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topplus Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung

Haltungs-VO:„Ohne finanzielle Förderung geht’s nicht!“

Die neue Haltungs-VO schreibt 5 m2 pro Sau im Deckzentrum vor. Das gilt aber „nur“ vom Absetzen bis zur Besamung, betonen Dr. Eckhard Meyer (LfULG Sachsen) und Bernhard Feller (LWK NRW).

Lesezeit: 9 Minuten

Der Bundesrat hat Anfang Juli die Novellierung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung beschlossen. Wie sind die Reaktionen der Schweinehalter?

Feller: Die Reaktionen reichen von Unverständnis und Kopfschütteln bis zu Verärgerung. Inzwischen haben sich die Gemüter etwas beruhigt. Einige Vorgaben des Verordnungsentwurfs wurden inzwischen klarer. Fakt ist: ­Jeder Betrieb ist von den neuen Haltungsvorgaben anders betroffen. Das gilt v. a. für den Deckbereich.

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Künftig sind im Deckbereich fünf Quadratmeter pro Sau vorgesehen. Für welchen Zeitraum gilt das genau?

Meyer: Diese Vorgabe bezieht sich „nur“ auf das kurze Zeitfenster vom Absetzen bis zur Besamung. Das wird aus meiner Sicht unweigerlich zu einem zweiphasigen System aus Arena und Gruppenhaltung führen: Nach dem Absetzen tragen die Sauen in einer Arena zunächst die Rangkämpfe aus, werden dann im Deckzentrum zur ­Besamung fixiert und anschließend in Gruppen gehalten. Im Deckzentrum gelten 2,25 m² für die Altsauen und 1,65 m² für die Jungsauen in Gruppen von sechs bis 39 Tieren.

Wie können Sauenhalter dieses zweiphasige System umsetzen?

Meyer: Die hochfruchtbaren Sauen beginnen meist schon ab dem dritten Tag nach dem Absetzen mit der Rausche, teilweise noch früher. Die Arena kann deshalb ganz einfach gestaltet sein, da die Aufenthaltsdauer kurz ist und nur dazu dient, die Rangordnung auszubilden. Wo es möglich ist, können Außenbereiche erschlossen werden, z. B. zwischen den Abteilen − wahlweise mit oder ohne Überdachung. Denkbar ist auch ein eingestreu­ter Bereich in einer Scheune oder ein Auslauf in einer doppelt eingezäunten Wiese. Da die Sauen in dieser Zeit wenig fressen, kann eine Bodenfütterung mit ausreichender Wasserversorgung kombiniert werden. Wichtig ist, dass der Boden klauenfreundlich ist und jeder Sau 5 m² Platz zur Verfügung stehen.

Und wie sieht die Haltung im eigent­lichen Deckzentrum aus?

Meyer: Die Gruppenhaltung mit Kastenständen wird nicht verboten. Denn die kurzzeitige Fixierung brauchen wir, um die Sauen sicher be­samen zu ­können. Es bleibt also beim Prinzip des Deckzentrums bis zur sicher festgestellten Trächtigkeit nach 28 Tagen. Es müssen jedoch Selbstfangbuchten entwickelt werden, die auch zur Besamung ge­eignet sind. Die Sauen werden die Kastenstände überwiegend zum Liegen auf­suchen, daher dürfen die lichten Weiten nicht zu eng gewählt werden. Wir halten eine Kastenstandbreite von 68 cm für optimal. Die Laufgänge sollten mindestens 2,80 m breit sein, damit sich die Sauen aus dem Weg gehen können. Diese Empfehlungen basieren aber auf eigenen Versuchsergebnissen, es handelt sich nicht um rechtliche Vorgaben. In Altanlagen bekommt man die gesetzlich vorgeschriebenen 2 m Gangbreite für die Doppelreiher meist nur durch den Ausbau einer Kastenstandreihe hin. Und die geforderten 1,60 m für die einreihige Aufstallung sind oft bei leichter Verschiebung der Stände hin zum ­Futtergang möglich.

Dürfen Sauen zwischen der ersten und zweiten bzw. dritten Besamung ­fixiert werden?

Meyer: Das ist ganz klar im Verordnungstext geregelt. Jungsauen und Sauen müssen in der Gruppe gehalten werden. Die Sauen dürfen nur für den Vorgang der Besamung fixiert werden. Davor und danach müssen sie die Möglichkeit haben, den Stand zu ­verlassen. Dieser ist nur noch als Bestandteil eines Gruppenhaltungs­systems zulässig.

Ein Teil der Fläche muss als Liege­fläche und Aktivitätsbereich ausgeführt werden. Auch Rückzugsmöglichkeiten werden gefordert. Was bedeuten die neuen Vorgaben für die Buchten­strukturierung im Deckzentrum?

Feller: Für die Umsetzung gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Aktivitäts- und Liegebereich können z. B. in einer Arena zusammengefasst werden. Oder der Fress- und Liegebereich kann als Fress-Liegebucht mit dahinter ­liegendem Aktivitätsbereich angeboten werden. Alle drei Funktionsbereiche können aber auch getrennt vonein­ander angeordnet sein. Wichtig ist ­jedoch, dass die Fress-Liegebuchten ­allein keine ausreichende Buchten­struktur darstellen. Der Aktivitäts­bereich muss noch durch den Einbau von Sichtblenden bzw. Buchtentrenn­wänden strukturiert werden.

Kastenstände dürfen in den nächsten acht Jahren nur dann weiter genutzt werden, wenn die Sau die Glied­maßen ungehindert ausstrecken kann. Wie lässt sich das realisieren?

Meyer: Zunächst einmal ist es positiv, dass eine im Nachbarstand ruhende Sau nicht als Hindernis angesehen wird. Auch die Bodenbefestigung der Kastenstände an zwei Punkten stellt kein bauliches Hindernis dar. Zu Diskussionen kann es jedoch bei wandständigen Buchten kommen, weil die Sauen nur zu einer Seite die Beine ausstrecken können. Ob diese im Einzelfall leer bleiben müssen, sollte man mit dem zuständigen Veterinäramt klären.

In vielen Betrieben werden An- und Erweiterungsbauten notwendig. Welche Betriebe sind betroffen, und was muss der Gesetzgeber jetzt ändern?

Feller: Die Genehmigungslage ist relativ klar. Ein Problem ergibt sich aus der Änderung des Baurechts. Mit der Änderung des Baugesetzbuches im September 2013 haben Schweinehaltungsanlagen, die nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) ohne ausreichende Futterfläche genehmigt wurden, ihren Anspruch auf eine ­Änderung oder Erweiterung verloren. Eine entsprechende Genehmigung wäre nur noch mit der Aufstellung ­ei­nes Bebauungsplanes zusammen mit der Gemeinde möglich. Betriebe, die dem Baurecht unter­liegen, sind von den Einschränkungen nicht betroffen. Durch die aktuelle ­Änderung des Baugesetzbuches wird der Zustand für baurechtlich gewerb­liche Anlagen vor September 2013 wieder hergestellt. Allerdings nur, wenn der Bestand durch die Baumaßnahme nicht vergrößert wird und die ge­planten Änderungen zu mehr Tierwohl führen.

Für den Umbau des Deckzentrums muss innerhalb von drei Jahren ein Umbaukonzept vorliegen. Das geht nur mithilfe von Experten und Be­ratern. Gibt es dafür überhaupt genug personelle Ressourcen?

Feller: Für die Erstellung eines Betriebskonzeptes sind drei Jahre vorgesehen. Das heißt nicht, dass erst nach Ablauf des dritten Jahres mit den Überlegungen und dem Erstellen eines Konzeptes begonnen werden sollte. Auf den letzten Drücker wird es nicht klappen. Deshalb sollte man früh­zeitig mit geschulten Beratern Kontakt aufnehmen.

Abferkelbuchten müssen künftig 6,5 m2 groß sein und alle Saugferkel müssen gleichzeitig ruhen können. Wie beurteilen Sie die beiden Vor­gaben?

Feller: Für die Größe des Ferkelnestes gibt es keine genauen Vorgaben. Das muss dringend in den Ausführungs­hinweisen geregelt werden, damit sich in den einzelnen Kreisen und Bundes­ländern nicht unterschiedliche Sichtweisen etablieren. Offen ist bislang noch: Bis zu welchem Alter der Ferkel soll die Anforderung gelten? Und müssen dann alle Ferkel noch auf der eigentlichen Heizplatte liegen können? Denkbar sind Ferkelnester mit geteilten ­Flächen, um nicht für den ­geringen Flächenanspruch von neu geborenen Ferkeln eine doppelt so große ­Fläche zu beheizen. Über die absolute Buchtenfläche von 6,5 m² kann man streiten. Das We­sentliche ist die Forderung nach einer Bewegungsbucht. Hier ist die Forderung an die Stalleinrichter, funktions­tüchtige und bedienbare Buchten zu ent­wickeln. Und dies kann nur gemeinsam mit den Landwirten im Praxis­einsatz gelingen.

Künftig ist allen Schweinen jederzeit organisches und faserreiches Beschäftigungsmaterial anzubieten. Welche ­Probleme sehen Sie darin?

Meyer: Hier sehe ich mehr Perspektiven als Probleme. Die Verordnung schlägt zwar die klassischen Raufutter wie Heu, Stroh oder sogar Sägemehl vor, schließt aber unser Konzept des Einsatzes von Beschäftigungsfutter nicht aus. Damit lässt sich nicht nur das Vielfache der Beschäftigungszeiten technischer Beschäftigungsgeräte erreichen, sondern auch die Faserversorgung verbessern oder bei den Sauen die Futteraufnahmefähigkeit für die Laktation vorbereiten. Der Fantasie sind je nach betrieblichen Möglichkeiten keine Grenzen gesetzt. Für Mastbetriebe, die bislang mit einfachen Spielketten ausgekommen sind, ist das allerdings ein erheblicher Mehraufwand.

Der Ammoniakgehalt im Aufenthaltsbereich der Schweine darf 20 ppm nicht mehr überschreiten. Das Wort „dauerhaft“ wurde aus dem Verordnungstext gestrichen. Welche Probleme bereitet die Neuformulierung?

Feller: Das Wort dauerhaft wurde gestrichen, weil es mit dem EU-Recht nicht vereinbar ist. Natürlich sind alle Maßnahmen zur Senkung des Schadgasgehaltes in den Ställen zu ergreifen. Die meisten Faktoren sind sogar (fast) kostenlos. Immer noch gelangt z. B. Falschluft durch undichte Absperrschieber oder Falschluftströmungen in Gülle­kanäle und belastet die Stallluft. Es werden aber Techniken entwickelt, um Kot und Harn getrennt voneinander aus den Stallanlagen zu befördern und dadurch die Ammoniakverluste deutlich zu reduzieren. Diese Anlagen können aber in der Regel nur bei Neubauten oder Komplett­sanierungen realisiert werden.

Bei tagesrationierter Fütterung müssen in Zukunft alle Schweine gleichzeitig ­fressen können. Wie lässt sich das bei einer Sensorfütterung umsetzen?

Meyer: Es gibt künftig nur noch die rationierte Fütterung mit einem Tier-­Fressplatzverhältnis von 1:1 oder die ad libitum-Fütterung mit jeweils einem Fressplatz für vier Tiere. Eine tagesrationierte Fütterung, bei der sich zwei Schweine einen Fressplatz teilen, wird es nicht mehr geben. Diese wird in der Ferkelaufzucht künftig fehlen, um die Jungtiere zum Fressen zu erziehen und gleichzeitig zu verhindern, dass sie mit dem Futter spielen. Ansonsten heißt es: Sensor hoch und füttern!

Das KTBL hat bereits vor längerer Zeit kalkuliert, wie viel Geld der ­Umbau der Nutztierhaltung kostet. ­Inzwischen sind die Baukosten deutlich gestiegen. Muss neu kalkuliert werden?

Feller: Ohne finanzielle Förderung für den Umbau der Stallungen wird es bei vielen Betrieben nicht gehen. Die in der Beschlusssache definierten Umstellungskosten sind aufgrund der langen Diskussion um die Gesetzesänderung schon lange nicht mehr aktuell. Die Baupreise sind in diesem Zeitraum um fast 40 % angestiegen. Da muss dringend neu kalkuliert und korrigiert werden! Sinnvoll wäre es, die finanzielle Förderung an die Umsetzung von Tierwohlmaßnahmen zu koppeln. So würde man dem Wunsch der Verbraucher entsprechen und die Landwirte können schnell mit der Planung be­ginnen.

Wann tritt die geänderte Tierschutz-­Nutztierhaltungsverordnung in Kraft?

Feller: Der Bundesrat hat dem Referentenentwurf der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung nur mit Änderungswünschen zugestimmt. Die Verordnung muss daher erneut vom Bundeskabinett oder von dem zuständigen Bundesministerium mit diesen Änderungen beschlossen werden, um in Kraft treten zu können. Erst wenn die Verordnung die Unterschrift von Bundeslandwirtschafts­ministerin Julia Klöckner trägt und im Bundesgesetzblatt oder Bundesanzeiger veröffentlicht ist, wird sie auch rechtsgültig. Voraussichtlich wird dies im Herbst 2020 der Fall sein.

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