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topplus Afrikanische Schweinepest in Brandenburg und Sachsen

ASP-Restriktionsgebiete: „Hier wird der Tierschutz mit Füßen getreten“

Der Maststall der Averkamp KG liegt im ASP-Restriktionsgebiet. Die Schweine wachsen aus den Abrechnungsmasken und es droht ein massives Tierschutzproblem. Doch Hilfe ist nicht in Sicht.

Lesezeit: 6 Minuten

Alle Schweinehalter in Deutschland leiden unter den Folgen der Afrikanischen Schweinepest (ASP). Besonders hart trifft es jedoch die Veredlungsbetriebe in den betroffenen Restriktionszonen in Brandenburg und Sachsen. top agrar sprach mit zwei Mästern vor Ort über ihre Nöte. (Lesen Sie hier den ersten Teil des Beitrags "Unser Stall steht seit sechs Monaten leer").

Im Moment stehen in unseren Mastställen 1.250 schlachtreife Schweine, die zwischen 170 und 180 kg auf die Waage bringen. Die Tiere sind bereits deutlich aus der Abrechnungsmaske gewachsen, doch wir haben keine Möglichkeit, die Schweine zu vermarkten. In den Buchten wird es immer enger, und es droht ein massives Tierschutzproblem, aber niemand will uns helfen. Hier wird der Tierschutz mit Füßen getreten“, beklagt Schweinemäster Matthias Averkamp aus Gusow-Platkow im brandenburgischen Landkreis Märkisch-Oderland.

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Schweinemast und Biogas

Der 30-jährige Unternehmer ist Geschäftsführer der Averkamp KG, an der seine aus dem westlichen Münster­land stammende Familie Anteile hält. Die Kommanditgesellschaft betreibt in Brandenburg einen Schweinemastbetrieb mit 5.000 Plätzen und angeschlossener 1,5 MW-Biogasanlage, die mit Schweinegülle, Silomais, Zuckerrübenblatt und Geflügelkot gespeist wird. Die Mastläufer, eine Kreuzung aus dänischen Sauen und Piétrainebern, stammen aus dem elterlichen Betrieb in Velen. Und das Futter für die Schweine wird überwiegend auf den 500 ha Ackerflächen rund um den Betrieb angebaut, die sich zum Teil im Eigentum der KG befinden oder gepachtet sind.

Die Probleme begannen am 30. September 2020, als in rund 18 km Entfernung vom Mastbetrieb das erste ASP-positive Wildschwein im Landkreis Märkisch-Oderland gefunden wurde. „Unser Betrieb lag zunächst im Beobachtungsgebiet, gehörte dann kurzfristig zur Pufferzone, rutschte durch neue ASP-Funde Anfang 2021 wieder ins Beobachtungsgebiet und gehört aktuell zur Weißen Zone, die langfristig wildschweinfrei werden soll“, berichtet der junge Unternehmer. Die Grenze zum Kerngebiet ist zurzeit gerade mal 500 Meter Luftlinie vom Maststall entfernt. „Mit den Vermarktungsauflagen für die Schweine, die sich dadurch ergaben, konnten wir noch leben. Bei jedem Schwein, das wir nicht mehr wie bisher nach Weißenfels oder Perleberg verkaufen konnten, sondern nur noch nach Kellinghusen in Schleswig-Holstein, fehlten uns aufgrund der Abzüge, des Transportaufschlags und der Untersuchungsgebühren zwar 20 bis 25 €. Aber wir konnten zumindest verkaufen und der Verlust war kalkulierbar“, bringt es Averkamp auf den Punkt.

Kein Abnehmer zu finden

Richtig kritisch wurde die Situation jedoch, als am 16. Juli 2021 in acht Kilometer Luftlinie die ersten ASP-Fälle bei Hausschweinen im Landkreis entdeckt wurden. Dadurch rutschte der Betrieb zusätzlich in die Sperrzone III. „Es herrscht zwar kein allgemeines Verbringungsverbot für die Schweine, aufgrund der hohen Auflagen beim Schlachten will unsere Tiere jedoch kein Schlachthof haben“, erläutert Averkamp.Dadurch wurden die Schweine bis zu 150 kg schwer. „Zum Glück hat das Land Brandenburg die Auflagen für die Sperrzone III nach vier Wochen aufgehoben, sodass wir zumindest einen Teil der überschweren Schweine verkaufen konnten, wenn auch mit gehörigen Abzügen“, schildert Matthias Averkamp. Das Glück währte allerdings nur zwei Wochen. Denn am 7. September widerrief die EU-Kommission die Aufhebung des Landes Brandenburg. Die Vermarktungsauflagen gelten also mindestens bis zum 25. Oktober weiter.

„Durch die kurzfristige Aufhebung hat es im Stall etwas Platz gegeben, sodass wir die Belegdichte in den Buchten vermindern konnten. Aktuell haben wir jedoch 1.250 Schweine, die bis zu 180 kg wiegen. Und 500 weitere Tiere aus der nächsten Gruppe haben auch schon 150 kg auf den Rippen“, beklagt Matthias Averkamp. Das Problem: So schwere Schweine lassen sich nur noch nach Schlachtsauennotierung vermarkten. Und da betrug der Basispreis bei Redaktionsschluss gerade mal 55 Cent. „Unter dem Strich machen wir an jedem Tag, an dem die Auflagen für die Sperrzone III gelten, rund 4.000 € Verlust. Zudem haben wir ein Platz- und Tierschutzproblem“, schildert Averkamp. „Eigentlich müsste der Staat die schweren Schweine aufkaufen und schlachten oder keulen lassen! Davon will man aber weder in Potsdam noch in Berlin etwas wissen“, empört sich der junge Betriebsleiter, der sich von der Politik im Stich gelassen fühlt.

Schlachthöfe vergattern

Langfristig will Matthias Averkamp in der Anlage auf jeden Fall weiter Schweine mästen, allein schon wegen der Gülle für die Biogasanlage. Denn um in den Genuss des Güllebonus zu kommen, muss das Substrat für die Biogasanlage mindestens 30 % Gülle enthalten. „Außerdem möchten wir Arbeitsplätze unserer Angestellten erhalten“, sagt Averkamp. „Auf jeden Fall brauchen wir klare Regelungen, wie beim nächsten ASP-Ausbruch in einem Hausschweinebestand vorgegangen werden soll. Notfalls muss der Bund einen Schlachthof dazu vergattern, die schweren Schweine aus den Restriktionsgebieten abzunehmen, egal was es kostet. Denn das Problem wird die Wirtschaft allein und auf freiwilliger Basis nicht lösen können“, steht für Matthias Averkamp fest.

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K O M M E N T A R

Wegducken löst keine Probleme!

„Dafür fehlt uns die Rechtsgrundlage“ oder „Dafür sind wir nicht zuständig“: Das sind die beiden häufigsten Antworten, die die von der ASP gebeutelten Schweinehalter in Brandenburg und Sachsen von den für die Seuchenbekämpfung zuständigen Behörden und vom Bund zu hören bekommen. Das ist nicht nur frustrierend angesichts der existenzbedrohenden Lage, in der sich die Landwirte befinden. Es ist zudem auch brandgefährlich, wenn die direkt von einem ASP-Ausbruch betroffenen, gekeulten Betriebe finanziell besser dastehen, als ihre Berufskollegen in den Restriktionsgebieten, die ihre aus den Masken gewachsenen Schweine entweder gar nicht mehr oder nur noch zu Schleuderpreisen verkaufen können.

Keine Frage: Die Behörden in den von der ASP betroffenen Landkreisen geben ihr Bestes. Doch muss jeder Kreis immer aufs Neue eigene Erfahrungen bei der Pestbekämpfung sammeln, während sich die Seuche weiter nach Westen ausbreitet? In Seuchen- und Pandemiezeiten zeigen sich die Schwächen unseres föderalistischen Systems nur allzu deutlich.

Die ASP ist eine nationale bzw. EU-weite Bedrohung! Deshalb braucht es eine effektive, nationale Koordinierung der Bekämpfungsmaßnahmen durch den Bund. Wir brauchen eine schnelle Eingreiftruppe von ASP-Experten, die die Maßnahmen vor Ort koordinieren. Wir brauchen ein Soforthilfeprogramm, das die von den Sperrmaßnahmen ­betroffenen Schweinehalter finanziell auffängt. Und es muss klar geregelt werden, was mit den überschweren Mastschweinen und Ferkeln aus den Restriktionsgebieten passiert! Notfalls muss der Bund Anreize für die Schlachthöfe bieten, damit sie diese Tiere abnehmen. Das kann die Wirtschaft allein nicht regeln! So weit reicht die Solidarität unter den Schlachtern und gegenüber den Landwirten nicht, schon gar nicht in der derzeitigen Preiskrise! Wegducken löst keine Probleme! Bleibt nur die Hoffnung, dass die neue Bundesregierung couragierter vorgeht und endlich das Heft in die Hand nimmt!

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