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„Das Verhalten von Müller-Fleisch ist unredlich“

Die süddeutsche Müller-Gruppe will intakte Eber ab 2021 schlechter bezahlen und begründet dies mit dem „Kastraten-Bonus“ der VEZG. Dort ist man verärgert.

Lesezeit: 4 Minuten

top agrar sprach mit Dr. Albert Hortmann-Scholten von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen über die neue Abrechnungsmaske für Jungeber von Müller-Fleisch.

Die süddeutsche Müller-Gruppe will intakte Eber künftig über die Abrechnungsmaske für Schlachtschweine abrechnen und obendrauf einen Abzug von 6 ct/kg SG vornehmen. Wie beurteilen Sie diesen Vorstoß?

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Hortmann-Scholten: Der Vorstoß der Müller-Gruppe ist in vielerlei Hinsicht schwer nachvollziehbar, in preislicher Hinsicht ist er völlig überzogen. Für Improvac-Tiere ziehen einige norddeutsche Schlachthöfe derzeit einen pauschalen Preis von 3 ct/kg SG ab. Ich kann nicht erkennen, warum Müller so stark den Rotstift ansetzt. Unverständlich ist für mich auch, warum Müller die Eber über die normale Abrechnungsmaske abrechnen will. Andere Schlachthöfe haben spezielle Ebermasken entwickelt, die sich leider in den letzten Jahren stufenweise zu Ungunsten der Erzeugerseite verändert haben.

Beim Abzug hat Müller völlig überzogen.

Müller begründet seinen Abzug mit der Ankündigung der VEZG, ab Januar 2021 für kastrierte Ferkel einen Zuschlag in Höhe von 4 € pro männliches Tier zu erheben. Passiert jetzt nicht genau das, wovor Kritiker immer gewarnt haben. Der Bonus wird eingepreist und Jung- bzw. Improvac-Eber werden abgestraft?

Hortmann-Scholten: Ich halte es für unredlich, dass Müller die Ankündigung der VEZG, für kastrierte Eberferkel einen Zuschlag zu erheben der sich aus dem höheren Aufwand errechnet, als Begründung für den Preisabzug bei den intakten Ebern nennt. Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Ehrlicher wäre es gewesen, wenn das Unternehmen offen gesagt hätte, dass es für Eberfleisch nur einen begrenzten Absatzmarkt sieht. Das wäre doch gar nicht schwierig gewesen, Müller selbst war doch an Praxisuntersuchungen im Rahmen eines EIP-Projektes beteiligt. Dort kam deutlich heraus, dass der Speck bei der Ebermast weiterhin ein Problem ist und der Markt für Jungeber begrenzt bleibt.

Müller-Fleisch argumentiert, dass durch die Bonuszahlung für Kastrate der Jungeber künftig automatisch 4 € billiger wird. An den Produktionskosten für Jung- und Improvac-Eber ändert sich jedoch rein gar nichts. Werden hier Äpfel mit Birnen verglichen?

Hortmann-Scholten: Die Begründung der Müller-Gruppe, Jungeber würden automatisch 4 € billiger, wenn Kastrate einen Zuschlag erhalten, ist unlogisch und sachlich falsch. Jedem dürfte doch klar sein, dass sich die Produktionskosten bei der Jungeber- bzw. Improvac-Mast nicht verändern. Insofern werden hier tatsächlich Äpfel mit Birnen verglichen.

Auch die Höhe des Zuschlags ist nicht an den Haaren herbeigezogen. Die von der VEZG momentan eingeschätzte Marktdifferenzierung von 4 € entspricht den durchschnittlich in der Ferkelerzeugung geschätzten Kosten für die Kastration eines Eberferkels. Am Ende muss allen Beteiligten klar sein: Die Kosten müssen innerhalb der Erzeugungsstufe an die Marktteilnehmer in der Kette weitergegeben werden. Andernfalls wandert die Ferkelerzeugung ins Ausland ab. Die ersten Anzeichen sehen wir schon. Die kürzlich veröffentlichte April-Zählung hat ein Wachstum der Sauenhaltung in Dänemark von 3,4 % ausgewiesen. Damit ist klar, dass die Dänen ebenso wie die Niederländer mit einem stark wachsenden Ferkelbedarf Deutschlands rechnen.

Die Kastrationskosten müssen in der Kette weitergegeben werden

Schlachtkörper von Jungebern und Improvac-Tieren sind nicht vergleichbar, sagen Experten. Bei Müller-Fleisch scheint das anders zu sein, dort setzt man Jung- und Improvac-Tiere gleich. Ist das gerechtfertigt?

Hortmann-Scholten: Nein, aufgrund norddeutscher Erfahrungen erscheint dies zumindest sehr zweifelhaft. Schließlich haben die Mastendprodukte von Jung- und Improvac-Ebern unterschiedliche Qualitätseigenschaften, die letztlich zu anderen Marktwerten führen.

Langfristiges Ziel der EU ist es, ganz auf die Kastration zu verzichten. Entfernen wir uns mit dem angekündigten Abrechnungsmodell der Müller-Gruppe von diesem Ziel nicht weiter denn je?

Hortmann-Scholten: Auf jeden Fall, Müller-Fleisch setzt mit seinem Vorstoß völlig falsche Signale. Hinzu kommt, dass man zwar politische Ziele auf EU-Ebene formulieren mag, diese haben allerdings mit den Anforderungen des Marktes nicht immer etwas zu tun. Schätzungsweise werden momentan noch über 80 % der männlichen Ferkel in der EU kastriert.

Wie wird die VEZG, die für ihren Boni-Vorstoß auch aus den Reihen der Landwirte kritisiert wird, nun weiter vorgehen?

Hortmann-Scholten: Die VEZG ist eine von Ferkelerzeugern und Mästern getragene bäuerliche Organisation, die mit Weitblick auf Marktänderungen reagiert. Die Gremien haben rechtzeitig ein starkes Marktsignal gegeben, damit sich die Ferkelerzeuger auf die ab 2021 zu erwartenden Marktänderungen vorbereiten können. Der von der VEZG empfohlene Bonus für nach deutschem Recht ordnungsgemäß kastrierte Ferkel wird momentan mit 4 € je Tier eingeschätzt, er ist allerdings nicht für immer in Stein gemeißelt. Es mag sein, dass sich bezüglich des Bonus im ersten Halbjahr 2021 höhere oder niedrigere Preise ergeben werden. Die VEZG wird den Markt beobachten und dann entsprechend reagieren.

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