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Bremst QS die deutschen Ferkelerzeuger aus?

Warum will das QS-System auch ausländische Ferkel akzeptieren, die unter anderen Standards kastriert wurden als bei uns? top agrar sprach mit dem QS-Geschäftsführer Dr. Hermann-Josef Nienhoff.

Lesezeit: 5 Minuten

Die angekündigten Änderungen der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV) erhöhen die Auflagen für deutsche Ferkelerzeuger erheblich. Aus dem Ausland will QS aber auch Ferkel mit niedrigeren Standards akzeptieren. Warum?

Nienhoff: Genau das wollen wir nicht. Im Gegenteil: Wir verlangen von allen lieferberechtigten Betrieben, dass sie sämtliche QS-Anforderungen erfüllen. Das gilt für Systempartner in Deutschland ebenso wie für die im Ausland. Die vom Gesetzgeber kürzlich beschlossenen Änderungen der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung werden zu gegebener Zeit ins QS-System aufgenommen und die QS-Gremien werden sich mit den Details entsprechend beschäftigen.

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Die Änderungen im QS-System müssen dann auch von den anerkannten Standards entsprechend umgesetzt werden. Und wie sieht es bei den Anforderungen zur Ferkelkastration ab dem 1. Januar 2021 aus?

Nienhoff: Im Rahmen vertraglich vereinbarter, gegenseitiger Anerkennungen akzeptieren wir von unseren Partnern aus dem Ausland nur Standards, die mindestens gleichwertig sind. Das heißt konkret für die Kastration:

Die lieferberechtigten Ferkelerzeugerbetriebe aus Dänemark und den Niederlanden müssen gleichwertige Methoden der Schmerzausschaltung bzw. Betäubung anwenden wie ihre deutschen Berufskollegen - Nienhoff

Fakt ist, dass die deutsche Ministerialverwaltung das Tierschutzgesetz durch die Formulierung „vollkommene Schmerzausschaltung“ sehr einseitig auslegt. Dadurch sind die Handlungsmöglichkeiten der deutschen Ferkelerzeuger stark eingeschränkt. Es kommen als Betäubungsverfahren zur Ferkelkastration nur die Isoflurannarkose und die Injektionsnarkose infrage.

In den Niederlanden ist nur die CO2- Narkose und in Dänemark die lokale Betäubung zugelassen. Die deutschen Ferkelerzeuger fürchten Wettbewerbsnachteile und for-dern daher gleiche Kastrationsvorgaben für alle. Was spricht dagegen?

Nienhoff: Von staatlicher Seite wird es keinerlei Einfuhrbeschränkung für Fer-kel geben, die bei der Kastration nicht nach deutschem Recht betäubt wurden. Denn das wäre nicht mit dem Grundsatz des freien Warenverkehrs im gemeinsamen europäischen Markt vereinbar. Deshalb ist QS jetzt damit konfrontiert, die Kastrationsvorgaben rechtlich, aber auch marktorientiert vernünftig umzusetzen. Dabei wollen wir funktionierende Märkte und ge-wachsene Geschäftsbeziehungen wenn es geht fördern und nicht behindern.Aus diesem Grund haben wir die Vereinbarungen mit den anerkannten Standards in den Niederlanden und in Dänemark angepasst. Wir werden auch ausländische Ferkel im QS-System akzeptieren, die zum Kastrieren mit gleichwertigen Methoden der Schmerzausschaltung bzw. Betäubung behandelt wurden.

Die in Dänemark zugelassene lokale Betäubung mit Procain führt aber nicht zu der bei uns per Gesetz gefor-derten Schmerzausschaltung. Sie ist daher auch nicht mit den deutschen Vorgaben vergleichbar, oder?

Nienhoff: Das deutsche Tierschutzge-setz verlangt wörtlich „...unter wirksamer Schmerzausschaltung (Betäu-bung)...“! Die von der deutschen Ministerialverwaltung jetzt geforderte „vollständige“ Schmerzausschaltung ist eine eigenmächtige Auslegung des Gesetzestextes und verhindert bisher auch die in meinen Augen geeignete Lokalanästhesie. Nach unserer Lesart und Auslegung des Tierschutzgesetzes ist die lokale Betäubung vergleichbar.

Es ist ausländischen Ferkelerzeugern aber auch nicht verboten, die deutschen Betäubungsvorgaben für die Kastration freiwillig zu erfüllen. Was hindert Sie daran, das zu fordern?

Nienhoff: Die Frage ist, ob die nationale Gesetzgebung im Herkunftsland die Umsetzung der deutschen Vor-gaben überhaupt zulässt. Tatsache ist, dass die Verabreichung von Isofluran durch den Landwirt in Dänemark und in den Niederlanden weder aktuell noch auf absehbare Zeit Aussicht auf Zulassung hat. Andere Methoden, wie die CO2-Narkose in den Nieder-landen oder die lokale Betäubung in Dänemark sind dagegen erlaubt und können daher von QS als auch als Mindestvoraussetzung für die Lieferberechtigung verlangt werden.

Was könnte denn passieren, wenn QS den lokal oder mit CO2-betäubten Ferkeln aus dem Ausland den Zugang zum QS-System verwehrt?

Nienhoff: Das europäische Recht gibt QS nicht den Spielraum, die im europäischen Ausland gesetzlich zulässigen, vergleichbaren Methoden auszuschließen. Wir können daher auch nicht den so betäubten und kastrierten Ferkeln den Zugang zum QS-System verwehren. Das gilt insbesondere dann, wenn der Ausschluss auf den Schutz der hiesigen Ferkelerzeuger vor ökonomischen Nachteilen gegen-über ihren ausländischen Berufskollegen ausgerichtet wäre. Wenn QS das dennoch tut, könnte die EU-Kommission ein Verfahren ge-gen QS einleiten. An dessen Ende könnte dann nicht nur die Aufhebung des Ausschlusses stehen, sondern es könnten auch finanzielle Strafen ausge-sprochen und Schadenersatzforderungen gegen QS geltend gemacht werden. Das würde niemandem helfen und nimmt uns jeden Handlungsspielraum.

Fürchten Sie, dass dem QS-System am Ende zu viele Schlachtschweine fehlen?

Nienhoff: Mindestens 20 % der Ferkel, die zurzeit in Deutschland gemästet werden, stammen aus dem angrenzenden europäischen Ausland. Rechnen wir die 3,5 Mio. Schlachtschweine hinzu, die wegen Nichtumsetzung der QS-Anforderungen bei der Ferkelerzeugung in den Ursprungsländern ebenfalls nicht mehr importiert werden dürften, würden im QS-System unter dem Strich jährlich rund 14 Mio. Schlachtschweine fehlen. Das entspricht etwa 30 % der in Deutschland insgesamt abgesetzten Menge an Schweinefleisch. Eine solches Vorgehen würde die Ausrichtung von QS verändern und eine weitere Marktspaltung verur-sachen. Zudem wäre die jetzt startende dritte Programmphase der Initiative Tierwohl (ITW) so nicht mehr umsetz-bar, da uns die ausreichende Menge ITW-fähiger Schlachtschweine fehlt, wenn auf diesem Weg viele Mäster von der Teilnahme praktisch ausgeschlossen würden.

Befürchten Sie, dass der Lebensmitteleinzelhandel auf das QS-Prüfzeichen verzichtet, falls Sie den ausländischen Tieren den Zugang zu QS versperren?

Nienhoff: Ja, dass ist zu befürchten, denn immerhin rund 30 % der in Deutschland geschlachteten Schweine werden im Ausland geboren. Aber nicht nur der Lebensmitteleinzelhandel muss dann auf QS verzichten, sondern auch die deutschen Schweinemäster und die Fleischwirtschaft. Das führt zu höheren Kosten, zu einer weiteren Spaltung des Marktes und entzieht allen Wirtschaftsbeteiligten erhebliche Marktchancen – im heimischen Markt ebenso wie im Export. Allen Beteiligten im QS-System würde so die Chance genommen, gleichwertige Qualitätsstandards einzufordern und vernünftige Wettbewerbsbedingungen zu fördern.

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