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Waldumbau Eurotier 2024 Steuern in der Landwirtschaft

topplus Pro und Kontra

Fleischsteuer: Dauerhafte Subventionen für mehr Tierwohl?

Unter den Landwirten gehen die Meinungen zum geplanten Umbau der Tierhaltung auseinander. Wir sprachen mit einem Befürworter und einem Kritiker. Hier ihre Argumente...

Lesezeit: 6 Minuten

Darum geht’s: Die Borchert-Kommission empfiehlt, die Nutztierhaltung mit staatlichen Mitteln grundlegend umzubauen. Nur so hätten die Tierhalter in Deutschland eine Zukunft. Unter Landwirten gehen die Meinungen zu dem Konzept weit auseinander. Das Pro & Contra erschien bereits 2020, spiegelt das Meinungsbild der Landwirte aber weiterhin sehr gut wider.

Pro

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von Philipp Schulze Esking, Schweinemäster und Mitglied der Borchert-Kommission

In den letzten zehn Jahren haben wir in Deutschland fast 40% der schweinehaltenden Betriebe verloren. Laut einer Umfrage der ISN plant jeder dritte Mäster in den nächsten Jahren den Ausstieg. In der Ferkelerzeugung ist die Perspektive noch düsterer: Über die Hälfte der Ferkelerzeuger gibt an, in den nächsten zehn Jahren den Betrieb aufgeben zu wollen. Als Hauptgrund hierfür nennen Dreiviertel der Befragten die Summe der Auflagen. Spanien baut seinen Bestand hingegen seit Jahren aus und hat uns mittlerweile überholt.

Marktanteile sind Ausdruck von Wettbewerbsfähigkeit in offenen globalen Märkten. Angesichts unseres aktuellen Ordnungsrahmens kann heute kaum noch ein Schweinehalter wirklich glauben, um die europäische oder gar die globale Kostenführerschaft wetteifern zu können. Dazu kommen noch die Änderung der Tierschutznutztierhaltungsverordnung, die K-Fragen, die anhängige Normenkontrollklage, die Novelle der TA Luft, die Verschärfung der Düngeverordnung, die NEC-Richtlinie, Klimaschutzziele usw.

Natürlich können wir so weitermachen wie bisher. Wir können versuchen, über unsere Interessenvertretungen jede Einzelbaustelle irgendwie noch einigermaßen vorm fachlichen Absaufen zu retten. Wir können auf die Straße gehen. Und wir können darauf hoffen, dass der Verbraucher irgendwann nicht nur mehr Tierwohl fordert, sondern es auch an der Theke bezahlt. Wahrscheinlich aber führt diese Strategie dazu, dass unsere Wettbewerbsfähigkeit schleichend weiter sinkt und wir einen dramatischen Strukturwandel in der Tierhaltung erleben. Und damit noch mehr Produktion ins Ausland verlagert wird. Und am Ende werden die Verbraucher ohne einheimische Tierhaltung genauso gut leben können, wie sie ohne einheimische Textilproduktion zu leben gelernt haben.

Was wir stattdessen brauchen, ist ein Konzept, dass es uns Tierhaltern ermöglicht, den Verbraucher weiterhin mit hochwertigen tierischen Produkten „Made in Germany“ zu versorgen und gleichzeitig dem Bürger unserer von Knappheiten entwöhnten Gesellschaft ein Tierwohlniveau in unseren Ställen zu bieten, dass weit über europäischem bzw. globalem Niveau liegt.

Und genau in diese Richtung gehen die Empfehlungen des Kompetenznetzwerkes Nutztierhaltung. Dieses Konzept ist nicht die Abkehr vom Markt und die Hinwendung zu Plan und Staat. Nein, es lässt uns Landwirten den Markt, wo er funktioniert, nämlich im Anbieten von qualitativ hochwertigem Fleisch, das der Verbraucher an der Ladentheke bezahlt.

Dort aber, wo der Markt versagt, z.B. wenn es um das Bezahlen von hohen Tierwohlstandards in offenen, globalen Märkten geht, muss die Gesellschaft bzw. der Staat einspringen! Genauso machen wir es z.B. auch beim Klimaschutz. Und jedem dürfte klar sein, dass sich bis heute kaum ein Windrad drehen würde, wenn wir Verbraucher durch unsere individuelle Nachfrage noch Ökostrom die Umstellung auf regenerative Energieerzeugung hätten verantworten müssen.

Natürlich stehen uns noch viele Herausforderungen in dem vom Kompetenznetzwerk beschriebenen Umbauprozess bevor. Wir müssen insbesondere die Hemmnisse bei der bau- und umweltrechtlichen Genehmigung beseitigen. Trotzdem sollten wir uns diese vielleicht letzte Chance nicht entgehen lassen, im gesellschaftlichen Konsens die Zukunft unserer Nutztierhaltung selbst aktiv zu gestalten.

Kontra

von Albert Bosche, Schweinemäster und Vorsitzender der Erzeugergemeinschaft für Schlachtschweine in Damme

Ich bin gegen die Borchert-Pläne, denn sie machen uns Tierhalter zu reinen „Transfereinkommensempfängern“.

Das kann nicht der Ausweg aus der aktuellen Krise sein. Wir Tierhalter wollen von und mit unseren Tieren leben. Wir stellen uns einem fairen Markt, aber brauchen Produktionsstandards, die europaweit gelten. Als überzeugter Europäer spreche ich mich deshalb gegen deutsche Alleingänge aus. Anstatt neue Subventionstatbestände zu schaffen, sollte die Politik besser sämtliche Subventionen streichen. Denn diese werden ohnehin direkt zum Verpächter durchgereicht.

Ich glaube auch nicht, dass das Borchert-Konzept funktioniert. Der deutsche Binnenmarkt kann nicht für Agrarprodukte aus anderen EU- oder Drittländern gesperrt werden. Ausländische Milch- und Fleischlieferanten werden aufgrund ihrer Kostenvorteile ihre Marktanteile ausbauen.

Außerdem bezweifele ich die Akzeptanz einer flächendeckenden Verbraucherabgabe. Eine Fleisch- und Milchsteuer belastet die deutschen Bürger jährlich mit 3 bis 4 Mrd. €. Diese Steuer tritt die Konsumentensouveränität mit Füßen. Sie ist ein Instrument einer planwirtschaftlichen Umerziehung unter dem Deckmantel des Tierwohls.

Ein Hartz IV-Empfänger erhält monatlich 432 € für Ernährung, Kleidung, Strom etc. Ihn, die kinderreichen Familien, Studenten und Rentner würde diese Steuer unverhältnismäßig hart treffen. Wie will die Politik erklären, dass jeder der gut 80.000 Tierhalter vom Staat rechnerisch monatlich rund 3.600 € im Schnitt an Transferleistungen erhalten?

Abgesehen davon befürchte ich, dass das Geld gar nicht bei uns Landwirten ankommt. Das Gros der Gelder wird im Sumpf der Prüfungs-, Beratungs-, Tierschutz- und Agrarlobby versickern. Wenn schon in der Landwirtschaft kein Geld verdient wird, dann wenigstens an der Landwirtschaft?

Ein Blick über die Grenze zeigt zudem, wie kompliziert eine Verbrauchersteuer umzusetzen ist. In Dänemark ist das Experiment „Fettsteuer“ krachend gescheitert. Es stellte sich heraus, dass der bürokratische Aufwand viel zu hoch war. Ähnliches droht bei einer Fleisch- und Milchsteuer.

Außerdem dürfen Steuereinnahmen grundsätzlich nicht zweckgebunden erhoben werden. Sie fließen direkt in den Bundeshaushalt und können je nach Haushaltslage für alles Mögliche verwendet werden. So wurde 1902 vom Reichstag die „Schaumweinsteuer“ zur Finanzierung der kaiserlichen Kriegsflotte eingeführt. Die Flotte ist zweimal untergegangen, doch die „Schaumweinsteuer“ gibt es noch heute. Und so wird es die „Tierwohlsteuer“ vermutlich auch dann noch geben, wenn der letzte Landwirt seine Stalltüren für immer geschlossen hat.

Wenn der Verbraucher Tierwohlfleisch haben möchte, soll er dafür auch voll bezahlen. Leider ist es für uns kaum möglich, ein entsprechendes Angebot zu schaffen. Denn es fehlen die rechtlichen Voraussetzungen, um Tierwohlställe bauen zu können. Die Novellierung des Baugesetzbuches und des Bundesimmissionsschutzgesetzes ist seit Jahren mehr als überfällig.

Es geht um die Grundsatzfrage, ob Deutschland überhaupt noch eine Nutztierhaltung haben will oder nicht. Und wenn wir Tierhalter nicht mehr willkommen sind, dann sollte die Politik wenigstens ehrlich sein und uns rauskaufen, so wie in den Niederlanden! Die Tierwohlsteuer ist für mich nur ein sozial abgefederter „Ausstieg auf Raten“.

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