Der Mangel an Tierärzten, die sich mit Rindern, Schweinen und Geflügel beschäftigen, nimmt immer weiter zu – und das europaweit. Es sind die bekannten Gründe, wie u.a. lange, unregelmäßige Arbeitszeiten – auch nachts, weniger Verdienst und lange Anfahrtszeiten.
Abzulesen ist das an den vielen offenen Stellen, sagt der Dekan der Veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Leipzig, Prof. Dr. Dr. Thomas Vahlenkamp, anlässlich des heute stattfindenden Kongresses der European Association of Establishments for Veterinary Education. Umso wichtiger sei es, die Wertschätzung für den Beruf zu erhöhen und mehr auszubilden.
Absolventen wollen in den Haustiersektor
„Das Haustier spielt eine immer größere Rolle als Familienmitglied. Die Anzahl der in deutschen Haushalten gehaltenen Hunde und Katzen ist mittlerweile auf über 25 Mio. gestiegen“, sagt Vahlenkamp. Daher wachse der Bedarf an Kleintierpraxen, aber ebenso der Wunsch vieler Studierenden in diesem Sektor zu arbeiten.
Ein Trend mit Folgen: Vahlenkamp konstatiert Lücken in der fachlich qualifizierten Versorgung anderer Bereiche. „Diese werden schon jetzt in der Nutztiermedizin offensichtlich, aber auch für den Bereich des öffentlichen Veterinärwesens mit der Lebensmittelhygiene, dem Tierschutz und der Tierseuchenbekämpfung.“
Aufgabe der Unis: Bedarfsbereiche stärker in den Fokus nehmen
Um dem langfristig entgegenzuwirken, möchte er sich dafür einsetzen, das Berufsbild bei Studierenden wie auch in der Öffentlichkeit besser zu vermitteln und die Wertigkeit des Berufes in seinen unterschiedlichen Facetten bewusst zu machen. Nur so könne die Abdeckung hoheitlicher Aufgaben auch in Zukunft gewährleistet werden. Um dem Mangel an Tierärzten zu begegnen, lautet sein Plädoyer: „Wir müssen an den bestehenden fünf veterinärmedizinischen Bildungsstätten in Deutschland mehr ausbilden.“ In Leipzig beginnen jedes Wintersemester 140 Studierende; pro Studienplatz gibt es etwa sieben Bewerber.
Praxisberichte
Den Mangel auf dem Land spüren alle Tierhalter – je nach Region ist er stärker oder schwächer. So berichtet aktuell der SWR aus dem Landkreis Lörrach, wo es nur noch zwei Tierärzte gibt, die Kühe und andere Nutztiere behandeln. Hier müssen Landwirte bereits mit langen Wartezeiten rechnen, was für die Tiere lebensbedrohlich werden kann.
Tierärztin Kathrin Jost aus Binzen (Kreis Lörrach) berichtet dem Sender, dass sie zwölf Tage am Stück arbeite und täglich bis zu 300 km fahre, um zu den Landwirten zu kommen. Für Notfälle kann es da zu spät sein. Ein Landwirt berichtet etwa, dass er bei einem Notfall lange herumtelefonieren musste, bis er einen Tierarzt erreichte. Der Arzt sei dann allerdings zu dem Zeitpunkt in Neuenburg am Rhein, 40 km entfernt, gewesen und habe noch zwei andere Patienten auf der Liste gehabt. Vier Stunden nach dem Anruf sei er da gewesen.
"Der Frühling war sehr, sehr heftig. Abends bin ich oft erst zwischen neun und zehn heimgekommen", sagt Jost. Zeit für Freizeit und Familie bleibe da kaum.
Zuschuss vorgeschlagen
Gesine Hesse vom Vorstand der Landestierärztekammer Baden-Württemberg bestätigt dem SWR, dass landesweit Fachkräfte fehlen. "Die Arbeit in der Nutztierpraxis ist ein Knochenjob. Dieser Einsatz rund um die Uhr mit wenigen Pausen, das muss man schon wollen", sagt sie. Manche unter den Tierärzten könnten das körperlich vielleicht auch nicht mehr leisten.
Der Lörracher Kreisvorsitzende des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbands BLHV, Heinz Kaufmann, schlägt daher einen Zuschuss vor, wenn Tierärzte Nutztiere behandeln. Das fände auch Hesse wünschenswert und eine sinnvolle Maßnahme.
Auch Praxisgemeinschaften, wie in Großbritannien, könnten laut der Tierärztin das Problem lösen. Die Veterinäre haben sich dort zu größeren Praxen zusammengeschlossen. Dadurch könnten die Praxen eine Rundumbetreuung für ihr Klientel anbieten - auch auf größeren Gebieten. "Weil sie mehr Angestellte haben und auch die Ruhezeiten einhalten können", sagt Hesse.