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Ein schonendes Ende: Nottötung unheilbar kranker Schweine mit CO2 oder E-Zange

Das Nottöten unheilbar kranker Schweine fällt vielen Landwirten schwer, vor allem das Entbluten. Schonende Alternativen sind die CO2-Box für kleine Saugferkel und die Elektrozange für ältere Schweine.

Lesezeit: 10 Minuten

Das Nottöten unheilbar kranker Schweine fällt vielen Landwirten schwer, vor allem das Entbluten. Schonende Alternativen sind die CO2-Box für kleine Saugferkel und die Elektrozange für ältere Schweine. top agrar hat für die Ausgabe 3/2018 zwei Praktiker zu ihren Erfahrungen befragt.


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Zum Leben gehören auch Krankheit und Tod dazu. Das gilt nicht nur für den Menschen, sondern auch für Haus- und Nutztiere“, ist Dr. Onno Burfeind, Fachbereichsleiter Schwein im Lehr- und Versuchszentrum Futterkamp, überzeugt. Jedes erkrankte Schwein habe ein Anrecht auf eine angemessene tiermedizinische Versorgung. Wenn sich über die vorgeschriebene Behandlungsdauer aber kein Erfolg zeigt oder sich das Leid des Tieres sogar noch verschlimmert, müsse der Tierhalter die Reißleine ziehen und das Tier erlösen. So gibt es auch das Tierschutzgesetz vor. Und wer zu lange zögert, macht sich strafbar.


Soweit die Theorie. In der Praxis tun sich viele Landwirte allerdings schwer, dem Leben eines ihrer Tiere aktiv ein Ende zu setzen. „Schließlich sind wir Tierhalter und keine Schlachter“, bringt es Tierärztin und Landwirtin Nadine Henke aus Bruchhausen-Vilsen in Niedersachsen auf den Punkt.


Der Gesetzgeber schreibt vor, dass die betreffenden Tiere zuerst betäubt und dann getötet werden müssen. Bei kleinen Ferkeln unter 5 kg Lebendgewicht erfolgt die Betäubung in der Regel durch Kopfschlag mit einem stumpfen Gegenstand wie z.B. einem Rundholz oder Hammer. Anschließend werden die Ferkel durch Entbluten per Kehlschnitt oder Bruststich getötet.


CO2-Box als Alternative


„Das ist jedoch keine schöne Arbeit. Von unseren neun Mitarbeitern erklärten sich deshalb nur zwei dazu bereit. Meistens blieb das Nottöten von Ferkeln, die keinen Saugreflex zeigten oder eine Anomalie aufwiesen, deshalb an mir hängen“, erinnert sich Heinrich Henke, der zusammen mit seiner Frau Nadine einen Ferkelerzeugerbetrieb mit 1250 Sauen betreibt. Pro Woche fallen im Betrieb Henke etwa 20 Ferkel an, die nicht überlebensfähig sind.


Deshalb haben Henkes bereits früh nach einem schonenderen Verfahren zum Nottöten kleiner Ferkel Ausschau gehalten. Auf der EuroTier 2014 entdeckten sie schließlich auf dem Stand der GFS-Topanimal Service GmbH die CO2-Box, eine Eigenentwicklung des Unternehmens. Sie kauften für 2490 € plus MwSt. ein Gerät, das bis heute in ihrem Stall im Einsatz ist. Es arbeitet mit CO2. Das Gas betäubt und tötet die Ferkel. Dadurch erspart das Gerät dem Tierhalter sowohl den Kopfschlag als auch den Kehlschnitt zum Entbluten des Tieres.


Die CO2-Box ist aus Edelstahl gefertigt, verfügt über einen Schiebedeckel mit Sichtfenster und bietet Platz für sechs bis acht kleine Saugferkel. Bei Inbetriebnahme wird CO2 über einen Schlauch in das Behälterinnere geleitet. Da CO2 schwerer ist als Luft, füllt sich die Box langsam von unten nach oben.


Im oberen Teil der Box befindet sich ein Sensor, der die Gaskonzentration misst. Sobald die Luft im Behälter zu 80% mit CO2 gesättigt ist, ertönt ein akustisches Signal und das Gerät ist betriebsbereit. „Diese Vorbereitungszeit dauert etwa 15 Minuten. Wir erledigen in der Zwischenzeit jedoch andere Arbeiten, sodass unter dem Strich keine Wartezeiten entstehen“, schildert Heinrich Henke das Prozedere.


Zum Einlegen des zu tötenden Saugferkels wird der Deckel kurz geöffnet, sodass das CO2 im oberen Bereich leicht verwirbelt. Am Boden der Box, wo sich das Ferkel befindet, bleibt die CO2-Konzentration jedoch unverändert. In der CO2-gesättigten Atmosphäre werden die Tiere zunächst bewusstlos. Bis sie betäubt sind, muss der Vorgang über ein Sichtfenster, dass sich im Deckel der Box befindet, überwacht werden.



Todeseintritt überprüfen


Sobald auch im oberen Bereich der Box wieder 80% CO2 -Sättigung erreicht sind, springt im Gerät eine Zeitschaltuhr an. Denn die Ferkel sollten mindestens zehn Minuten lang der CO2-Atmosphäre ausgesetzt sein, um sicher als tot zu gelten. Sobald die zehn Minuten abgelaufen sind, ertönt ein Signal, das Ferkel kann entnommen und der Eintritt des Todes kontrolliert werden. „Dazu berührt man das Auge des Ferkels mit dem Finger. Man prüft den sogenannten Lidreflex“, erläutert Dr. Burfeind das Vorgehen in Futterkamp, wo die Box ebenfalls seit 2014 im Einsatz ist.


Alternativ kann man auch den Nasenscheidewandreflex prüfen, bei dem man mit Daumen und Zeigefinger in die Rüsselscheibe des Schweines greift. Oder man testet den Zwischenklauenreflex, indem man mit Daumen und Zeigefinger kräftig zwischen die Klauen des Tieres kneift.


Werden die Reflexe von den Tieren nicht beantwortet und ist kein Herzschlag mehr zu spüren, gelten die Ferkel als sicher tot. In jedem Fall müssen die Tiere noch zehn Minuten liegen bleiben und beobachtet werden, bevor man sie zur Kadavertonne bringt.


Und die Kosten? „Bei einem Anschaffungspreis von inzwischen 2316€ und zehn Jahren Abschreibung entstehen Fixkosten in Höhe von 232 € pro Jahr“, rechnet Dr. Burfeind vor. Hinzu kommen die variablen Kosten für das CO2. In Futterkamp bezieht man das Gas von einem örtlichen Getränkehändler. Im Jahr 2017 wurden im Abferkelstall des Versuchszentrums insgesamt sechs Flaschenfüllungen verbraucht. Daraus errechnen sich variable Kosten in Höhe von rund 1 € pro Sau und Jahr.


Bleibt die Frage, ab welcher Herdengröße sich die Anschaffung einer CO2-Box lohnt? „Diese Frage kann man nicht beantworten, denn es hat weniger etwas mit der Herdengröße als vielmehr mit der Einstellung des Sauenhalters zu tun“, stellt Dr. Burfeind klar. Das Gerät sei eine gute Anschaffung für alle Landwirte, denen es Probleme bereitet, ein kleines Ferkel mit einem Kopfschlag zu betäuben und per Kehlschnitt zu öffnen und zu entbluten. Die Größe der Sauenherde sei nicht entscheidend.


Per Elektrozange töten?


Die CO2-Box ist jedoch nur für Ferkel bis maximal 5 kg zugelassen. Was macht man, wenn ein älteres Tier notgetötet werden muss? „Wir haben den großen Vorteil, dass meine Frau ausgebildete Tierärztin ist. Dadurch können wir unheilbar kranke, größere Schweine per Spritze erlösen. Meine Berufskollegen haben hingegen nur die Wahl zwischen Bolzenschuss mit anschließendem Entbluten und der Elektrozange“, räumt Sauenhalter Heinrich Henke ein.


Doch das Bolzenschussgerät muss exakt an der richtigen Stelle angesetzt werden, bei einer keilförmigen Kopfform des Schweines etwa 1 cm über der waagerechten Linie zwischen den Augen, exakt in der Mitte darüber. Bei steiler Stirn dagegen sollte der Abstand über der Augenlinie 2 bis 3 cm betragen. Das verlangt Übung und Erfahrung, zumal das Tier meistens nicht still hält.


Noch schwieriger lässt sich jedoch das vom Gesetzgeber geforderte anschließende Entbluten bewerkstelligen. „Das muss ruck, zuck gehen, denn schon kurze Zeit nach dem Betäuben fangen die Schweine an zu krampfen und mit den Beinen zu rudern“, erläutert Dr. Burfeind. Das erschwert es, die richtige Stelle zu finden und erhöht das Risiko für den Landwirt, sich selbst zu verletzen. Am besten ist es daher, wenn die Tiere noch in der starren Phase der Betäubung, die dem Krampfen vorausgeht, entblutet werden.


„Geradezu unmöglich ist es jedoch, das Blut, das beim Krampfen bis auf Kopfhöhe spritzt, sauber aufzufangen. Dazu bräuchte man schon einen eigenen Schlachtraum“, ist Landwirtin Nadine Henke überzeugt.

Zum Nottöten älterer Schweine erprobt man in Futterkamp deshalb seit November 2017 eine Elektrozange der Fa. Hubert Haas, wie sie auch in kleineren Schlachthöfen eingesetzt wird. Die Vorteile: Es geht erstens sehr schnell und vergleichsweise schonend für das Tier. Zweitens ist das Verletzungsrisiko für den Landwirt geringer. Und drittens entfällt das Ausbluten, denn mit der Zange können die Tiere sowohl betäubt als auch notgetötet werden.



Dazu muss die Elektrozange zweimal angesetzt werden. Zum Betäuben muss der Kopf des Tieres durchströmt werden. Man setzt die Zange entweder beidseitig am Ohrgrund des Tieres an oder genau in der Mitte zwischen Ohr und Auge, ebenfalls beidseitig (siehe Übersicht 1).


Zum anschließenden Töten muss das Herz des Tieres von Strom durchflossen werden. Die Ansatzstellen für die Herzdurchströmung befinden sich im Bereich des Herzens beidseitig am Brustkorb (siehe Übersicht 2). Oder die Elektroden werden an der seitlichen Brustwand im Bereich des Herzens und auf dem Rücken angesetzt. Um einen besseren Kontakt zu garantieren, kann man die Stellen, an denen die Zange angesetzt werden soll, vorher anfeuchten. Das wird zum Beispiel beim Töten von Sauen empfohlen.



230 V-Anschluss genügt


Die in Futterkamp eingesetzte Elektrozange, die zwischen den Einsätzen in einem abschließbaren Stahlschrank gelagert wird, kostet 2600 € plus Mehrwertsteuer. Das Gerät benötigt einen 230 V-Netzanschluss, wiegt etwa 21 kg und besteht aus einer Steuereinheit inklusive 2-Stufen-Transformator, einem Spiralkabel und einer Edelstahl-Elek-trozange mit Kupferelektroden.Je nach Tiergewicht kann man zwischen drei Einstellungen wählen: Bis 50 kg Lebendgwicht (LG) sind 1 Ampere (A) Stromstärke nötig, über 50 und bis 70 kg LG stellt man das Gerät auf 2 A ein, und über 70 kg LG auf 2,3 A.


Die Kopfdurchströmung sollte mindestens 10 Sekunden andauern und die Herzdurchströmung mindestens 14 Sekunden. Das Gerät verfügt über optische und akustische Signalgeber, wenn die vorgegebenen Zeiten erreicht bzw. noch nicht erreicht sind. Die Kontrolle, ob der Tod eingetreten ist, erfolgt ebenfalls per Lid-, Nasenscheidewand- oder Zwischenklauenreflex. Die toten Tiere werden weiter beobachtet und frühestens nach zehn Minuten zur Kadavertonne gebracht.


Ebenso wie bei der CO2-Box lässt sich auch hier die Frage, ab wann sich die Anschaffung einer Elektrozange lohnt, schwer beantworten. „Bei 10 Jahren Abschreibung fallen pro Jahr 260 € Festkosten an. Umgerechnet auf 3000 jährlich produzierte Mastschweine wird jedes Mastschwein nur mit knapp 9 Cent belastet“, rechnet Dr. Burfeind vor.


Die Betriebsgröße spielt seiner Meinung nach aber auch hier keine Rolle. „Entscheidend ist, ob der Landwirt die zu tötenden Schweine entbluten kann und will oder nicht“, bringt es Dr. Burfeind auf den Punkt.



Landwirte nicht allein lassen!


Beide Geräte, sowohl die CO2-Box als auch die Elektrozange, tragen dazu bei, das unvermeidliche Nottöten von unheilbar kranken Schweinen für Mensch und Tier ein Stück erträglicher zu machen. Aber auch diese Arbeit verlangt Erfahrung. Einige Lehr- und Versuchsanstalten und Beratungsorganisationen bieten dazu entsprechende Tageslehrgänge an – oftmals in Kooperation mit dem BSI, dem Beratungs- und Schulungsinstitut für Tierschutz bei Transport und Schlachtung in Schwarzenbek.


„Unsere Mitarbeiter nehmen alle an einem Lehrgang zum tierschutzgerechten Betäuben und Nottöten von Schweinen teil“, berichtet Schweinehalterin Nadine Henke. Theoretischer Unterricht reicht ihrer Meinung nach jedoch nicht. Jeder Landwirt sollte darüber hinaus unter fachlicher Aufsicht schon ein oder mehrere Tiere notgetötet haben, um sicherer zu werden. Im Rahmen der Tagesseminare ist das jedoch nicht möglich, weil zum jeweiligen Zeitpunkt nicht genügend Tiere bereitstehen, die erlöst werden müssen.


Dr. Elisabeth große Beilage von der Tierärztlichen Hochschule Hannover hat deshalb vorgeschlagen (siehe top agrar 1/2018, Seite S30), dass diese praktische Unterweisung auf dem eigenen Betrieb durch den Hoftierarzt erfolgen könnte. „Das setzt jedoch voraus, dass die Tierärzte zuvor selbst geschult werden. Denn während meines Studiums stand das Nottöten per Bolzenschuss und Entbluten auf keinem Lehrplan“, gibt die Tierärztin zu bedenken.


In jedem Fall dürfe man die Landwirte mit dem Problem nicht allein lassen. „Wir brauchen klare Vorgaben, ab wann ein Tier notgetötet werden muss. Und diese Vorgaben müssen auch von allen Amtsveterinären und von den Tierschutzorganisationen mitgetragen werden“, ist Nadine Henke überzeugt.


Es dürfe nicht passieren, dass dieser Konflikt mangels klarer Vorgaben auf dem Rücken der Landwirte ausgetragen werde und der Schweinehalter am Ende als Tierquäler dastehe – entweder weil er das leidende Tier zu früh oder zu spät erlöst hat.

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