Das Land Berlin hält zentrale rechtliche Anforderungen an die Schweinehaltung in der deutschen Landwirtschaft für verfassungswidrig. Daher hat die Landesregierung im Januar 2019 einen Normenkontrollantrag beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Mit einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts rechnet das Land nun im Jahr 2022, teilt der Berliner Verbraucherschutzsenator Dirk Behrendt (Grüne) am Dienstag mit.
Gleichzeitig veröffentlichte das Land seine Klageschrift. Der Normenkontrollantrag vor dem Bundesverfassungsgericht richtet sich gegen Regelungen der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung. Berlin greift darin in mehreren Punkten geltende rechtliche Standards in der Schweinehaltung an. Dazu zählen das Platzangebot, der Bodenbelag, die Fütterung ohne Raufutter, die Grenzwerte für die Stalltemperatur und für Schadgase sowie die Möglichkeiten für artgerechtes Verhalten wie Wühlen und Nestbauen.
Erweiterung der Klage auf Übergangszeiten vom Kastenstand
Der Senat betont an diesem Dienstag, dass er sich aber insbesondere gegen die mehrwöchige Fixierung von Sauen in Kastenständen (Kastenstandhaltung) wendet. Nachdem im Februar 2021 die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung mit der Einschränkung der Haltung im Kastenstand geändert wurde, hat Berlin seine Klage im Mai auch auf die dort vereinbarten Übergangszeiten ausgeweitet. Danach ist die Kastenstandhaltung im Deckbereich für weitere acht Jahre möglich. Für den Abferkelbereich gibt es eine Übergangszeit von 15 Jahren.
„Es ist unethisch und inakzeptabel, wie wir heutzutage Schweine halten. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir die Verhältnisse in den Schweineställen überwinden und das Bundesverfassungsgericht die Haltungsbedingungen kippt“, sagte Verbraucherschutzsenator Behrendt am Dienstag. Vorbild ist für Behrendt das Legehennen-Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1999. „Damit wurde die Hühnerhaltung im Sinne des Tierschutzes revolutioniert. Jetzt ist die Schweinehaltung an der Reihe“, so Behrendt.
Bundesregierung muss bis Ende Oktober Stellung nehmen
Vor der Bundesverfassungsgerichtsbefassung müssen die Bundesregierung, der Bundestag und der Bundesrat zu der Klage angehört werden. Die Institutionen haben für ihre Stellungnahmen zu der Klage vom Gericht eine Frist bis Ende Oktober erhalten, heißt es beim Verbraucherschutzsenat heute.