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Chaos auf dem Strommarkt: „Finger weg von Spekulationsgeschäften!“

Hohe Preise, windige Angebote: Der Strommarkt steht Kopf. Norbert Binger, Bereichsleiter LandEnergie der Maschinenringe Deutschland, warnt vor kurzfristigen Lockangeboten.

Lesezeit: 5 Minuten

Die Strompreise sind in den letzten Wochen und Monaten durch die Decke geschossen. Für das zweite Quartal 2023 notiert die Leipziger Börse bereits Preise von über 1 € pro Kilowattstunde. top agrar hat mit Norbert Binger, Bereichsleiter LandEnergie der Maschinenringe Deutschland, über die aktuelle Situation auf dem Strommarkt gesprochen.

Herr Binger, wer jetzt einen neuen Stromliefervertrag abschließen muss, zahlt zwischen 50 und 60 Cent je Kilowattstunde (kWh). Warum ist Strom so teuer?

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Binger: Im Frankreich laufen derzeit nur noch ein Drittel der 56 Atomkraftwerke. Ursache sind Reparaturen bzw. Wartungsarbeiten in Altanlagen, Schäden an neuen Meilern und zu wenig Kühlwasser wegen der Dürre. Frankreich muss deshalb viel Strom aus dem Ausland zukaufen – u. a. aus Deutschland, wo derzeit vermehrt Strom in Gaskraftwerken produziert wird. Infolge der hohen Gaspreise explodieren auch die Stromkosten. Außerdem stockt der Ausbau bei Solar- und Windkraftwerken und 2021 war insgesamt ein schwaches Windjahr.

Die Leipziger Strombörse notiert für den Januar-Future 2023 bereits 1 € je kWh. Sind das Tagespreise oder müssen sich Landwirte mittelfristig auf derart hohe Preise einstellen?

Binger: Ich wage derzeit keine Prognose abzugeben. Denn die jüngste Vergangenheit hat gezeigt, wie volatil die Märkte sind. Die Schwankungen an einem Tag sind zum Teil um ein Vielfaches höher als in einem ganzen Kalenderjahr. Wir beim Maschinenring versuchen dem zu begegnen, indem wir eine konservative und langfristige Einkaufsstrategie verfolgen und bewusst auf Spekulationsgeschäfte verzichten.

Sollten Landwirte in die Grundversorgung wechseln, wenn der Vertrag endet?

Binger: Das hängt immer von der aktuellen Situation ab. Sind keine Vergleichstarife verfügbar oder sind diese teurer als die Grundversorgung, macht ein Wechsel natürlich Sinn. Wir haben jedoch in den vergangenen Wochen vermehrt beobachtet, dass auch die Grundversorger ihre Preise zum Teil um ein Drittel erhöht haben. Ein Grund dafür kann sein, dass viele Kunden in die Grundversorgung gewechselt sind und der Grundversorger deshalb mehr teuren Strom beschaffen muss. In diesem Fall hat er das Recht, die Preise mit einer sechswöchigen Ankündigungsfrist jederzeit und auch mehrfach zu erhöhen. Die Grundversorgung ist aus unserer Sicht daher nur eine kurzfristige Option.

Ein Betrieb mit 500 Sauen verbraucht rund 100 000 kWh Strom pro Jahr. Was kann der Betriebsleiter tun, um seinen Stromverbrauch zu senken?

Binger: Der erste Schritt ist immer, das eigene Lastprofil zu untersuchen. Entsprechende Messtechnik stellt der Maschinenring zur Verfügung. In vielen Fällen lohnt sich zudem eine eigene PV-Anlage. Allerdings sind die Lieferzeiten derzeit lang.Es gibt jedoch auch einfache Stellschrauben, um Kosten zu sparen. Bei mehreren Landwirten ist uns z. B. aufgefallen, dass die Hammermühle immer dann lief, wenn die PV-Anlage keinen Strom produziert hat. Wir konnten anhand der Lastprofile auch erkennen, dass eine frequenzgesteuerte Lüftungsanlage bis zu 40 % weniger Strom verbraucht als eine nicht frequenzgesteuerte Anlage. Eine Umrüstung lohnt sich hier in jedem Fall. Auch das Abstellen der Lüftung in unbelegten Abteilen oder die regelmäßige Kalibrierung und Reinigung der Thermostatfühler lohnt sich.

Viele Bauern besitzen eine PV-Anlage. Können sie nachträglich in den Eigenverbrauch wechseln und ist das sinnvoll? Würde sich dann ein Speicher rechnen?

Binger: Entscheidend ist hier wieder das eigene Lastprofil. Verbrauche ich viel Strom außerhalb der PV-Einspeisung, ist die Umstellung auf Eigenverbrauch weniger ratsam. Ob sich der Wechsel lohnt, muss einzelbetrieblich geprüft werden. Das gilt auch für die Frage, ob der Wechsel während der Vertragslaufzeit möglich ist. Beim Thema Batteriespeicher merken wir, dass die Wirtschaftlichkeit zunehmend in den Hintergrund rückt und eher die Notstromfunktion für die Betriebe eine Rolle spielt.

Die Hammermühle sollte laufen, wenn die PV-Anlage Strom liefert." - Norbert Binger

In der Vergangenheit lohnte sich der Wechsel des Stromlieferanten, weil sich die Konkurrenz gegenseitig unterboten hat. Wozu raten Sie jetzt?

Binger: Wenn Sie einen Blick in die einschlägigen Vergleichsportale werfen, wird Ihnen schnell auffallen, dass die vor einigen Monaten noch ganz oben gelisteten Anbieter mit Lockangeboten heute nicht mehr präsent sind. Deren Ziel ist es oft nur, schnell einen großen Kundenstamm aufzubauen.Ich rate dazu, einen Anbieter aus­zuwählen, der an einer nachhaltigen Kundenbindung interessiert ist. ­Firmen, die eine langfristige Partnerschaft anstreben, gehen mit ihren ­Kunden offen und transparent in Bezug auf die AGBs und die Preisgestaltung um. Auch ein guter Kundenservice ist in diesen Zeiten sehr wichtig.

Lieferverträge für Strom enthalten viele Klauseln – vorzeitiges Kündigungsrecht, Preiserhöhungen usw. In welchen Fällen darf der Versorger die Preise trotz bestehendem Vertrag erhöhen?

Binger: Preisänderungen sind nur bei steigenden Abgaben, Steuern oder Umlagen erlaubt. Gestiegene Beschaffungskosten dürfen nicht an die Kunden weitergegeben werden. Einige Anbieter berufen sich trotz alledem auf den § 313 BGB, der sich auf die Störung der Geschäftsgrundlage bezieht. Die Firmen argumentieren, dass die Kostensteigerungen am Beschaffungsmarkt zu einer Störung der Geschäftsgrundlage geführt haben und daher eine Preiserhöhung nötig sei. Ob das Vorgehen rechtlich in Ordnung ist, ist derzeit unklar. Das müssen Gerichte klären.

Sollten Landwirte auf kurzfristige oder langfristige Vertragslaufzeiten setzen?

Binger: Das ist eine Typfrage. Risikobewusste Landwirte, die auf fallende Preise setzen und sich nicht lange binden wollen, setzten natürlich auf kurzfristige Vertragslaufzeiten. Sicherheitsbewusste Landwirte mit einem längeren Planungshorizont favorisieren hingegen längerfristige Verträge. Meiner Meinung nach gibt es hier kein richtig oder falsch. Die Mischung machts.

Einige Stromanbieter bieten zum ­Beispiel Verträge bis Ende 2023 für 25 Cent je kWh an. Ist das seriös oder sollte man lieber die Finger ­davon lassen?

Binger: Zunächst muss geklärt werden, ob das der Brutto-Arbeitspreis ist, oder ob es sich um den reinen Energiepreis handelt. Im Arbeitspreis sind neben den eigentlichen Beschaffungskosten auch die Ökosteuer, Netznutzung oder Konzessionsabgaben enthalten. Das Angebot kann durchaus seriös sein. Denn hat der Anbieter zu einem sehr günstigen Zeitpunkt Strom eingekauft, kann er diesen Vorteil an seine Kunden weitergeben. In jedem Fall rate ich aber dazu, den Vertrag und die genaue Zusammensetzung des Preises unter die Lupe zu nehmen.

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