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ASP: Die schnelle Eingreiftruppe aus NRW

Tierbestände keulen, Kadaver suchen, entfernen und Zäune ziehen: Für diese Arbeiten haben einige Bundesländer Tierseuchen-Vorsorge-Gesellschaften gegründet. top agrar stellt das NRW-Konzept vor.

Lesezeit: 9 Minuten

Der Faktor Zeit spielt bei der ­Bekämpfung der Afrikanischen Schweinepest eine ganz entscheidende Rolle. Je schneller es gelingt, infizierte Wildschweine aufzuspüren, die Kadaver aus der Natur zu entfernen und die Ausbreitung der Seuche durch das Errichten von Zäunen zu stoppen, desto größer sind die Chancen auf eine zügige Tilgung des ASP-Geschehens und die Aufhebung der Restriktionen.

So weit die Theorie. In der Praxis geht jedoch oft viel wertvolle Zeit verloren. Denn kaum eine Kreisbehörde verfügt über Erfahrungen bei der ASP-Bekämpfung. Wird ein infiziertes Wildschwein entdeckt, muss das nötige Equipment zum Bergen der Kadaver häufig erst zusammengestellt werden. Im ungünstigsten Fall ist kein Zaunmaterial zum Abgrenzen der Kernzone vorrätig. Und am Personal mangelt es vielen Kreisbehörden sowieso.

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Das Gleiche gilt für einen ASP-Ausbruch bei Hausschweinen. Wer kann das Keulen der Schweine im Ausbruchsbestand übernehmen? Wo bekommt man ad hoc die Geräte und fachkundiges Personal für eine tierschutzgerechte Tötung her? Und wer führt die seuchengerechte Reinigung und Desinfektion der geräumten Ställe durch?

Aus Vergangenheit gelernt

In Nordrhein-Westfalen hat man aus den Erfahrungen mit der Klassischen Schweinepest im Jahr 2006 in den Kreisen Recklinghausen und Borken gelernt. Damals traf die Seuche die Behörden in vielen Punkten völlig unvorbereitet. Es gab keine fertigen Konzepte und Ablaufpläne. Vieles musste erst in der Krisensituation erarbeitet werden. „Damit sich das nicht wiederholt, wurde in NRW im Jahr 2014 die Tierseuchen-Vorsorge-Gesellschaft  mbH (TSVG) gegründet, die sich um die Seuchenbekämpfung bei Nutztieren im Ausbruchsbetrieb kümmert“, erläutert Geschäftsführer Christian Stoll.

„Wir wollten eine schnelle Eingreiftruppe, die die Tierhalter professionell bei der Durchführung der vom Veterinäramt angeordneten Seuchenbekämpfungsmaßnahmen unterstützt. Ein Dienstleistungsangebot von Landwirten für Landwirte, ohne Gewinnerwartung“, schildert der Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes (WLV), Hubertus Beringmeier, das Konzept. Initiatoren waren neben dem WLV der Rheinische Landwirtschafts-Verband (RLV), die Landwirtschaftskammer NRW sowie die beiden in Nordrhein-Westfalen tätigen Raiffeisengenossenschaften Agravis und RWZ.

Als sich die Afrikanische Schweinepest immer stärker in der osteuropäischen Wildschweinepopulation ausbreitete, wurde schnell klar, dass man für einen Seuchenausbruch unter Wildtieren eine vergleichbare Einsatztruppe benötigt. Zumal sich hier ein ganz anderes Aufgabenfeld ergibt. Im Januar 2019 wurde deshalb auch eine Wildtierseuchen-Vorsorge-Gesellschaft mbH (WSVG) gegründet.

Neben den bereits vorhandenen Gesellschaftern kam hier noch der Landesjagdverband NRW mit ins Boot. Die Geschäftsführung teilen sich Christian Stoll und Marcus Elmerhaus. Beide Gesellschaften haben ihren Sitz in Hamm. Die Materiallager befinden sich in Hamm, Lüdinghausen und in Zülpich bei Euskirchen.

Schlanke Personallösung

„Beim Aufbau der Servicegesellschaft für Nutztiere haben wir uns an Niedersachsen orientiert, das bereits einige Jahre zuvor zwei vergleichbare Organisationen gegründet hatte“, berichtet Christian Stoll. Das Land NRW, die Tierseuchenkassen und deren Arbeitsgruppen haben klar definiert, welche Leistungen der jeweilige Dienstleister zu erbringen hat und welche Gerätschaften dafür angeschafft werden mussten. Bei der Gründung der Vorsorgegesellschaft für Wildtiere orientierte man sich stark an den tschechischen Erfahrungen bei der ASP-Bekämpfung.

„Um die Kosten in Bereitschaftszeiten so gering wie möglich zu halten, wird der Personalbestand auf das Nötigste begrenzt“, schildert Marcus Elmerhaus. Zum Stammteam gehören nur sieben Führungskräfte – die beiden Geschäftsführer sowie fünf Teamleiter. Jeder der Teamleiter führt im Krisenfall einen der insgesamt fünf zur Verfügung stehenden Material- und Personaltrupps zur ASP-Bekämpfung an. Es handelt sich um drei Trupps für Seuchenausbrüche bei Nutztieren und zwei Trupps für den Einsatz bei Wildtieren. Alle fünf Trupps können parallel aktiv werden, wenn es erforderlich ist.

Vollzeit beschäftigt sind nur die beiden Geschäftsführer. Die fünf Teamleiter wurden vertraglich an die Vorsorgegesellschaften gebunden. Sie arbeiten selbstständig oder hauptberuflich für andere Unternehmen und werden im Krisenfall sofort für die Notfallgesellschaften freigestellt. Das gilt auch für weitere Mitarbeiter, die nur für Einsätze aktiviert werden, sonst aber bei Betriebshilfsdiensten, Schlachtunternehmen oder einer der beiden beteiligten Raiffeisengenossenschaften beschäftigt sind. Einige Auf­gaben werden zudem über externe Dienstleister abgewickelt. „Regelmäßige Schulungen und Krisenübungen mit Vertretern der Veterinärbehörden sorgen dafür, dass im Notfall alles reibungslos abläuft und jeder genau weiß, was er zu tun hat“, erläutert Christian Stoll.

Kadaverbergung per Quad

„Wird in Nordrhein-Westfalen ein ASP-infiziertes Wildschwein gefunden, wird unsere Wildtierseuchen-Vorsorge-Gesellschaft (WSVG) vom zuständigen Kreisveterinäramt mit den Bekämpfungs- bzw. Eindämmungsmaßnahmen in der Kernzone beauftragt. Das Erlegen der Schwarzkittel hingegen übernehmen Jäger im Auftrag des Landes“, sagt Geschäftsführer Stoll. „Wir suchen die Kernzone nach Wildschweinkadavern ab, bergen sie und entnehmen Blut- bzw. Gewebeproben. Darüber hinaus desinfizieren wir den Fundort, errichten eine Einsatzzentrale, eine Hygieneschleuse für das Such- und Bergepersonal, zäunen die Kernzone ein und überwachen die Funktion des Zaunes“, ergänzt Marcus Elmerhaus.

Zum Bergen der Kadaver stehen pro Einsatztrupp zwei geländegängige Quads zur Verfügung. Vor Ort werden die Kadaver in auslaufsicher verschließbare Kunststofftonnen gelegt, die per Seilwinde auf einen Anhänger des Quads gehievt werden können. Für große Keiler steht eine speziell angefertigte Bergewanne mit Auslaufschutz aus Aluminium zur Verfügung. Mit der Seilwinde können die Tonnen bzw. die Wanne bis zu 100 Meter weit aus dem Dickicht bzw. aus Schluchten zur Verladestelle gezogen werden. Schwer zugängliches Gelände kann der Suchtrupp zudem mit einem mitgeführten Freischneider oder einer Motorsäge passierbar machen.

In einem Koffer des Quads befinden sich Schutzanzüge, Spritzen sowie Skalpelle und Röhrchen für die Probennahme. Und ein auf dem Quad montierter Tank enthält ausreichend Desinfektionsmittel, um die Fundstelle, das Bergematerial und die Fahrzeuge vor dem Verlassen der Bergestelle komplett zu desinfizieren. Die mobile Einsatzzentrale besteht aus Containern für das Büro des Einsatzleiters, Duschen und Umkleidemöglichkeiten für das Such- bzw. Bergeteam und ein Materiallager. Den nötigen Strom liefert ein Notstromaggregat.

Zur Kadaversuche und Ermittlung des Seuchen-Hotpots ist jeder Trupp mit einer Kameradrohne ausgestattet. Zum Einzäunen der Kerngebiete stehen zudem 150 km vierlitziger Elektrozaun und für die Eingrenzung der weißen Zonen 250 km fester Zaun mit Knotengeflecht zur Verfügung. Hinzu kommen ausreichend viele Pfosten, Isolatoren, Weidezaungeräte und diebstahlgesicherte Notstromaggregate, deren Tank für einen achttägigen Betrieb der Weidezaungeräte ausreicht. Bekommt der Elektrozaun Bodenkontakt oder fällt der Strom aus, wird ein SMS-Alarm ausgelöst. Pro einzurichtender Kernzone liegen zudem je zehn Weidetore und zehn mobile, wildschweinsichere Überfahrsperren für Straßen auf Lager, sogenannte Weideroste. Insgesamt wurden von der WSVG Material und Ausrüstung im Wert von rund 2,5 Mio. € angeschafft.

Tierschutzgerechtes Töten

Bei einem ASP-Ausbruch in einem Hausschweinebestand erwarten das jeweilige Einsatzteam dagegen ganz andere Aufgaben. „Hier unterstützen wir die Tierhalter professionell bei der Durchführung der vom Veterinäramt angeordneten Maßnahmen“, erläutert Christian Stoll. Im Klartext: Der Schweinebestand des Ursprungsbetriebs muss tierschutzgerecht gekeult und anschließend alles vorschriftsmäßig gereinigt bzw. desinfiziert werden.

„Alle Gerätschaften, die dabei zum Einsatz kommen, haben wir entweder selbst entwickelt oder für diesen Zweck umfunktioniert“, erläutert Christian Stoll. Auch hier dienen speziell dafür eingerichtete Container als Einsatzzentrale, zum Duschen und Umkleiden sowie als Materiallager. Im ersten Schritt wird das Seuchengehöft von der Vorsorge-Gesellschaft abgeriegelt und an der Zufahrt mit einem mobilen Desinfektionstor für Fahrzeuge versehen. Security-Mitarbeiter der TSVG sorgen während des Einsatzes dafür, dass niemand unerlaubt das Seuchengehöft betreten kann oder das Gelände verlässt, ohne vorher geduscht und die Kleidung gewechselt zu haben.

Kippbare Tötungsbox

Zum Keulen führen Treiber die Schweine unter Aufsicht eines Tierschutzbeauftragten schonend aus dem Stall und verladen sie in eine mobile 2,60 x 2,30 m große Transportbox, die in die Schwinge eines Teleskopladers eingehängt ist. Hochtragende Sauen werden per Injektion vom Tierarzt der TSVG getötet. Alle anderen Schweine keult man mithilfe von Elektrozangen. Dazu setzen sie die Zange zwei Mal an. Zunächst positionieren sie die Elektroden beidseitig am Ohrgrund der Tiere. Dadurch werden die Schweine betäubt. Damit der Tod eintritt, muss im zweiten Schritt das Herz der Tiere durchströmt werden. Das erfolgt durch den sogenannten Hirn/Herz-Zangenansatz.

„Nur erfahrene Schlachter, die mit den Geräten auch hauptberuflich arbeiten, bedienen die Elektrozangen“, schildert Marcus Elmerhaus, der selbst gelernter Fleischer und Einzelhandelskaufmann ist. Die Daten jedes einzelnen Tötungsvorgangs werden elektronisch aufgezeichnet und in einem Datenspeicher gesammelt. Nach dem Töten wird die gesamte Bucht mit dem Teleskoplader angehoben und in einen Container der Tierkörperbeseitigung (TKB) entleert. Nach dem Keulen erfolgt die Entwesung des Betriebes, also eine gezielte Schadnager- und Fliegenbekämpfung. Dann werden alle Ställe, Treibegänge und Materialien, mit denen die Schweine Kontakt hatten, vom Serviceteam nach den Vorgaben der Landesregierung gereinigt und desinfiziert.

Eine schlagkräftige, kostenschlanke Lösung von Bauern für Bauern." - Hubertus Beringmeier, WLV

Gülle oder Festmist des Betriebes müssen mindestens 42 Tage lang gelagert werden, bevor sie ausgebracht werden dürfen. In Ausnahmefällen kann die Gülle von der Vorsorge-Gesellschaft auch desinfiziert werden. Das ist jedoch material- und kostenaufwendig.„Es kann jedoch vorkommen, dass das Güllelager unter den Spalten bereits so voll ist, das es nicht einmal mehr das bei der Reinigung anfallende Wasser aufnehmen könnte“, gibt Christian Stoll zu bedenken. Aber auch dafür hat die TSVG eine Lösung parat. Denn sie verfügt über einen Güllecontainer, in den dann ein Teil der Gülle abgepumpt und desinfiziert werden kann.

Zum Schluss rechnet die Tierseuchen-Vorsorge-Gesellschaft die angefallenen Kosten mit der Tierseuchenkasse ab. Denn die erstattet bei einer behördlich angeordneten Keulung des Schweinebestands zumindest den gemeinen Wert der Tiere und die Tötungskosten. Die Ausgaben für die Reinigung und Desinfektion können im Rahmen einer Beihilfe übernommen werden.

Vereinbarte Kostensätze

„Dadurch, dass bei uns alle Fäden zusammenlaufen und wir per Rahmenvereinbarung mit der Tierseuchenkasse feste Kostensätze vereinbart haben, ersparen wir den betroffenen Landwirten lästige Verhandlungen mit verschiedenen Dienstleistern und verhindern, dass sie in ihrer Notsituation finanziell über den Tisch gezogen werden“, erläutert Christian Stoll die Vorteile der Vorsorge-Gesellschaft. Aber auch die Tierseuchenkasse profitiert von dieser Lösung. Auch ihr bleiben überteuerte Rechnungen erspart. Und sie kann bereits im Vorfeld ziemlich genau abschätzten, welche Kosten auf sie bei einer Bestandskeulung zukommen.

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