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topplus Umbau Nutztierhaltung

„Beim Thema Tierwohl-Finanzierung blockiert die FDP nirgendwo“

Niedersachsen ist Veredelungsstandort Nr. 1 in Deutschland. Trotz der starken Viehhaltung lehnt die FDP-Landtagsfraktion eine Erhöhung der Mehrwertsteuer zum Umbau der Tierhaltung ab.

Lesezeit: 8 Minuten

Im Interview mit top agrar sprechen sich der Fraktionsvorsitzende der FDP-Fraktion im Niedersächsischen Landtag, Dr. Stefan Birkner, und der Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Hermann Grupe, für eine privatwirtschaftliche Fondslösung zur Finanzierung des Umbaus der Nutztierhaltunghin zu mehr Tierwohl aus.

Bei der Bundestagswahl hat die FDP überdurchschnittlich viele Stimmen von Landwirten erhalten. Warum fällt Ihre Partei den Bauern nun in den Rücken, indem sie den Umbau der Nutztierhierhaltung blockiert – Stichwort Finanzierungsfrage?

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Birkner: Das tun wir nicht. Im Gegenteil, wir wollen endlich verlässliche Rahmenbedingungen schaffen. Ein umfassendes Konzept des BMEL, das Kennzeichnung, Baurechtsänderung und Finanzierung einschließt, liegt aber noch nicht vor. Ergo kann die FDP nirgendwo blockieren.

Und für die prekäre Lage der Tierhalter ist maßgeblich die falsche Politik der vergangenen Jahre auf Bundesebene verantwortlich. Die Kosten wurden durch immer neue, teils unsinnige Auflagen in die Höhe getrieben. Auf diese Weise haben Union und SPD für massive Wettbewerbsnachteile bei deutschen Landwirten gesorgt.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die FDP-Bundestagsfraktion die Erhöhung der Mehrwertsteuer zur Finanzierung des Umbaus der Tierhaltung kategorisch ablehnt. Das ist doch eine klassische Blockade, oder?

Birkner: Die Erhöhung der Mehrwertsteuer ist nur eine von vielen auf dem Tisch liegenden Finanzierungsmöglichkeiten. Aus unserer Sicht ist eine Erhöhung der Mehrwertsteuer nicht Voraussetzung für die Weiterentwicklung der Tierhaltung.

„Die Verwendung der MwSt. müsste der Bundestag jedes Jahr neu beschließen“

Fachleute sehen in der Erhöhung der Mehrwertsteuer auf tierische Produkte das geeignetste Finanzierungsmodell. Wie positioniert sich die niedersächsische FDP-Landtagsfraktion in Deutschlands Veredelungsland Nr. 1 zu diesem Thema, teilen Sie die Meinung der Bundeskollegen?

Grupe: Die Anhebung der Mehrwertsteuer auf tierische Produkte würde zu einer Erhöhung des allgemeinen Steueraufkommens führen und dem Bundeshaushalt zufließen. Der Bundestag als Haushaltsgesetzgeber müsste dann Jahr für Jahr beschließen, dass die auf diese Weise eingenommenen Mittel der Weiterentwicklung der Tierhaltung zugutekommen sollen. Der Aufwand ist beträchtlich und birgt große Risiken.

Die Vergangenheit hat doch schon häufiger gezeigt, dass ständig neue Begehrlichkeiten entstehen, die finanziert werden wollen und in Konkurrenz zu aktuellen Vorhaben wie der Weiterentwicklung der Tierhaltung stehen. Und gerade zeigt uns der Krieg in der Ukraine, dass sich politische Prioritäten, auch bezogen auf den Haushalt, über Nacht ändern können. Was die Landwirte aber brauchen, ist eine verlässliche Finanzierungsgrundlage über die kommenden Jahre und Jahrzehnte. Deshalb teilen wir als niedersächsische FDP-Landtagsfraktion die Auffassung unserer Kollegen aus dem Bund.

Welches Finanzierungsmodell favorisieren Sie und welche Vorteile sehen Sie darin?

Grupe: Eine privatwirtschaftliche Fondslösung hätte den Vorteil, dass Geldmittel über eine Tierwohlumlage zweckgebunden eingenommen und an die Landwirte ausgeschüttet werden könnten. Die geforderte Verlässlichkeit wäre damit gegeben.

Dass ein solches staatsfernes Modell EU-rechtlich unbedenklich ist, ist ein weiterer Vorteil. Außerdem kann auf diese Weise auf Erfahrungen bestehender Einrichtungen wie der Initiative Tierwohl (ITW) zurückgegriffen werden. Sie hat uns gezeigt, dass Verbesserungen im Tierwohl auf breiter Basis privatwirtschaftlich mit einem überschaubaren Verwaltungsaufwand im Markt umgesetzt werden können.

Das Modell Initiative Tierwohl zeigt aber auch, dass sich die Zwischenstufen gerne einen Teil der Gelder „abzwacken“. Sie begründen das mit höherem Sortieraufwand und Ähnlichem. Am Ende steigen die Kosten dadurch unnötig an. Was sagen Sie zu diesem Problem?

Grupe: Entscheidend für den Erfolg ist, dass das Geld auf den Höfen ankommt. Die Initiative Tierwohl hat Verbesserungen in der Tierhaltung in einem großen Umfang im Markt umgesetzt und damit bewiesen, dass sie erfolgreich ist. Dass ein höherer Aufwand der weiteren Akteure im Markt ebenfalls vergütet wird, ist dafür kein Hindernis. Die entscheidende Frage ist hier die nach den Alternativen. Der Staat hat in der Vergangenheit nicht gerade bewiesen, dass er finanzielle Mittel effizient einsetzt, wenn etwa große Summen in Verwaltungsstrukturen versickern und nicht an den entscheidenden Stellen ankommen.

„Eine höhere MwSt. würde Tierwohlfleisch zusätzlich verteuern“

Es liegt der Vorschlag auf dem Tisch, auf die Subventionierung tierischer Lebensmittel durch den verminderten Steuersatz zu verzichten. Dadurch könnte der Umbau zu einem Großteil finanziert werden. Wie steht die FDP in Niedersachsen dazu? Im Bund spricht sich ihre Partei bislang vehement gegen den Subventionsabbau aus.

Birkner: Auf tierische Lebensmittel gilt genauso wie bei anderen Produkten des Grundbedarfs der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von 7 %. Hiervon profitieren alle Bürger gleichermaßen. In diesem Zusammenhang von Subventionierung zu sprechen, ist genauso falsch, wie es das bei der Debatte um den Agrardiesel ist. Auch dort handelt es sich um eine geringere Besteuerung aus guten Gründen und nicht um eine Subventionierung.

Eine höhere Mehrwertsteuer hätte mit Sicherheit Nachteile für die Landwirte. Fleisch würde insgesamt teurer und der Unterschied zwischen preiswerterer Ware und Tierwohlprodukten würde sich erhöhen, weil der Aufschlag bei einem höheren Preis prozentual höher ausfällt. Das hätte definitiv Auswirkungen auf die Nachfrage durch die Konsumenten.

Landwirte brauchen für die Finanzierung der höheren laufenden Kosten eine langfristige Absicherung. Jochen Borchert sagt, dass die Sicherheit nur mit staatlichen Verträgen garantiert werden kann. Sehen Sie das in Niedersachsen genauso?

Grupe: Herr Borchert hat vollkommen Recht, das gilt aber unabhängig von der Wahl der Finanzierung. Wer in einen neuen Stall oder einen Umbau investiert, muss sich sicher sein können, dass während der Abschreibungsdauer der Baumaßnahme keine neuen nationalen Anforderungen draufgesattelt werden, die abermals Investitionen nötig und die Kalkulation durch den Landwirt hinfällig machen.

Die Ampelkoalition in Berlin will zunächst mit der Investitionsförderung anfangen und bis Ende dieses Jahres auch ein Modell für die Betriebskosten präsentieren. Was raten Sie Ihren Kollegen im Bund im Hinblick auf die Finanzierung der laufenden (variablen) Kosten, die etwa 80 % der Mehrkosten ausmachen?

Birkner: Ihre Frage ist völlig berechtigt. Denn bei aller Diskussion über Hilfen zum Umbau wird in der Tat vergessen, dass der Löwenanteil der Kosten nicht die Abschreibung für den neuen Stall ist, sondern die laufenden Kosten im Betrieb der Investition. Nehmen wir folgendes Beispiel: Eine Abferkelbucht mit 6,5 m² Grundfläche braucht 62 % mehr Reinigungswasser, Desinfektionsmittel, Arbeitszeit, Energie für Licht und Wärme als eine mit 4 m², die derzeit dem EU-Standard entspricht.

Die Landwirtschaftskammer Niedersachsen beziffert die Mehrkosten für ein deutsches Schwein, fertig verarbeitet, auf ca. 50 € pro Tier gegenüber dem Wettbewerb. Wenn die höheren Kosten in Zukunft so bleiben, sinkt die Selbstversorgung mit deutschen Ferkeln, die mittlerweile bei nur noch 70 % liegt, weiter. Hinsichtlich dieser Problematik stehen wir in engem Austausch mit den Berliner Kollegen.

„Nur ein Haltungskennzeichen macht den Mehrwert sichtbar“

Der Verbraucher fordert höhere Standards, wirft seine guten Vorsätze an der Ladenkasse dann aber schnell über Bord. Wie wollen Sie dieses Problem lösen?

Grupe: Die Lösung wäre die Einführung eines Tierhaltungskennzeichens. Ausreden wären dann nicht mehr möglich, weil der Kunde im Supermarkt sofort erkennt, wie die Tiere gehalten wurden. Nur das Kennzeichen schafft die Voraussetzung dafür, dass höhere laufende Kosten auch vom Markt getragen werden, weil der Mehrwert sichtbar ist.

Der Landwirt wäre dem Verbraucher bei dieser Lösung aber heillos ausgeliefert. Richtig?

Grupe: Was ist die Alternative? Würden die gesamten Mehrkosten z.B. allein vom Staat getragen, nähme die Abhängigkeit der Landwirtschaft von zukünftigen politischen Entscheidungen weiter zu. Falsche politische Entscheidungen und nationale Alleingänge haben doch in den letzten Jahren dafür gesorgt, dass die Landwirte nicht mehr frei am Markt agieren können. Diesen Weg dürfen wir nicht weiter beschreiten, sondern müssen zurückkehren zu verlässlichen Rahmenbedingungen und mehr Unabhängigkeit der Landwirte.

„Eine nationale Kennzeichnungspflicht mit 5xD muss schnell kommen“

Die Ampelkoalition will noch in diesem Jahr eine Haltungskennzeichnung verabschieden. Bei der Herkunftskennzeichnung verweist man auf EU-rechtliche Bedenken. Wie beurteilen Sie in Niedersachsen die Diskussionen?

Birkner: Unterschiedliche Standards muss der Verbraucher mittels Herkunftskennzeichnung erkennen können. Denn wir wollen keine weitere schleichende Verdrängung der heimischen Landwirtschaft aus dem Markt. Unserer Einschätzung nach ist es möglich, die Kennzeichnungspflicht national auszuweiten, so wie es Frankreich getan hat. Diese Möglichkeiten müssen auch wir in Deutschland nutzen, die Herkunftskennzeichnung mit 5xD muss schnell kommen. Das gilt auch für verarbeitete Waren und in der Gastronomie.

Darüber hinaus ist es wichtig, eine vollumfassende verpflichtende Herkunftskennzeichnung auf europäischer Ebene zu forcieren. Es liegt aber in der Natur der Sache, dass Ergebnisse hier länger brauchen, weil alle Mitgliedsstaaten zustimmen müssen. Nationale und europäische Lösungen gehen hier Hand in Hand.

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