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Corona: Schlachter unter Beschuss

Als in der Schlachtbranche die ersten Corona-Fälle auftauchten, löste das eine Welle der Empörung aus. Die Proftigier der Schlachtindustrie sei schuld, hieß es rasch. Die Lage ist allerdings komplexer

Lesezeit: 3 Minuten

Ein Kommentar von Gerburgis Brosthaus vom Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben:

Ihren „Schwarzen Freitag“ erlebte die Schlachtbranche am 8. Mai. Der Tag, an dem der Westfleisch-Schlachthof in Coesfeld geschlossen wurde – wegen mehr als 100 Corona-positiven Mitarbeitern am Schlacht- und Zerlegeband. Eine Welle der öffentlichen Empörung brach los.

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Dass der Corona-Hotspot so schnell und so breitenwirksam hochkochte, lag an einem fatalen zeitlichen Zusammentreffen. Genau an diesem Wochenende wurden erstmals wesentliche Corona-­Beschränkungen in ganz Deutschland aufgehoben – außer im Corona-Kreis Coesfeld.

Über die Ursache gab es schnell Konsens bei ­Gewerkschaftern, Politikern, Journalisten und Bürgern. Schuld sei allein die Profitgier der Schlachtindustrie. Die osteuropäischen Werkvertrags-Mitarbeiter litten derweil unter miserablen Lebens- und Arbeitsbedingungen.

Schwer angezählt in dem Presse-Tsunami war Westfleisch. Die Unternehmensleitung duckte sich fast eine Woche weg und überließ die ­Deutungshoheit den Medien. Auch danach gab sie keine Erklärung, warum die Infektionen zuerst in Coesfeld, dann in Dissen hochschossen, während in Gelsenkirchen, Bakum, Hamm und ­Lübbecke alle Tests negativ waren. Das lange Schweigen war vielleicht Nebenwirkung einer ganz anderen Baustelle, die Westfleisch derzeit in Shanghai hat.

Im Mediensturm ging völlig unter, dass die allermeisten Schlachtunternehmen ihre Pandemie-­Krisenpläne sattelfest ausgearbeitet hatten. Von mehr als 17 .500 Tests in 91 NRW-Schlachtbetrieben waren am Dienstag ganze 393 positiv. Zieht man die 279 Coesfelder Fälle ab, liegt die Fallquote im Promillebereich. Viele Betriebe ­waren komplett negativ.

Und das in einer Branche, in der es am Schlachtband eng zugeht. Wo Homeoffice oder Schließung keine Alternative sind. Stattdessen Schlachtung unter Volllast, weil die Politik angesichts leerer Regale an den „Versorgungsauftrag“ appellierte, erinnert Branchenprimus Clemens Tönnies. Der sieht die Schlachter zu Unrecht unter Generalverdacht gestellt. In seinem Unternehmen haben alle Werkvertragler einen deutschen Arbeitsvertrag samt Lohnfortzahlung.

Fehlanzeige auch bei der Kontrolle der angeblich so desolaten Wohnungen. Geschlossen wurden ganze zwei Unterkünfte. Massenunterkünfte sind die absolute Ausnahme. Das Gros der Mitarbeiter wohnt in 3er- bis 5er-Gruppen.

Trotzdem hält NRW-Arbeitsminister Franz-Josef Laumann die Werkverträge für das Grundübel und fordert ihre Abschaffung. Zudem will er durchsetzen, dass die Schlachter Verantwortung für Unterbringung und Transport der Mitarbeiter übernehmen. Damit befindet er sich in guter Gesellschaft. Auch Arbeitsminister Hubertus Heil fordert einen Systemwechsel. Der darf dann aber nicht nur für die Schlachtunternehmen gelten.

Logistik, Pflege, Bauindustrie, Werften – viele Branchen nutzen Werkverträge mit billigen Arbeitskräften aus Osteuropa. Wenn „aufgeräumt“ wird, dann bitteschön auch dort. Und die Regelungen müssen EU-weit gelten. Andernfalls verlagert sich die Schlachtung in Billiglohnländer – mit Sicherheit nicht zum Vorteil der Arbeiter.

Hinweis: Gastkommentare geben nicht in allen Bereichen die Meinung der Redaktion wieder. Wir veröffentlichen sie dann, wenn wir sie für einen interessanten Diskussionsbeitrag zur Weiterentwicklung der Landwirtschaft halten. Wie stehen Sie dazu? Wir freuen uns auf Ihren Kommentar unten.

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