Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Milchpreis Maisaussaat Ackerboden Rapspreis

topplus Faire Erzeugerpreise

Fleisch: „Mindestpreise haben keine Chance“

Während Bauern immer weniger erlösen, steigen die Margen von LEH und Schlachtern. Dr. Albert Hortmann-Scholten sieht verordnete Mindestpreise als wenig realistisch.

Lesezeit: 5 Minuten

Die Fleischbranche streitet immer wieder darüber, wer welchen Anteil vom Fleischverkauf bekommt. Dr. Albert Hortmann-Scholten von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen kennt sich in der Kette aus und weiß, wo die Margen derzeit am größten sind.

Der Discounter Lidl und einige Schlachtunternehmen bestätigen, dass die Fleischpreise seit dem ASP-Ausbruch im September 2020 nicht nachverhandelt wurden. Gleichzeitig ist der VEZG-Preis aber um 28 Cent pro kg SG gefallen. Was sagen die Bauern dazu?

Das Wichtigste zum Thema Schwein mittwochs per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Hortmann-Scholten: Die zahlreichen Schlepperdemos sprechen eine klare Sprache. Zudem muss man deutlich sagen, dass die Erzeugerpreise sogar noch stärker als 28 Cent/kg gefallen sind. Denn die Schlachthöfe haben für übergewichtige Schweine erheblich weniger gezahlt. Man darf die Marktbedeutung der Handelsketten aber auch nicht überbewerten. Lidl ist zwar unter den Discountern die Nr. 1, verkauft allerdings nur 2 % des deutschen Schweinefleischs. Damit ist der Einfluss auf den Erzeugerpreis kleiner als viele glauben.

Die Rote Seite jammert über die fehlenden Erlöse im Export. Wie hat sich die Marge der Schlachtbranche im vergangenen Jahr aus Ihrer Sicht entwickelt?

Hortmann-Scholten: Die Drittlandexporte sind nach dem 10. September 2020 drastisch eingebrochen. Produkte, die vor dem ASP-Ausbruch für 6 und 8 € pro kg in Asien verkauft werden konnten, werden nun teilweise teuer entsorgt. Die Betreiber der Lagerhäuser berichten zudem, dass große Fleischmengen kostenintensiv eingefroren wurden. Auch die Verlagerung der Exporte auf innereuropäische Märkte war nicht einfach und gelang teilweise nur über Kampfpreise. Durch fehlende Drittlandexporte haben Schlachthöfe schätzungsweise zwischen 25 und 30 € pro Schwein an Wertschöpfung verloren. Das darf man in der Diskussion nicht vergessen.

Produkte, die vor dem ASP-Ausbruch für 6 und 8 € pro kg in Asien verkauft werden konnten, werden nun teilweise teuer entsorgt.

Die Marktspanne (Differenz aus Verbraucherpreis und Erzeugerpreis) ist auf 6 € pro kg gestiegen. Wo „versickert“ das Geld in der Kette?

Hortmann-Scholten: Das Geld versickert vor allem dort, wo der Gesetzgeber in der Fleischwirtschaft neue Kostenpositionen eingeführt hat. Dazu zählen:

  • Die Corona-bedingten Hygiene- und Vorsichtsmaßnahmen, die im Rahmen der Arbeitsschutzverordnung erlassen wurden, kommen die Schlachter teuer zu stehen. Aufgrund der „verordneten“ Kapazitätsverringerung steigen die fixen und variablen Kosten in jedem deutschen Schlachtunternehmen.



  • Die immer wieder notwendigen Betriebsschließungen führen zu erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen.



  • Das Verbot von Werkverträgen erhöht die Kosten und verringert die Flexibilität der Arbeitserledigung.



  • Unternehmen der Fleischwirtschaft, wie z.B. Tönnies, schaffen neuen Wohnraum für die Mitarbeiter. 6.000 Werkvertragsarbeiter erhalten reguläre Arbeitsverträge und Unterkünfte.



  • Seit dem 1. Januar 2021 belastet die neue CO2-Bepreisung energieintensive Prozessketten in der Lebensmittelverarbeitung.

All die genannten Maßnahmen und Vorgaben erhöhen die Schlacht- und Zerlegekosten und vergrößern die Differenz zwischen Erzeuger- und Konsumentenpreisen. Am Ende verliert die deutsche Erzeugerstufe dadurch im europäischen Vergleich erheblich an Wettbewerbskraft.

Der LEH versucht sich als Partner der Landwirtschaft zu präsentieren und führt sogar direkte Gespräche. Was halten Sie davon?

Hortmann-Scholten: Grundsätzlich begrüße ich das und es gibt erfolgsversprechende Beispiele. So bekennt sich der LEH häufig zur deutschen bzw. regionalen Erzeugung. Bei den Schlachthöfen sind die Widerstände gegenüber der Regionalität größer, weil sie sich als Kostenoptimierer möglichst große Schlacht- und Verkaufsmengen sichern wollen. Kleinere Regionalprogramme sind vielen großen Schlachtunternehmen zu aufwändig, da sie innerbetrieblich die Logistikkosten nach oben treiben.

Um mehr Fairness in der Kette zu erreichen, braucht es Transparenz. Hilft ein „runder Tisch“, bei dem alle Beteiligten der Kette über Preise sprechen? Müssen wir die Preise anhand der tatsächlichen Produktionskosten festlegen?

Hortmann-Scholten: In einer Marktwirtschaft kann man Preise nicht per Gesetz oder an runden Tischen festlegen.Mindestpreise für Fleisch sind eine populistische Fiktion weltfremder Politiker, weil es den Prinzipien der Marktwirtschaft widerspricht. Faire Erzeugerpreise müssen anders zu Stande kommen. Das jetzt im Kabinett verabschiedete Lieferkettengesetz bietet hier gute Ansätze. Um Nachhaltigkeit und Fairness zu gewährleisten, brauchen wir Transparenz. Möglicherweise gelingt dies in Regionalprogrammen besser.

Mindestpreise für Fleisch sind eine populistische Fiktion weltfremder Politiker, weil es den Prinzipien der Marktwirtschaft widerspricht.

Der Solidarzuschlag des LEH hat sich in der Breite nicht durchgesetzt und sogar teilweise zu Neid und Unmut geführt. Wie könnte der Handel die heimischen Bauern am besten finanziell unterstützen?

Hortmann-Scholten: Der Solidarzuschlag, der im Wesentlichen durch Lidl und Kaufland initiiert wurde, war gut gemeint, aber schlecht gemacht. Mitbewerber aus dem Discount haben die Aktion unterlaufen und Lidl so zum Rückzug gezwungen. Der gesamte LEH hätte dem Konsumenten gemeinsam klarmachen müssen, dass die in Deutschland erzeugten Lebensmittel ─ insbesondere Fleisch ─ zu wesentlich höheren Standards nachhaltig erzeugt werden. Fakt ist: Der Handel kann beim Thema Tierschutz nur dann glaubwürdig sein, wenn er sich von EU-Wettbewerbern abgrenzt, die das hohe deutsche Tierschutzniveau unterlaufen.

Der LEH ist erst glaubwürdig, wenn er deutsches Fleisch offen deklariert.

Warum kann die Vereinigung der Erzeugergemeinschaften für Vieh und Fleisch (VEZG) nicht einfach höhere Preise für die Erzeuger erzwingen?

Hortmann-Scholten: Erst vor wenigen Tagen hat der Bundesrat über Änderungen des Agrarmarktstrukturgesetzes beraten. Baden-Württemberg hat hierzu eine Änderung des Fleischgesetzes und des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen beantragt. Danach sollen anerkannte Erzeugergemeinschaften verbindliche Mindestpreise pro kg Schlachtgewicht für Fleisch festsetzen. Der Ansatz ist zwar interessant, kann aber nur gelingen, wenn die Marktdurchdringung von Erzeugerzusammenschlüssen so groß ist, dass Abnehmer nicht daran vorbeikönnen. Die VEZG hat lediglich knapp 10 % der deutschen Rindfleischerzeugung und rund 28 % der Schweinefleischproduktion gebündelt. Jeder Mindestpreis würde so bei hohem Lebendangebot sofort mit Hauspreisen unterlaufen.

top agrar besser machen. Gemeinsam
Sie sind Schweinehalter oder lesen regelmäßig den top agrar Schweine-Teil und/oder die SUS? Dann nehmen Sie an einem kurzen Nutzerinterview teil.

Die Redaktion empfiehlt

top + Zum Start in die Maisaussaat keine wichtigen Infos verpassen

Alle wichtigen Infos & Ratgeber zur Maisaussaat 2024, exklusive Beiträge, Videos & Hintergrundinformationen

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.