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Borchert: „Die Bauern müssen den Umbau der Tierhaltung wollen“

Trotz Machbarkeitsstudie bleibt der politische Widerhall zum Umbau der Tierhaltung verhalten. Jochen Borchert hofft, dass der Wahlkampf die Pläne positiv befeuert und fordert eine zügige Umsetzung.

Lesezeit: 7 Minuten

Vor drei Wochen gab eine Machbarkeitsstudie grünes Licht für die rechtliche Umsetzung der Borchert-Pläne zum Umbau der Tierhaltung. Nach dem ersten medialen Echo haben sich die politischen Bemühungen um den Plan wieder abgekühlt. Der treibende Kopf hinter den Vorschlägen, der Vorsitzende des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung Jochen Borchert, erläutert im Interview, warum er weiter für eine zügige Umsetzung kämpft.

top agrar: Herr Borchert, wie bewerten Sie die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie?

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Borchert: Ich bin positiv beeindruckt. Die Machbarkeitsstudie ist ja zu dem Ergebnis gekommen, dass die Empfehlungen des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung (KNW) umsetzbar sind. Natürlich gibt es noch Einzelheiten zu klären, die Punkte sind laut Aussage der Rechtsanwälte aber lösbar.

In der Machbarkeitsstudie stehen ­verschiedene Finanzierungsmodelle. Welches favorisieren Sie?

Borchert: Da lege ich mich noch nicht fest. Wir werden das zuerst in der Kommission beraten. Fakt ist aber, dass der administrative Aufwand bei der Erhebung der Verbrauchssteuer groß ist. Zudem sehe ich Probleme, dass wir bei diesem Modell ­gegebenenfalls Landwirte in anderen EU-Ländern fördern müssen. Die Anhebung der Mehrwertsteuer bei tierischen Produkten von 7 auf 19 % ist viel einfacher. Wie einfach das gehen kann, zeigt uns die Erhöhung der MwSt. in der Coronakrise. ­Alternativ könnten wir auch den MwSt.-Satz auf alle Lebensmittel erhöhen. Und zwar von 7 auf ca. 10 %.

Diskutiert wird auch über eine Ergänzungsabgabe auf die Einkommenssteuer. Welche Chance hat das Modell?

Borchert: Europa- und verfassungsrechtlich ist der sogenannte Fleisch-Soli überhaupt kein Problem. Abwarten muss man, was die Abgeordneten sowie die Finanz- und Haushaltspolitiker dazu sagen. Das könnte durchaus Gegenwind geben, denn wir haben ­gerade erst den Soli für den Aufbau Ost abgeschafft.

Beim Soli würden Geringverdiener ­weniger stark belastet, Gutverdiener zur Kasse gebeten. Richtig?

Borchert: Das ist so. Denn ein an die Einkommenssteuer gekoppelter Soli in Höhe von z. B. 1 % entlastet die ein­kom­mensschwachen Schichten und bit­tet die Gutverdiener stärker zur Kasse.

Die Zahlungssicherheit kommt erst durch Verträge mit dem Staat.

Die Mehrwertsteuer ist nicht zweckgebunden. Wie bekommen die Landwirte dann langfristig sicher ihr Geld?

Borchert: Die Idee der Zweckbindung müssen wir aufgeben. Denn damit ist erstens das Problem der Diskriminierung von Produkten aus anderen Ländern verbunden. Zweitens kann die Zweckbindung vom Parlament jederzeit wieder aufgehoben werden. Die Zahlungssicherheit kommt erst durch Verträge mit dem Staat. Wenn dieser sich dazu verpflichtet, über einen bestimmten ­Zeitraum eine bestimmte Prämie für zuvor festgelegte Leistungen zu zahlen, dann kann der Landwirt sich darauf verlassen.

Wer wäre Vertragspartner für die Landwirte?

Borchert: Das könnte z. B. die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) sein. Der Bund könnte den Abschluss der Verträge auch an die Bundesländer delegieren, die wiederum die Landwirtschaftskammern oder ­andere Organisationen mit dem Abschluss der Verträge beauftragen. Für die Kammern spricht u. a., dass sie am besten beurteilen können, ob die Investition, für die der Landwirt eine För­derung beantragt, den Kriterien der jeweiligen Haltungsformstufe entspricht.

Muss der Landwirt mehrere ­Verträge abschließen?

Borchert: Ja, der Landwirt schließt zunächst einen Vertrag für die Investition ab. Vorbild ist z. B. die Förderung im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und Küstenschutz“. Der zweite Vertrag ­beinhaltet Regelungen zur Förderung der variablen Kosten.

Warum sollen staatliche Finanzierung bei Windrädern, Biogas- oder Photovoltaikanlagen in Ordnung sein, beim Umbau der Tierhaltung aber nicht?

Gerade Schweinehalter wollen nicht von staatlichen Zahlungen abhängig sein. Was entgegnen Sie ihnen?

Borchert: Viele Veredler sind stolze ­Besitzer von Windrädern, Biogas- oder Photovoltaikanlagen. Bei allen Modellen bekommen sie die Investition und die Kosten vom Staat finanziert. ­Warum ist das in diesen Geschäftsfeldern anscheinend in Ordnung, beim Umbau der Tierhaltung aber nicht?

Die Bioverbände befürchten Wett­bewerbsnachteile, wenn die höhere Mehr­wertsteuer auch für teurere Bioprodukte gilt. Ist die Sorge berechtigt?

Borchert: Die Sorge ist berechtigt, denn der Preis für Bioware steigt bei einer Anhebung der Mehrwertsteuer. Durch die Anpassung der Prämien können die Nachteile aber ausgeglichen werden.

Vor der Wahl sollte geklärt werden, wie die Verträge aus­sehen können.

In sechs Monaten ist Bundestagswahl. Was muss passieren, damit der Borchert-Plan nicht im Sande verläuft?

Borchert: Vor der Wahl sollte z. B. ­geklärt werden, wie die Verträge aus­sehen können. Hilfreich wäre auch, wenn die Bundestagsfraktionen bereits eine Grundsatzentscheidung über das ­Finanzierungsmodell fällen. Das Gesetz zur Finanzierung könnte man dann nach der Wahl ausarbeiten.

Wird der Wahlkampf den Borchert-Plan sogar positiv befeuern?

Borchert: Davon gehe ich aus, der Ball liegt nun im Feld der Politik. Im Wahlkampf werden sich die politischen Parteien an ihrer Haltung zum Entschließungsantrag im Bundestag messen lassen müssen. Das Parlament hat ja mit breiter Mehrheit – weit über die Koalition hinaus – beschlossen, die Empfehlungen des Kompetenznetzwerks in Gänze umzusetzen. Nur weil Wahlkampf ist, kann keine Partei plötzlich sagen, dass der Entschließungsantrag nicht mehr gilt. Auch die Bundesländer haben den Empfehlungen einstimmig zugestimmt. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, die Empfehlungen zeitnah umzusetzen.

Was passiert, wenn die Pläne scheitern?

Borchert: Wenn wir die Nutztierhaltung nicht selbst umbauen, müssen wir mit neuen Gerichtsurteilen rechnen. Die Gerichte werden dann höhere Haltungsstandards erzwingen. Ein finanzieller Ausgleich wird dann schwierig.

Die Politik muss erkennen, dass die Landwirte beim Umbau der Tierhaltung mitziehen.

Viele Bauern sind skeptisch. Was wollen Sie tun, um Begeisterung auszulösen?

Borchert: Entscheidend ist, dass die Bauern deutlich machen, dass sie die Umstellung wollen. Die Politik muss das Gefühl haben, dass die Bauern hinter den Plänen stehen. Dafür müssen wir den Bauern noch besser erklären, was wir vorhaben. Welche Auflagen müssen sie erfüllen? Wie sieht das Erlösmodell aus? Wie wird sichergestellt, dass sich der Umbau auch für den Landwirt lohnt? Hier sind die Verbände gefragt. Wir müssen auch noch mal über den Förderanteil reden. Bleibt es bei 80 oder 90 %, werden eher die leistungsstarken Betriebe mitmachen. Die Politik muss erkennen, dass die Landwirte beim Umbau der Tierhaltung mitziehen.

Künftig werden weiterhin diejenigen Landwirte höhere Gewinne haben, die erfolgreich am Markt agieren.

Sie sprachen das Erlösmodell an. Wie sieht dieses genau aus?

Borchert: Die Einnahmen bestehen aus zwei Segmenten. Zum einen aus den Markterlösen, die sich u. a. aus Angebot und Nachfrage ergeben. Es wird also auch in Zukunft Preisschwankungen geben. Zum anderen aus der festen Tierwohlprämie, die die höheren Kosten abdeckt. Künftig werden also weiterhin diejenigen Landwirte höhere Gewinne haben, die erfolgreich am Markt agieren. Leistung wird honoriert.

Wir legen heute fest, wie 2040 Ställe aussehen. Brauchen wir Öffnungsklauseln, um nachjustieren zu können?

Borchert: Das macht Sinn. Denn sollten sich die politischen Rahmenbe­dingungen oder die gesellschaftlichen Erwartungen weiter verändern, muss die Förderung angepasst werden können. Das gilt natürlich auch beim Thema Stallbau. Wir müssen auch in Zukunft zu jeder Zeit in der Lage sein, in moderne Ställe und Haltungsverfahren zu investieren, die dem Stand der Technik entsprechen.

Unklar ist bislang, ob alle Betriebs­formen gefördert werden, also auch gewerbliche Betriebe?

Borchert: Wir schlagen die Förderung für alle Betriebe vor, unabhängig von der Flächenbindung.

Der Bestandsabbau trifft uns viel stärker, wenn wir nichts machen.

Viele Bauern befürchten einen starken Bestandsabbau, sollte der Borchert-Plan kommen. Teilen Sie die Sorgen?

Borchert: Der Bestandsabbau trifft uns viel stärker, wenn wir nichts machen. Denn dann werden die staatlichen Vorgaben erhöht und wir verlieren unsere Wettbewerbsfähigkeit. Wie hoch der Rückgang am Ende sein wird, kann ich nicht sagen. Viel hängt davon ab, ob das Bau- und Umweltrecht künftig den Bau von Tierwohlställen zulässt.

Den Sauenhaltern drohen ständige Umbaumaßnahmen. So soll die Säugedauer ab 2030 bei 25 Tagen liegen, ab 2040 bei 28 Tagen. Muss die ­Ferkelerzeugung nicht so gefördert werden, dass die Betriebe vom Start weg in Stufe 2 rutschen?

Borchert: Das muss unser Ziel sein. Zumal wir dann eine durchgängige Garantie einer tierwohlgerechten ­Haltung haben und wir nicht noch mehr Ferkelerzeuger verlieren.

Wie weit sind die Beratungen zur ­Rinderhaltung fortgeschritten?

Borchert: Die Arbeitsgruppen haben ihre Vorschläge vorgelegt, jetzt werden wir im Kompetenznetzwerk darüber sprechen.

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