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Experten favorisieren Jungebermast

Ergänzend zur Pressemitteilung der QS GmbH zur Tagung "Verzicht auf Ferkelkastration" fasst AgE heute die Ergebnisse der Tagung zusammen. Die Tagung veranstalteten die QS GmbH und das Bundeslandwirtschaftsministerium vorige Woche gemeinsam in Berlin.

Lesezeit: 7 Minuten

Ergänzend zur Pressemitteilung der QS GmbH zur Tagung "Verzicht auf Ferkelkastration" fasst AgE heute die Ergebnisse der Tagung zusammen. Die Tagung veranstalteten die QS GmbH und das Bundeslandwirtschaftsministerium vorige Woche gemeinsam in Berlin.


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Die großen Fleischverarbeiter Deutschlands machen als Alternative zur Ferkelkastration den nächsten Schritt und forcieren den Einstieg in die Ebermast. Der Abteilungsleiter Landwirtschaft bei Tönnies Fleisch, Dr. Wilhelm Jaeger, erklärte, schlachtet das Unternehmen aus Rheda-Wiedenbrück pro Woche mittlerweile 12 000 bis 14 000 Eber. "Die große Nachfrage nach dem Fleisch zeigt, dass viele Kunden Wiederkäufer sind", sagte Jaeger vor dem Hintergrund häufig gestellter Frage zur Fleischqualität und der Aufgabe, so genannte "Stinker", Eberfleisch mit starker Geruchsbelastung, aus dem Verkehr zu ziehen. Landwirte mit Interesse am Einstieg in die Ebermast sind bei Tönnies weiter willkommen.


Laut Jaegers Pendant bei Vion, Dr. Heinz Schweer, schlachtet der deutsch-holländische Fleischverarbeiter in den Niederlanden bereits rund 35 000 Eber pro Woche. Der Anstoß zur Ebermast kam für die hiesigen Schlachtkonzerne aus Holland, wo Tierschützer gegen die betäubungslose Kastration mobil machten und beim Einzelhandel auf offene Ohren stießen. Wie Gé Backus von der Universität Wageningen unterstrich, geht es dabei nicht nur um die Kette Albert Heijn. Vielmehr würden 2011 voraussichtlich sämtliche großen niederländischen Einzelhändler und Foodservice-Betriebe auf Eberfleisch einschwenken. Würden derzeit rund 20 % der männlichen Schweine als Eber gemästet, seien es im nächsten Jahr voraussichtlich 40 %, erläuterte Backus. Außen vor bleibt somit offenbar noch der Export.


Drei Alternativen


Vor einer Marktspreizung durch die verstärkte Ebermast warnte Paul Daum vom Einzelhändler Kaisers Tengelmann: "Wir wollen vermeiden, dass der Markt gespalten wird und wir zwei verschiedene Notierungen für weibliche und männliche Tiere haben", sagte der Einzelhandelsfachmann. Dass Eberfleisch teurer verkauft wird als heute handelsübliches Fleisch, kann er sich "schlecht vorstellen". So kann er sich denn auch nicht mit einer speziellen Kennzeichnung anfreunden. Er warnte vor einer Verwirrung der Verbraucher. Bisher habe es diese nicht interessiert, ob die Ferkel kastriert würden oder nicht. Ähnlich äußerte sich Jutta Jaksche vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), für die die Abkehr von der betäubungslosen Ferkelkastration bisher ohne die Konsumenten stattgefunden hat. Für die Verbraucher sei das Thema nur schwer einzuordnen, da nur an einer kleinen Stellschraube in der Produktion etwas verändert werde. Jaksche forderte mit Blick auf das Tierwohl "die Systeme als Ganzes" zu betrachten und warf die Frage auf, ob der Eber besser lebt "als sein kastrierter Kollege". Die vzbv-Vertreterin sprach sich für ein EU-Tierschutzlabel aus.


2011 einen Zeitpunkt nennen


Für eine europäische Lösung zur Abkehr von der Ferkelkastration plädierte bei der QS-Tagung Abteilungsleiter Bernhard Kühnle aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium. Er rechnet damit, "dass wir 2011 in der Lage sind, den Zeitpunkt zu nennen", zu dem der Ausstieg aus der Ferkelkastration feststehen soll. Einen solchen Schlussstrich - in Großbritannien besteht ein Verbot bereits - erwartet er noch in diesem Jahrzehnt. Der Stichtag werde "mit 201" beginnen, umschrieb er seine Erwartungen an die Jahreszahl. Gleichzeitig betonte er, derzeit gebe es drei zulässige Verfahren als Alternative zur betäubungslosen Ferkelkastration, nämlich die Impfung - damit ist die so genannte Immunokastration mit einem Präparat von Pfizer gemeint -, die Betäubung mit Isofluran und die Ebermast. Langfristig solle die Integrität des Tieres sichergestellt werden, hob Kühnle hervor.


Für Große einfacher als für Kleine


Für den Zentralverband der Deutschen Schweineproduktion (ZDS) warnte deren Vorsitzender Helmut Ehlen vor einem "kalendarischen Vorgehen" im Sinne einer zu frühen Festlegung eines Ausstiegsdatums. Als entscheidenden Faktor sieht er "das Feststellen der Geruchsabweichler". Noch komplexer werde die Aufgabe durch "unterschiedliche Kulturen mit unterschiedlichen Geschmackskulturen".


Hingegen forderte der Vorsitzende des Deutschen Tierschutzbundes, Wolfgang Apel: "Wir müssen uns ein Zeitfenster geben." Zugleich stellte er sich hinter Isofluran, dessen Anwendung sein Verband bei der Kastration von Ferkeln im Neuland-Fleischprogramm unterstützt. Neuland-Bundesgeschäftsführer Jochen Dettmer äußerte sich zurückhaltend zum Umstieg auf die Ebermast. Dies sei zwar langfristig anzustreben, jedoch aufgrund der schwierigen Bestimmung des Ebergeruchs und mangelnder Verwertungsalternativen heute für Neuland noch nicht praxisreif. Die Umsetzung der Ebermast in großen Schlachtunternehmen dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, dass in kleinen dezentralen Strukturen des Fleischerhandwerks eine Verwertung von Stinkern nicht möglich sei.


Renaissance für die Kartoffelstärke?


Dass in der Fütterung durchaus Möglichkeiten bestehen, den hauptsächlich durch die Substanzen Androstenon und Skatol verursachten Ebergeruch zurückzudrängen, stellte Dr. Saara Betscher von der Tierärztlichen Hochschule Hannover dar. Sie machte auf Forschungsergebnisse aufmerksam, wonach rohfaserliefernde Komponenten wie Trockenschnitzel und Sojabohnenschalen keinen wesentlichen Einfluss auf den Skatolgehalt im Fett hatten, während Inulin und rohe Kartoffelstärke zu einer deutlichen Reduktion führten. Da verschiedene Studien bereits belegt hätten, dass eine Futterumstellung in den letzten drei Wochen ausreichend sein dürfte, den Skatolgehalt im Fettgewebe deutlich unter den bislang gültigen Orientierungswert zu bringen, kämen neue Fütterungskonzepte insbesondere in den letzten Wochen vor der Schlachtung zum Einsatz.


Zudem machte Betscher auf die Bedeutung trockener, sauberer Buchten aufmerksam. Es sei bereits gezeigt worden, dass bei einer längerfristigen Verweildauer des Kotes in den Buchten - insbesondere bei höheren Temperaturen - das aus den Exkrementen freigesetzte Skatol über die Lunge aufgenommen und ebenso wie Skatol, das aus dem Darmtrakt resorbiert aber nicht in der Leber verstoffwechselt wurde, im Fettgewebe eingelagert werde.


Zwei Jahre später


Zur Vorgeschichte des Ebermasteinstiegs erinnerte der Fleischexperte des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Roger Fechler, an die im September 2008 gemeinsam mit Lebensmittelhandel und Fleischwirtschaft verabschiedete Düsseldorfer Erklärung, die den Druck für eine Lösung erheblich erhöht habe. Seinerzeit habe man sich entschieden, vorrangig den Verzicht auf die Kastration zu verfolgen. Alle anderen Verfahren seien mit erheblichen Eingriffen für das Tier verbunden, sei es die Narkotisierung oder die Immunokastration. "Unser Ziel ist und bleibt deswegen die Jungebermast", betonte Fechler. Vor einem endgültigen Ausstieg aus der Kastration müssten aber praktikable und verlässliche Lösungen gefunden werden, angefangen von der Züchtung über Haltungs- und Fütterungsfragen, Transport, Schlachtung und Verarbeitung bis hin zum Verbraucher. "Neben der Marktakzeptanz im EU-Binnenmarkt dürfen dabei auch die Drittlandsmärkte nicht außer Acht gelassen werden," mahnte Fechler vor dem Hintergrund der deutschen Exportaktivitäten. Er erinnerte an die Festlegung im QS-System, wonach Ferkel nur noch unter Einsatz geeigneter Schmerzmittel kastriert werden dürfen.


Schmerzmittel bei QS demnächst als KO-Kriterium


Dr. Hermann-Josef Nienhoff, QS GmbH, betonte in einer Erklärung anlässlich des Berliner Workshops, die Jungebermast sei nach Einschätzung von Experten der beste Weg für eine generelle, nachhaltige Lösung. In einer aktuellen Konsumentenstudie werde deutlich, dass die Verbraucher fettarmes Kotelettfleisch von Jungebern nicht signifikant anders bewerten als herkömmliches Schweinefleisch. Auch eine Kennzeichnung als Jungeberfleisch habe in ersten Spontanbeurteilungen nicht zu einer Verschlechterung der Bewertung geführt.


Ein wichtiger erster Schritt auf dem Weg zum Ausstieg aus der Ferkelkastration sei die Vorgabe gewesen, dass alle QS-Ferkelerzeuger bei der Ferkelkastration Schmerzmittel einsetzen müssten. "QS hat sich hier - mit Blick auf verbesserten Tierschutz - auf ein entscheidendes Kriterium oberhalb der gesetzlichen Vorgaben festgelegt, das ab 2011 sogar als KO-Kriterium bewertet wird", heißt es in der Erklärung von QS. Andere europäische Länder seien dem Vorgehen im QS-System gefolgt.


Aufspüren von Geruchsabweichungen gelöst?


Das Aufspühren von Geruchsabweichungen ist laut QS vorangekommen. Neue Ansätze zur zuverlässigen, standardisierten Geruchserkennung direkt über trainierte Personen am Schlachtband verdienten ebenfalls Beachtung und sollten forciert werden. Dr. Mark Bücking vom Fraunhofer Institut erklärte nach Angaben von top agrar, dass das Institut inzwischen seit etwa zwei Jahren an der Entwicklung der so genannten "Elektronische Nase" zum Aufspüren der "Stinker" arbeite. So funktioniere zwar die Analyse der gasförmigen Geruchsstoffe von erhitzen Speckproben einwandfrei. Und der dazu erforderliche Computerchip koste lediglich rund 10 bis 20 €. Allerdings sei ein gravierendes Problem, nämlich die richtige Entnahmetechnik für die Speckproben noch nicht gefunden. Hier besteht offensichtlich weiterer Forschungsbedarf.

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