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topplus Afrikanische Schweinepest

ASP: Die tschechischen Erfahrungen sind nicht 1:1 übertragbar

Ist die Kritik an der brandenburgischen ASP-Bekämpfung gerechtfertigt? top agrar sprach mit der Epidemiologin Dr. Carola Sauter-Louis vom Friedrich-Loeffler-Institut (FLI)

Lesezeit: 7 Minuten

Inzwischen wurde das Virus der Afrikanischen Schweinepest auch bei einem Wildschwein in Sachsen und einem Kadaver außerhalb der ersten Kernzone in Brandenburg nachgewiesen. Wie beurteilen Sie die aktuelle Gefahrenlage?

Sauter-Louis: Die aktuelle Gefahrenlage verdeutlicht, dass wir nicht nur auf das bestehende Geschehen achten, sondern überall damit rechnen müssen, dass die Afrikanische Schweinepest auftritt. Zudem verdeutlicht es, dass wir es leider nicht mit einem punktuellen Eintrag zu tun haben, sondern mit einem größeren Geschehen.

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Die Behörden in Brandenburg machen einen sehr guten Job"

Die ASP-Bekämpfung in Brandenburg wurde in den sozialen Medien vielfach kritisiert. Ist die Kritik Ihrer Meinung nach gerechtfertigt?

Sauter-Louis: Nein, die Kritik ist überhaupt nicht gerechtfertigt. Die Behörden in Brandenburg machen einen sehr guten Job. Am Anfang standen alle vor Ort unter enormem Druck und viele Aufgaben mussten gleichzeitig erledigt werden. Die Behörden haben gleich zu Beginn eine mögliche Kernzone mit Elektrozäunen abgegrenzt, um das Abwandern der Wildschweine zu verhindern. Sie haben gleichzeitig mit der intensiven Fallwildsuche begonnen, sowohl mit Menschenketten, Drohnen mit Wärmebildkameras, Hubschraubern und Suchhunden aus mehreren Bundesländern. Durch Drohnenaufnahme und Hubschraubereinsätzen konnten die Suchtrupps gezielt gesteuert werden. Viele Kadaver wurden aufgrund der Dohnenaufnahmen gefunden.

Im zweiten Schritt erfolgten dann die Planung und Errichtung wildschweinsicherer Zäune und die Abgrenzung einer sogenannten „Weißen Zone“ mit dem Ziel, eine starke Reduktion des Wildschweinbestandes in dieser Zone zu erreichen. Das gesamte Vorgehen entspricht den Erkenntnissen, die wir aus Tschechien und Belgien gewonnen haben und die dort mit Erfolg praktiziert wurden.

Können Sie schon sagen, wann und wie das Virus der Afrikanischen Schweinepest nach Deutschland eingeschleppt wurde?

Sauter-Louis: Die Auswertung der Genomsequenz hat ergeben, dass es sich um dasselbe Virus handelt, das auch schon in anderen Teilen Europas nachgewiesen wurde, z.B. in Polen und im Baltikum. Es wurden jedoch auch genetische Marker gefunden, die sich bisher nur in polnischen Isolaten nachweisen ließen.

Auch aufgrund der räumlichen Nähe zum aktiven ASP-Geschehen in Westpolen ist die wahrscheinlichste Erklärung, dass das Virus durch migrierende Wildschweine nach Brandenburg und Sachsen gelangt ist. Dafür sprechen auch die Funde, die inzwischen auf polnischer Seite bei Wildschweinen in den benachbarten Regionen gemeldet wurden. Man kann jedoch nicht völlig ausschließen, dass das Virus auch durch menschliche Aktivitäten nach Deutschland eingetragen wurde.

Aufgrund des Verwesungszustandes der gefundenen Kadaver gehen wir davon aus, dass das Virus der Afrikanischen Schweinepest spätestens in der ersten Julihälfte 2020 eingetragen wurde. Dabei sind drei getrennte Eintragsereignisse anzunehmen, zunächst in die Landkreise Oder-Spree und Spree-Neiße, später dann in den Landkreis Märkisch-Oderland und aktuell in den sächsischen Landkreis Görlitz.

In Deutschland haben wir eine andere Ausgangslage"

Viele der hier ergriffenen Maßnahmen haben sich bereits in Belgien und Tschechien bewährt. Besteht Hoffnung, wir das Seuchengeschehen auch bei uns in absehbarer Zeit eindämmen können?

Sauter-Louis: Ich glaube nicht, dass unsere Ausgangslage mit der in Belgien und Tschechien vergleichbar ist. In beiden Ländern fand ein punktueller Eintrag statt, ohne Gefährdung aus dem umliegenden Gebiet. In Tschechien wurde der Ausbruch zudem in einem sehr frühen Stadium entdeckt. Das erleichterte die Bekämpfung.

In Brandenburg und Sachsen müssen wir leider davon ausgehen, dass es sich um mehrere Einträge und damit um ein größeres Geschehen handelt. Zudem bleibt der Infektionsdruck aus dem umliegenden Gebiet aller Voraussicht nach auf längere Zeit bestehen. Wir erwarten daher nicht, dass die Erfahrungen aus Belgien und Tschechien 1:1 auf Brandenburg übertragbar sind.

Die ASP wird uns noch längere Zeit beschäftigen und wir müssen auch in anderen Gebieten innerhalb Deutschlands aufmerksam sein, nicht nur in Brandenburg. Wir haben dennoch Hoffnung, dass wir die ASP in absehbarer Zeit eindämmen können. Dazu tragen ganz wesentlich die Maßnahmen bei, die die Behörden in Brandenburg ergriffen haben. Dennoch muss uns klar sein, dass Deutschland eine sogenannte Selbstdeklaration der Freiheit von ASP bei Schweinen, wie sie Tschechien gegenüber der OIE abgegeben hat, frühestens ein Jahr nach dem letzten aktiven ASP-Fund einreichen kann.

Welche Aufgabe haben die „Weißen Zonen“?

Sauter-Louis: Das Prinzip der „Weißen Zone“ hat Frankreich praktiziert, als Belgien von der ASP betroffen war. Diese Zonen werden durch einen inneren und äußeren festen Zaun abgegrenzt mit dem Ziel, das Gebiet zwischen den Begrenzungen soweit wie möglich wildschweinfrei zu bekommen. Dadurch soll die Verbreitung des ASP-Erreger zu verlangsamt bzw. verhindert werden. Frankreich hat damit gute Erfahrungen entlang der französisch-belgischen Grenze gemacht und der Eintrag nach Frankreich konnte erfolgreich verhindert werden.

Eine große Herausforderung besteht darin, dass man diese Zonen längerfristig frei von Wildschweinen halten muss. In Frankreich war diese Zone überschaubar, sie war relativ schmal. In Brandenburg ist die geplante weiße Zone hingegen 5 km breit, um ausreichend Puffer zu haben. Die momentane Fläche allein in den Landkreisen Oder-Spree und Spree-Neiße ist ca. 200 km2groß. Es ist schwer, eine so große Fläche für längere Zeit zu überwachen und frei von Wildschweinen zu halten.

Jagdliche Maßnahmen allein reichen nicht"

Die Wildschweinbestände in Deutschland explodieren. Kann man allein durch intensive Bejagung gegensteuern? Gibt es eine Möglichkeit, die Fruchtbarkeitsleistung hormonell zu drosseln, z.B. mit einer Pille für Wildschweine?

Sauter-Louis: Jagdliche Maßnahmen allein reichen nicht aus. Man müsste jährlich vermutlich 80 bis 90 % der Population entnehmen, das gelingt allein durch jagdliche Maßnahmen nicht. Über viele Jahre haben die Jäger intensiv versucht, die Bestände zu reduzieren.

Der Einsatz von hormonellen Mitteln, wie z.B. Altrenogest, wäre eventuell eine weitere Option, ist momentan aber noch nicht praxisreif. Weltweit wird auf diesem Gebiet mit unterschiedlichen Ansätzen geforscht. Man muss sicherstellen, dass solche Mittel nur von Wildschweinen aufgenommen werden und nicht von anderen Wildtieren. Zusätzlich braucht man einen Köder, sodass eine orale Aufnahme möglich ist. Soweit ist man noch nicht.

Gute Ergebnisse werden momentan schon über die Altrenogest-Verabreichung per Spritze erzielt. Diese Methode ist aber nicht brauchbar, denn wenn man das Wildschwein erst fangen muss, um ihm eine Spritze zu verabreichen, damit es keine Nachkommen produziert, kann man es es auch gleich töten. Das ist dann effizienter und preiswerter.

Auch ein Zaun bietet keinen 100 %-igen Schutz"

Wie effektiv kann uns ein fester Zaun entlang der polnischen Grenze schützen? Und hätte er nicht schon längst errichtet werden müssen?

Sauter-Louis: Ein möglichst wildschweinsicherer Zaun entlang der deutsch-polnischen ist erforderlich. Er ist geplant, ursprünglich mit der Ergänzung durch einen zweiten Zaun auf polnischer Seite. Auf deutscher Seite fehlte nach Auffassung der Länder zunächst eine ausreichende Rechtsgrundlage, um Privateigentümer zu verpflichten, den Zaunbau auf ihrem Grund und Boden zu dulden. Denn die Flächen, auf denen der Zaun errichtet werden muss, befinden sich nicht alle im Eigentum der öffentlichen Hand.

Nach dem Auftreten der ASP besteht nun über die Schweinepestverordnung die Möglichkeit, feste Zäune in den Restriktionsgebieten zu errichten. Dieser Zaunbau läuft bereits auf Hochtouren; sowohl in Mecklenburg-Vorpommern als auch in Brandenburg stehen schon große Teile des Zaunes.

Allerdings bietet der Zaun keinen 100 %-gen Schutz. Selbst wenn er Wildschweine komplett abhalten würde, kann der Erreger immer noch von Menschen über hunderte von Kilometern verschleppt werden. Der Zaun ist aber eine wichtige Maßnahme in einem Gesamtpaket mit vielen verschiedenen Komponenten, zu denen auch die Biosicherheit auf Schweine haltenden Betrieben gehört.

Es ist jetzt wichtiger denn je, dass jeder Schweinehalter den eigenen Betrieb bestmöglich schützt! Die Einhaltung der Vorgaben der Schweinehaltungs-Hygieneverordnung sind Mindestanforderungen. Jeder Schweinehalter sollte darüber hinaus überlegen, welche Schutzmaßnahmen er noch zusätzlich umsetzen kann. Mit der ASP-Risikoampel, welche die Uni Vechta gemeinsam mit dem FLI entwickelt hat, lässt sich zum Beispiel die Biosicherheit des eigenen Betriebes überprüfen und optimieren.

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