Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am Institut für Nutztiergenetik des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) in Mariensee ist es gelungen, Schweine genetisch so zu verändern, dass sie trotz eines männlichen Chromosomensatzes weibliche Geschlechtsmerkmale ausbilden. Dies könnte eine zukünftige Alternative zur Ferkelkastration darstellen, die dem für manche Menschen unangenehmen Ebergeruch des Fleisches unkastrierter männlicher Mastschweine vorbeugen soll.
Die Studie beschreibt die Erzeugung von genveränderten Schweinen, bei denen eine bestimmte Region des Y-Chromosoms (SRY) ausgeschaltet wurde. Diese spielt bei der Geschlechtsbestimmung eine wichtige Rolle. Es handelt sich dabei um die sogenannte „High Mobility Group (HMG) Domäne“, eine zentrale Einheit innerhalb des SRY-Gens, die eine Schlüsselrolle bei der frühembryonalen Geschlechtsbestimmung spielt. Unter der wissenschaftlichen Leitung von Dr. Björn Petersen verwendete Stefanie Kurtz im Rahmen ihrer Doktorarbeit das CRISPR/Cas-Verfahren, um diese HMG-Domäne auszuschalten. Dies führte zu Schweinen, die zwar einen männlichen Chromosomensatz tragen, jedoch weibliche Geschlechtsmerkmale aufweisen. Hierbei zeigte sich, dass die Geschlechtsorgane bei genetisch veränderten neun Monate alten Schweinen im Vergleich zu gleichaltrigen weiblichen Kontrolltieren signifikant kleiner blieben. Zudem waren die Tiere unfruchtbar, was nahelegt, dass weitere Gene an der Ausdifferenzierung der Geschlechtsorgane beteiligt sind.
Alternative zur chirurgischen Ferkelkastration?
„Die Ergebnisse könnten die Grundlage für eine mögliche Alternative zur chirurgischen Kastration bei der kommerziellen Schweineproduktion zur Verhinderung des Ebergeruchs darstellen. Zudem stellen die Tiere aufgrund der genetischen, physiologischen und anatomischen Ähnlichkeiten zwischen Schweinen und Menschen ein neuartiges Großtiermodell zur Untersuchung der Geschlechterausbildung dar, was neue Forschungsansätze damit verbundener Entwicklungsstörungen auch beim Menschen ermöglicht“, so Dr. Björn Petersen.
In Mäusen konnte bereits gezeigt werden, dass SRY eine wichtige Rolle bei der Ausbildung des männlichen Geschlechts spielt. Es war aber bisher nicht bekannt, welche Bereiche der SRY-Region für die Geschlechtsdeterminierung verantwortlich sind und ob dies auch für andere Säugetiere zutrifft.
Die Studie wurde im Wissenschaftsjournal „Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America“ (PNAS) veröffentlicht und kann HIER heruntergeladen werden.