Mastschweine halten diese Betriebe?

Heyer-Stuffer: In allen bisher eingerichteten Restriktionszonen befinden sich nach jetzigem Stand insgesamt 270 Betriebe mit rund 57.830 Schweinen. Davon sind in den Kerngebieten 13 Betriebe mit rund 3.940 Schweinen, in den Gefährdeten Gebieten 159 Betriebe mit rund 33.310 Schweinen und in der Pufferzone 98 Betriebe mit rund 20.580 Schweinen.

In den Restriktionszonen befinden sich derzeit 270 Schweinehalter"

In den vom Lockdown betroffenen Schweineställen werden die Mastschweine immer schwerer und die Ferkelaufzuchtställe platzen aus den Nähten. Wie wollen Sie das Problem lösen?

Heyer-Stuffer: Hier ist das Brandenburger Agrarministerium sehr engagiert, für diese Probleme schnell Lösungen zu finden. Agrarminister Axel Vogel steht z.B. mit Schlachtbetrieben in anderen Bundesländern in intensivem Austausch, damit Schweine aus betroffenen Ställen dort geschlachtet werden können.

Welche Entschädigungen sind für Ackerbauern und Rinderhalter geplant, die ihre Flächen gar nicht oder nur eingeschränkt nutzen können?

Heyer-Stuffer: Die Landesregierung ist sich der Folgen für die Landwirtschaft bewusst. Deshalb haben Ministerpräsident Dr. Dietmar Woidke und Landwirtschaftsminister Axel Vogel bereits am Anfang der Krise in einer gemeinsamen Veranstaltung mit den Verbänden und den betroffen Landwirten Unterstützung zugesichert. Wenn Landwirte Vermögensschäden aufgrund der notwendigen Restriktionsmaßnahmen nachweisen, dann werden sie entschädigt.

Wir sind uns der Folgen für die Landwirtschaft bewusst!"

Der Brandenburger Landtag hat am 24. September mit dem Antrag „Gemeinsam entschlossen handeln – Afrikanische Schweinepest eindämmen – Landwirte unterstützen“ unter anderem beschlossen, dass die Landesregierung die Prüfung der rechtlichen und finanziellen Möglichkeiten zur Entschädigung, die über gesetzliche Ansprüche hinausgehen, schnellstmöglich abschließen soll. Das ist wichtig, damit die Betroffenen Sicherheit bekommen. Das machen wir. Und wir werden uns gegenüber dem Bund dafür einsetzen, dass auch Bundes- und EU-Mittel für die Entschädigung eingesetzt werden können.

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