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Bringt mehr Tierwohl auch mehr Geld?

Verbraucher wünschen sich mehr Tierwohl und meinen damit oft die Rückkehr zur Schweinehaltung auf Stroh. NRW fördert diese. Doch zahlt sich das aus? Stefanie Schencking und Prof. Uwe Latacz-Lohmann von der Uni Kiel haben für die top agrar-Ausgabe 3/2018 nachgerechnet.

Lesezeit: 6 Minuten

Verbraucher wünschen sich mehr Tierwohl und meinen damit oft die Rückkehr zur Schweinehaltung auf Stroh. NRW fördert diese. Doch zahlt sich das aus? Stefanie Schencking und Prof. Uwe Latacz-Lohmann von der Uni Kiel haben für die top agrar-Ausgabe 3/2018 nachgerechnet.


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Wie soll die Zukunft der Tierhaltung aussehen? Antworten der Politik gibt es viele. Gemeinsam haben die zumindest die Richtung: Hin zu mehr Tierwohl in den Ställen. Die Große Koalition möchte, dass Deutschland beim Tierschutz eine Spitzenposition einnimmt. Dafür plant sie, die Landwirte bei nötigen Investitionen zu unterstützen und den Mehraufwand für tiergerechtere Haltungsformen zu honorieren.


Übersetzt heißt das, dass sich der Umbau der Tierhaltung auch für die Tierhalter lohnen soll, sie also in den Tierwohlställen ein vergleichbares Einkommen erwirtschaften sollen wie in konventionellen Ställen. Ob das für Haltungsformen auf Stroh mit der momentan angebotenen Förderung funktioniert, untersuchten unsere Autoren.


Sie verglichen den Neubau eines 1500er-Maststalls in Standardausführung mit einem an den Richtlinien von Neuland orientierten Stall mit erhöhten Tierwohlstandards und Stroheinstreu. Der Tiefstreustall ist planbefestigt und hat 67 Buchten mit je 22 m2 und 14,35 m2 Auslauf, in denen je 22 Schweine aufgestallt sind. Im Standardstall stehen die Tiere in 37 Buchten mit je 40 Tieren auf Vollspalten. Somit bietet der Strohstall mit 1 m2/Tier nutzbarer Bodenfläche gut 20% mehr Platz als der Standardstall. Gerechnet wird mit der Förderung, wie NRW sie zurzeit anbietet.


AFP senkt Investitionskosten


Vor allem die größere Stallfläche, der Auslauf und die Entmistungstechnik treiben die Investitionskosten des Tierwohlstalls in die Höhe. Der Stallplatz kostet mit 558 € fast 80 € mehr als der im konventionellen Stall. Allerdings erfüllt der Tierwohlstall die Anforderungen des Agrarinvestitionsförderungsprogramms (AFP) in NRW und erhält somit einen Zuschuss von 40% von maximal 750000 €, also 300000 €. Daher sinken die tatsächlichen Investitionskosten von rund 823000 € auf 523000 € (355 €/Stallplatz) unter die im Standardstall von rund 711000 € (480 €/Stallplatz).


Bei der Direktkostenfreien Leistung je Schwein liegen beide Ställe fast gleich auf: Während im Tierwohlstall für Stroh und die tägliche Gabe von Heu Mehrkosten anfallen, sinken Strom- und Heizkosten. Zudem wird aufgrund des höheren Platzangebotes und des Spielmaterials von leicht niedrigeren Verlusten und Tierarztkosten ausgegangen. Insgesamt ergibt sich so im Strohstall eine Direktkostenfreie Leistung von 17,35 €/Schwein gegenüber 18,69 €/Schwein im Standardstall.


Der Deckungsbeitrag im Tierwohlstall ist um 4 €/Schwein niedriger als im konventionellen Stall.


DB im Strohstall niedrig


Beim Deckungsbeitrag (DB) hat der konventionelle Stall mit 15,86 €/Schwein klar die Nase vorne vor dem Tierwohlstall mit 11,86 €/Schwein. Bei Letzterem schlagen die hohen Kosten der Festmistverwertung negativ zu Buche im Vergleich zur Gülleausbringung im „normalen“ Stall (vgl. Übersicht 1).


Damit sind also die laufenden Kosten im Tierwohlstall vor allem durch die Stroheinstreu höher. Kein Problem, wenn man in NRW wirtschaftet, sollte man denken. Schließlich gibt es in NRW extra ein Programm, das genau diese Kosten ausgleichen soll: Ein von der rot-grünen Vorgängerregierung eingeführtes Programm fördert seit 2012 Haltungsverfahren auf Stroh bei Mastschweinen pro Jahr mit 75 €/Großvieheinheit (GVE) bzw. 55 €/GVE, wenn wie hier gleichzeitig das AFP in Anspruch genommen wird.


Allerdings dürfen entsprechend der Vorgaben des AFP in drei Wirtschaftsjahren maximal 400000 € an Fördermitteln an einen Betrieb fließen. Bewirtschaftet der Betrieb 50 ha, um mindestens die Hälfte der im 1500er Maststall anfallenden Gülle – wie vom AFP in NRW gefordert – auf selbstbewirtschafteter Fläche auszubringen, erhält er rund 45000 € (50 ha x 300 €/ha x 3 WJ) Direktzahlungen in drei Wirtschaftsjahren. Kommen rund 73000 € (24321 € x 3 WJ) Strohförderung und 300000 € AFP-Zuschuss hinzu, wären das knapp 418000 €. Die AFP-Förderung kürzt sich daher um rund 18000 €. Bewirtschaftet der Betrieb mehr Fläche, verringert sich der AFP-Zuschuss weiter.


Trotzdem zeigt sich, dass der jährliche Überschuss im Tierwohlstall mit rund 28000 € (bei 50 ha selbstbewirtschafteter Fläche) fast doppelt so hoch ist wie im Standardstall (vgl. Übers. 2).


Stroh macht (zu) viel Arbeit


Auf den ersten Blick ist der Tierwohlstall also wirtschaftlicher als der „normale“. Wenn nicht der hohe Arbeitsaufwand rund ums Stroh wäre: Durch Einstreuen, Entmisten und die tägliche Heugabe steigt die jährliche Arbeit von 0,26 AKh im Standard- auf 0,7 AKh pro Mastschwein im Strohstall. Das heißt, in unserem Beispiel verbringt der Mäster nicht rund 1100 Stunden, sondern ca. 2940 AKh pro Jahr im Tierwohlstall. So sinkt die Arbeitsentlohnung von ca. 14 €/AKh im konventionellen auf rund 9,50 €/AKh im Strohstall. Das heißt auf die Stunde gerechnet verdient der Mäster fast ein Drittel weniger als im „normalen“ Stall.


Der Überschuss ist dank Förderung im Strohstall höher, der Stundenlohn nicht.


Der Beispielstall kann per Frontlader entmistet werden. Das spart Arbeitszeit. Trotzdem macht ein Tiefstreustall beim Einstreuen deutlich mehr Arbeit als z.B. ein Pigport mit Minimaleinstreu. Wer also Arbeit sparen und trotzdem Stroh im Stall haben will, sollte über solche Konzepte nachdenken. Die NRW-Strohförderung würde es dafür allerdings nicht geben, da die mehr Einstreu fordert, als bei Minimaleinstreu üblich ist.


Auslauf nicht immer möglich


Der Tierwohlstall in unserem Beispiel hat einen Auslauf, der ca. 50% der Buchtenfläche ausmacht. Der Haken: Den Außenbereich kann man nicht mit einem Abluftfilter verbinden, sodass bei großem Auslauf viele Emissionen entweichen. Daher wird es schwierig, bei größeren Stallbauvorhaben für solche offenen Ställe eine Genehmigung zu bekommen. Wenn, dann wird dies nur mit entsprechend großen Abständen z.B. zur Bebauung, Wald oder Schutzgebieten möglich sein, was einen Großteil möglicher Standorte ausschließt.Muss oder will man auf einen Auslauf verzichten, verringern sich im Beispiel die Investitionskosten um ca. 75000 €. Die Stroh- und die AFP-Förderung blieben erhalten, da dabei der Auslauf keine zwingende Vorgabe ist. Die Arbeitsentlohnung stiege um ca. 1 €, bliebe aber weiter unter der im Standardstall.


Lohnt nur bei höheren Preisen


Nur, wenn es gelingt, höhere Preise für die „Strohschweine“ zu erwirtschaften, zahlt sich die Mehrarbeit rund um die Stroheinstreu demnach aus. Genauer: Erst wenn gut 3 Cent pro kg Schlachtgewicht mehr auf der Abrechnung stehen, erzielen beide Ställe die gleiche Arbeitsvergütung.


Qualifiziert sich der Landwirt beispielsweise für die Initiative Tierwohl, kann er bei der unterstellten Ausschlachtung mit momentan bis zu 5,4 Cent/kg Schlachtgewicht an Bonuszahlungen kalkulieren. Dann hätte der Tierwohlstall auch bei der Arbeitsentlohnung die Nase vorn.


Um dieses Vermarktungsrisiko komplett auszuschalten, wären in dem Beispiel ca. 85 € pro GVE und Jahr an Förderung nötig. Dann lägen beide Ställe bei der Arbeitsvergütung auf Augenhöhe. Das aber auch nur, wenn sich dann nicht gleichzeitig die AFP-Förderung weiter verringern würde, wie das nach den momentanen Förderbedingungen der Fall ist.

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