Wegen der Anpassung der Kriterien der Initiative Tierwohl (ITW) an die staatliche Tierhaltungskennzeichnung im nächsten Jahr wollen viele süddeutsche Schweinemäster aus der ITW aussteigen. Darauf wiesen vor allem Vertreter von bayerischen Erzeugergemeinschaften diese Woche auf dem Veredlungstag des Deutschen Bauernverbandes (DBV) hin, der dieses Jahr in Kupferzell im Hohenlohekreis in Baden-Württemberg stattfand.
Dies hätte dramatische Folgen für den Absatz von Schweinefleisch, weil der Lebensmitteleinzelhandel praktisch nur noch Fleisch aus höheren Tierwohlstufen akzeptiert. Zudem seien regionale Labelprogramme wie Geprüfte Qualität (GQ) Bayern an ITW gekoppelt, die dann gefährdet wären.
„Übergangszeitraum um drei Monate verlängern“
Grund für die hohe Zahl an Kündigern sei die kurzfristige Ankündigung der neuen Kriterien, z. B. zur Buchtenstrukturierung, die es den Betrieben kaum ermögliche, die Maßnahmen umzusetzen. Franz Beringer von der EG Südbayern forderte deshalb, den Übergangszeitraum an das neue ITW um drei Monate bis Ende März 2025 zu verlängern.
Edeka Südwest: Haltungsform 2 hat weiter eine Chance
Jürgen Mäder, Vorstand der Edeka Südwest, berichtete vom wechselhaften Einkaufsverhalten der Verbraucher in den letzten Jahren. „Der Kunde ist seltsam“, so Mäder. Trotz des Drucks der Discounter, die komplett auf Haltungsform 3 umstellen wollen, legte er ein Bekenntnis zu Fleisch aus Haltungsform 2 und zu den Bedientheken ab: „Wir geben der Haltungsform 2 in unseren Theken weiter eine Chance.“
Zugleich will Mäder die höheren Haltungsstufen ausbauen und sucht weiter Haltungsform 3- und 4-Betriebe. Aktuell nehmen die Stufen 3 bis 5 bei Schweinefleisch in den Edeka Südwest-Filialen einen Anteil von 18 % ein.
„Wollen, dass es in Hohenlohe wieder mehr nach Schweinen riecht“
Isabel Kling, Ministerialdirektorin im baden-württembergischen Landwirtschaftsministerium, wünscht sich, dass die Schweinehaltung in der früheren Ferkelerzeugerhochburg Hohenlohe wieder erstarkt und man dort wieder die Schweineställe riecht. „Wir brauchen mehr Tierhaltung“, so das Bekenntnis der Amtschefin. Das sei auch für die Umwelt gut. „Weniger Tierhaltung führt zu weniger Biodiversität“, so Kling.
Tierärzte fehlen
Auch wenn in der Agrarministerkonferenz das Einstimmigkeitsprinzip gelte, habe man jüngst erreicht, dass die Stoffstrombilanz fällt. Die Novellierung des Tierschutzgesetzes sorgt aus ihrer Sicht für mehr Bürokratie. Und die Vorgabe, dass bestimmte Behandlungen künftig der Tierarzt durchführen müsse, sei gar nicht umsetzbar, weil es zu wenig Tierärzte gebe. „Wir kommen bei der Impfung gegen die Blauzunge nicht hinterher, weil die Tierärzte fehlen“, berichtet die Amtschefin.
„Politik sorgt für weitere Verlagerung der Tierhaltung ins Ausland“
DBV-Präsident Joachim Rukwied, der das Grußwort hielt, sieht ebenfalls erheblichen Nachbesserungsbedarf bei der aktuellen Novellierung des Tierschutzgesetzes. „Vor allem die Vorgaben für die Schweinehaltung führen in der Praxis zu weniger Tierschutz und zu mehr Bürokratie“, kritisiert Rukwied. „Wenn das Tierschutzgesetz in der jetzigen Form kommt, schaltet die Politik zahlreichen Tierhaltern das Licht aus, sorgt für eine weitere Verlagerung der Tierhaltung ins Ausland und konterkariert damit das gesellschaftlich gewünschte hohe Tierwohl“, so der DBV-Präsident weiter.
„Tierschutzgesetz ist Katastrophe für die Schweinehalter“
DBV-Veredlungspräsident Hubertus Beringmeier pflichtet Rukwied bei: „Das Tierschutzgesetz ist eine Katastrophe für die Schweinehalter.“ Der Schweinehalter aus Westfalen stellt fest, dass die Stimmung trotz der wirtschaftlich guten Situation schlecht sei und macht dafür die politischen Vorgaben verantwortlich. Seine Forderungen setzen an mehreren Stellen an:
Die Haltungskennzeichnung muss umfassend nachgebessert werden.
Die Herkunftskennzeichnung muss umgesetzt werden.
Tierhalter brauchen dringend Anpassungen im Bau- sowie Genehmigungsrecht, um Stallumbauten auch zu ermöglichen.
Das Bundesförderprogramm muss dringend ausgeweitet werden.
Der Bund muss von ASP-betroffene Betriebe in Restriktionsgebieten mehr unterstützen.