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Die Krise bei Ferkeln und Mastschweinen als Chance nutzen

Wie gehen mittelständische Unternehmer aus anderen Branchen mit Krisen um? Und was lässt sich davon auf die Schweinehaltung übertragen? Antworten gibt Eberhard Breuninger, der beide Seiten kennt.

Lesezeit: 8 Minuten

Auch wenn die Notierungen für Ferkel und Mastschweine zuletzt kräftig gestiegen sind: Ferkelerzeuger und Schweinemäster stecken weiter im Krisenmodus fest. Denn noch immer ist völlig offen, wie die künftigen Rahmenbedingungen in der Veredelung aussehen. Unklar ist auch, wie sich die wirtschaftliche Lage der Betriebe in den nächsten Monaten entwickelt. Durch den Krieg in der Ukraine steigen insbesondere die Futter- und Energiekosten immer weiter an. Das trifft vor allem die Sauenhalter hart, die im Sauen- und Ferkelaufzuchtstall viel zuheizen müssen.

Nichtsdestotrotz fragen sich viele landwirtschaftliche Unternehmer gerade in Krisenzeiten: Ist nicht genau jetzt, wo die Talsohle bei den Ferkel- und Mastschweinenotierungen durchschritten zu sein scheint, der richtige Moment gekommen, um antizyklisch zu investieren und damit auf eine bessere Zukunft zu wetten?

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Der Mittelständler prüft zuerst sein Unternehmen

Wer sich unsicher ist, sollten den Blick über den Tellerrand werfen und sich z.B. fragen: Wie würden sich mittelständische Unternehmen aus der Industrie in Krisenzeiten verhalten? Würden die Unternehmer aus dem Maschinenbau oder der Elektroindustrie bei unsicheren Rahmenbedingungen investieren oder lieber abwarten, bis sich der Nebel endgültig gelichtet hat?

Um diese Frage beantworten zu können, muss man erst einmal wissen, wie die Mittelständler „ticken“. Wie gehen sie vor, bevor sie Geld für Investitionen in die Hand nehmen? Der typische deutsche Mittelständler checkt sich bzw. sein Unternehmen erst einmal selbst. Dabei stellt er sich folgende Fragen:

  1. Können wir das auch umsetzen, was wir hier planen?
  2. Sind wir darin besser als andere?
  3. Bewegen wir uns in einem Wachstumsmarkt, in dem wir Geld verdienen können?
  4. Wer sind unsere Wettbewerber?
  5. Können wir mit Akzeptanz in der Gesellschaft und der Politik rechnen?
  6. Würden wir als Unternehmen überleben, falls diese Investition scheitern sollte?

Beantwortet der Industrieunternehmer die fünfte Frage mit „nein“, wird er auf keinen Fall investieren. Auch dann nicht, wenn er das nötige Knowhow von außen zukaufen könnte. Auf die Veredelung in Deutschland übertragen muss sich jeder Schweinehalter derzeit die Frage stellen: Ist es richtig, in einen Tierwohlstall zu investieren, wenn die Akzeptanz für Schweinefleisch und die fleischverarbeitende Industrie hierzulande immer weiter sinkt?

Vor der Investitionsentscheidung muss außerdem bedacht werden, dass die Nachfrage nach Schweinefleisch auf dem heimischen Markt seit Jahren schrumpft. Die Frage lautet daher: Bewegen wir uns noch in einem Wachstumsmarkt mit entsprechendem Absatzpotenzial im Inland? Zugleich muss die Frage beantwortet werden, ob die Produktion von deutschem Schweinefleisch für den Export überhaupt noch gewollt ist. Fakt ist, dass die Afrikanische Schweinepest den Export sehr stark einschränkt und die politischen Entscheider anscheinend kein Interesse an einer exportorientierten deutschen Schweinebranche haben. „Besser wäre es, weniger Tiere und die besser zu halten“, betont jedenfalls Landwirtschaftsminister Cem Özdemir.

Amerikaner nennen es den „perfekten Sturm“, wenn viele negative Aspekte zusammenkommen. Und das trifft auf Deutschlands Ferkelerzeuger und Mäster in den letzten Monaten voll und ganz zu. Kommen wir zurück zu der Frage: Was machen Mittelständler außerhalb der Agrarbranche, wenn ein Sturm droht? Zunächst handeln sie nicht viel anders als jeder landwirtschaftliche Unternehmer: Sie sichern kurzfristig die Liquidität, analysieren die Krisensituation und senken die Kosten.

Und was tun sie danach? Immer wieder neu denken und ganz bewusst über den eigenen Tellerrand hinaus schauen lautet die Antwort. Der Maschinenbauer Manfred Wittenstein zum Beispiel übernahm 1979 den väterlichen Betrieb in Nordwürttemberg mit rund 50 Mitarbeitern.

Der Betrieb war auf den Bau von Nähmaschinen für die Produktion von Damenhandschuhen spezialisiert. Der Markt für solche Nähmaschinen war jedoch kein Wachstumsmarkt, die wirtschaftliche Lage angespannt. In dieser Situation entschloss sich der junge Unternehmer, ganz auf eine neue Technologie zu setzen, die er in seinem Haus entwickelt hatte. Wittenstein entwarf kompakte, hochpräzise und spielarme Planentengetriebe. Heute ist Wittenstein ein renommierter und weltweit tätiger Hersteller von elektromechanischen Antriebslösungen mit über 2.500 Mitarbeitern und über 300 Mio. € Umsatz . Er hat frühzeitig erkannt, dass seine Nähmaschinen keine Zukunft haben und er hat gehandelt.

Typisch für Mittelständler wie Wittenstein ist es, immer wieder über bestehende Märkte und Kundenwünsche nachzudenken. Auf die Schweinehaltung bezogen lässt sich dieses Denkmuster grundsätzlich auch anwenden, allerdings mit bedeutenden Einschränkungen. Denn es ist nicht ganz einfach, neue Märkte für Ferkel oder Mastschweine aufzubauen. Am ehesten mag dies über Labelproduktion oder Direktvermarktung gelingen. Aber der Markt für Labelfleisch ist begrenzt. Und was kann der Landwirt seinen bisherigen Abnehmern noch bieten außer Ferkeln oder Mastschweinen? Vielleicht Vertragsschweine oder Fleisch mit besonderer Geschmacksnote, mit allen Chancen und Risiken die dazugehören.

In 360° denken

Gerade in der Landwirtschaft wird es angesichts der anhaltenden gesellschaftlichen Kritik immer wichtiger, in ganz neue Richtungen zu denken. Dazu gehört, auch außerhalb der Landwirtschaft aktiv zu werden. So wie Wolfgang Maier, Geschäftsführer der Farmbau Fertigsysteme aus Langenburg in Hohenlohe. Maier ist gelernter Landwirt, führt mittlerweile aber mehrere eigene Unternehmen in der Baubranche.

Wo und wie kann ich meine persönlichen Stärken außer in der klassischen Tierhaltung zu Geld machen?
Wolfgang Maier

Er baut Verschalungen für Rundbehälter und besitzt ein Beton-Fertigteilwerk. Von sich selbst sagt er: „Ich bin Bauer: Hallenbauer, Bürobauer und Hotelbauer.“ Sein nächstes Projekt: Ein Wellness- und Gesundheitshotel in Bad Mergentheim im Wert von 40 Mio. €.

Wolfgang Maiers Weg ist sicherlich nicht eins zu eins auf jeden Landwirt übertragbar, weil Maier Erfindergeist und Geschäftssinn perfekt verbindet. Aber seine Grundfrage ist wichtig für jeden Landwirt: Wo und wie kann ich meine persönlichen Stärken außer in der klassischen Tierhaltung zu Geld machen?

Genau diese Frage haben sich auch Franziska und Jochen Scheufler, Ferkelerzeuger aus Stolzeneck bei Öhringen, im Jahr 2016 gestellt .

Wie sollte es weitergehen mit den gut 300 Sauen? Den Bestand weiter ausbauen oder einen Maststall errichten, um alle Ferkel selbst mästen zu können? Scheuflers machten am Ende einen radikalen Schnitt und erkannten ihren Chancen in der Pferdehaltung. Sie stiegen aus der Sauenhaltung aus und bauten im Jahr 2018 die Pensionspferdehaltung aus - inklusive Aktivstall, Reithalle, Solarium und Koppeln. Die großzügige und hochwertige Anlage für rund 50 Pensionspferde war schon kurz nach der Eröffnung im Jahr 2021 komplett belegt. „Mit unserer Idee, den Pferden und ihren Besitzern ein Wohlfühl-Umfeld zu bieten, lagen wir genau richtig“, freut sich Franziska Scheufler.

Die Beispiele von Familie Scheufler und den mittelständischen Unternehmern zeigen, dass sie es gewohnt sind, gedanklich neue Wege zu gehen und das eigene Tun immer wieder in Frage zu stellen. Dabei versuchen sie zunächst, ihre aktuelle Lage sowie ihre Stärken und Potenziale möglichst präzise einzuschätzen und ihren persönlichen Weg in die Zukunft zu finden. Dazu gehört, auch mit Traditionen zu brechen und sich selbst neu zu erfinden. Oder wie es ein Unternehmer ausdrückt: „Ich mag Betriebe mit Tradition, aber noch lieber mag ich Betriebe mit Zukunft.“

Strategische Partner suchen

Wer auf der Suche nach einem Weg in die Zukunft ist, sollte offen sein für eine gemeinsame Lösungssuche. Im Mittelstand ist es üblich, über strategische Allianzen nachzudenken. Mit welchem Wettbewerber könnten wir uns zukünftig zusammentun, selbst wenn wir uns bislang noch erbittert bekämpfen? Wo ist ein Lieferant oder Kunde, mit dem wir enger zusammenarbeiten könnten? Welcher Investor könnte bei uns willkommen sein?

Das Ziel der strategischen Partnerschaften ist, die eigenen Stärken auszuspielen und gleichzeitig die eigenen Risiken überschaubar zu halten. Es geht darum, auch dann zu überleben, wenn sich eine Investition als Sackgasse herausgestellt haben sollte. Auf die Politik verlassen sich viele Mittelständler aus der Wirtschaft übrigens nicht allzu sehr.

Was rät der Mittelständler dem Bauern?

Zum deutschen Mittelstand zählen kleinere und mittlere Unternehmen, die bestimmte Grenzwerte bezüglich Umsatz, Beschäftigte oder Bilanzsumme nicht überschreiten. Die KfW-Bankengruppe z.B. definiert den Mittelstand als Unternehmen mit maximal 500 Mio. € Umsatz und nicht mehr als 500 Beschäftigten. In Deutschland erwirtschaften die kleinen und mittelständischen Unternehmen 3,4 Billionen € Umsatz und beschäftigen fast 20 Mio. Mitarbeiter. Die durchschnittliche Umsatzrendite liegt bei 7,3 %.

Von den wirtschaftlichen Erfolgen des Mittelstandes könnten auch Schweinehalter lernen. Doch was würden die erfolgreichen Unternehmer ihren Kollegen aus der Schweinebranche empfehlen? Vermutlich wären die folgenden Punkte dabei:

  • Halte Dich in der Krise zurück mit Investitionen.
  • Senke Deine Kosten, sprich mit Deinen Banken und versuche durchzuhalten, bis der Stall bezahlt ist.
  • Prüfe genau und kritisch, ob Spezialitätenmärkte oder die Labelproduktion zu Dir und Deinem Unternehmen passen könnten. Ist es ein wirklicher Wachstumsmarkt mit genügend Gewinnchancen für die nächsten Jahre?
  • Prüfe Integrationsmodelle (vertragliche Bindung) kritisch auf Gewinnchancen und „Augenhöhe“ zwischen den Vertragspartnern.
  • Kannst Du kurzfristig Produktionskapazitäten zupachten, sobald der Markt sich gedreht hat und die Gewinnschwelle wieder erreicht wird?
  • Nimm neue Trends und Technologien wie Veganismus und „Laborfleisch“ ernst und behalte sie im Auge.
  • Fang nie an, aufzuhören und hör nie auf, anzufangen. Entwickle für Dich persönlich, für Deine Familie und für Dein Unternehmen einen „Plan B“ ohne intensive Tierhaltung.

Eberhard Breuninger ist Kommunikationstrainer, Coach und Gesellschafter des Beratungsunternehmens Harten & Breuninger in Weikersheim. Aufgewachsen ist Breuninger auf einem typischen Hohenloher Ferkelerzeugerbetrieb der 70er Jahre mit 120 Sauen auf Stroh in Altgebäuden mitten im Dorf. Der Coach, der viele mittelständische Unternehmen aus der Industrie berät, kennt also beide Seiten. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit ist, für Unternehmen ein Zukunftsbild zu entwickeln und die Betriebe auf ihrem Weg des Wandels zu begleiten.

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