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topplus „Hart aber fair“

Özdemir verteidigt neue Haltungskennzeichnung gegen Vorwürfe aus der Praxis

Um das geplante staatliche Haltungskennzeichen für Schweinefleisch ging es am Montag im TV-Talk. Agrarminister Özdemir verteidigt seine Pläne, während die Praktiker das als unausgereift anprangern.

Lesezeit: 6 Minuten

Sorgt Bio-Fleisch nur für ein gutes Gewissen oder schmeckt es auch besser? Was kostet artgerechte Haltung? Und wer kann sich so ein Fleisch trotz Inflation noch leisten? Diese Fragen diskutierte Moderator Louis Klamroth am Montagabend bei „Hart aber fair“ in der ARD mit Landwirtschaftsminister Cem Özdemir, Schweinehalterin Gesa Langenberg, Fernsehkoch Ralf Zacherl, CDU-Agrarsprecher Albert Stegemann und Stefan Genth vom Einzelhandelsverband.

Özdemir stellte eingangs klar, dass er den Bürgern nicht vorschreiben will, was sie zu essen haben. „Wenn alle Vegetarier sind, dann haben wir auch ein Problem, dann gibt es keine Kreislaufwirtschaft“, sagte er „als Vegetarier“ und beschrieb die Bedeutung von tierischem Dünger, gerade jetzt, wo mineralischer Dünger so teuer geworden ist. Aber angesichts der planetarischen Grenzen müsse man dafür sorgen, dass es weniger Tiere werden und diese mehr Platz bekommen.

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Vergleich von Stufe 2 zu 4

Klamroth stellte den Zuschauern die vier Haltungsstufen der Initiative Tierwohl vor. Ein Einspielvideo zeigte die Unterschiede der Stallsysteme 2 und 4. Ein Praxistest bei einer Verbraucherfamilie bestätigt, dass es beim Fleisch keinen Qualitätsunterschied gibt, weder geschmacklich noch von der Konsistenz. Nur kostet das Schnitzel aus Haltungsstufe 2 etwa 9 €/kg, während Stufe 4 mit 20 € zu Buche schlägt. Gesa Langenberg betont daher, dass es hierbei also um ein Tierwohlthema geht, nicht um die Qualität des Endproduktes.

Sie selbst hält 400 Schweine in Stufe 4 und 3.000 in Stufe 2. Gerne würde sie weiter umbauen und plant dies auch, die Hürden und Kosten sind jedoch enorm. Noch fehlt ihr Planungssicherheit für die kommenden Jahrzehnte sowohl von Seiten den Politik als auch vom Markt, um dieses Investitionsrisiko einzugehen. „Die Bauern wollen etwas verändern und investieren“, betonte sie mehrfach.

Warum bekommen die Bauern so geringe Mehrerlöse?

Stefan Genth sah sich mit der Frage konfrontiert, warum die Bauern denn nur 30 Ct mehr bekommen, wenn sie statt Stufe 2 die Stufe 4 wählen. Der Handelsvertreter erläuterte hierzu, dass wir in Deutschland 7,6 Mio. t Fleisch erzeugen und 55 % in den Export gehen. Nur 17 % würden in den heimischen Verkaufsregalen landen.

Zudem habe der Handel die Initiative Tierwohl 2019 mit der Landwirtschaft gegründet und deren Start bis heute mit 1 Mrd. € finanziert, um die Landwirtschaft zu unterstützen. Erst durch den Handel sei der Tierwohlumbau in Gang gekommen. „Es besteht Konsens, dass man gesellschaftspolitisch eine Transformation der Landwirtschaft will, nur die Frage ist, wie man das umsetzt“, so Genth.

Ebenso sei wichtig, den Verbraucher mitzunehmen. „Wir haben heute leider ein völlig verändertes Verbraucherverhalten, seit dem Angriffskrieg in der Ukraine haben wir eine völlig verunsicherte Bevölkerung. Es gibt auch 30 % der Bevölkerung, die weniger als 2.000 € Haushaltsnettoeinkommen haben. Die sind nicht in der Lage, soviel Geld für Essen zu investieren.“ Da müsse die Politik ansetzen und diese Personengruppen unterstützen.

Neues Siegel

Nun plant Minister Özdemir ein neues, verpflichtendes Siegel neben der Initiative Tierwohl. Gelten soll es in einem ersten Schritt für frisches, unverarbeitetes Schweinefleisch. Neu wäre eine fünfte Haltungsform für Bio. Was heute Haltungsstufe 2 ist, würde in Özdemirs Siegel der Stufe „Stall+Platz“ entsprechen; die Tiere würde dort mehr Platz bekommen.

„Ich will nicht noch ein Siegel, sondern ein staatlich verbindliches Siegel“, erklärt der Grünen-Politiker und begründet dies mit den Empfehlungen der Borchert-Kommission sowie dem veränderten Fleischkonsum der Verbraucher. Da die Politik hier viel Zeit verstreichen ließ sehe man nun, dass der Handel das Ruder übernimmt mit Vorstößen zu mehr Tierwohl, Beispiel Aldi und die Schwarz-Gruppe mit mehr Haltungsstufe 3 und 4 sowie pflanzenbasierten Fleischalternativen.

Özdemir will bei der Einführung schrittweise vorgehen und dann die Gastronomie und die anderen Nutztierarten dazunehmen. „Da ich mich hier auf Europarechtsebene bewege, muss ich es notifizieren lassen aus Brüssel.“ Und mit dem Siegel allein sei es ja nicht getan. So müsse man auch das Baugesetz und die TA-Luft ändern, wozu er die Unterstützung der Länder – vor allem der CDU-Länder – benötige. Und dann koste das alles viel Geld.

150 Mio. € „Anschubfinanzierung“

Albert Stegemann unterstützt die Richtung, beklagt jedoch die fehlende Finanzierung. So seien 1 Mrd. € auf vier Jahre verteilt und hiervon für 2023 nur 150 Mio. € vorgesehen. Laut Borchert-Berechnungen seien aber 3 Mrd. € pro Jahr erforderlich – nach der gestiegenen Inflation sind es sicherlich heute 5 Mrd. € für Baukosten etc. „Wenn ich jetzt mal mit spitzen Bleistift rechne, machen Sie Herr Özdemir nur jedem 40. Landwirt ein Angebot. Das ist halbherzig.“ Es hätten viele an den Umbauplänen mitgewirkt, es gebe viele Gutachten. Doch das Baurecht beispielsweise sei an den Sozialdemokraten gescheitert.

Özdemir kontert, dass der Handel doch die 1 Mrd. € weiter einbringe, „die habe ich an Bord“. Die 150 Mio. € seien dagegen eine Anschubfinanzierung ausschließlich für den Bereich Schwein. Er warf Stegemann vor, den Umbau zu Zeiten der Großen Koalition selbst nicht geschafft zu haben. „Sie machen Parteipolitik!“

Das will Stegemann nicht gelten lassen: „Der Finanzminister hat 500 Mrd. € neue Schulden aufgenommen und davon machen Sie am Verhandlungstisch 150 Mio. € für den Umbau der Tierhaltung locker, obwohl Sie vorher angekündigt haben, dass Ihnen das Thema wichtig ist“, ärgert sich der CDU-Politiker und Landwirt. Özdemir habe da ein Problem mit seinen Koalitionären und kündige nur an, statt zu liefern. „Ihre ganze Arbeit besteht nur aus Ankündigungen.“

Viele Schweinehalter fühlen sich ausgeschlossen

Gesa Langenberg will Özdemirs Pläne gerne nutzen, doch nach Sichtung der Entwürfe musste sie nach eigener Aussage feststellen, dass sie da für den Umbau nach Haltungsstufe 4 viele Probleme sieht. „Sie wollen Ausläufe fördern, dass die Schweine nach draußen können. Das geht in vielen Regionen aber gar nicht“, erklärte sie dem Minister.

Und dann gebe es da sehr viele Kriterien, die sich an der ökologischen Schweinehaltung orientieren. Doch wenn es um eine gesamte Transformation der Tierhaltung gehe und man 18.000 Schweinehalter mitnehmen will, dann müssten wir jede Verbesserung des Tierwohls honorieren. „Es kann nicht sein – und wir reden über einen Bioanteil bei Schwein von 1 bis 2 % - dass nur solche Betriebe davon profitieren können“, so Langenberg.

Ein Beispiel: Ganz konkret möchte sie weitere Ställe mit einer Kot-Harn-Trennung ausstatten, was einen enormen Beitrag zum Klimaschutz leiste. Dieser Bereich muss aber zwangsläufig aus Spalten bestehen. Das habe Özdemir völlig außer Acht gelassen. „Betriebe, die so eine innovative Lösung haben, lassen Sie gar nicht zu“, so ihr Vorwurf. Özdemir beschwichtigt, er habe die Gesetze zusammen mit Borchert, den Praktikern und dem Bauernverband gemacht. Gefördert würden gezielt die höheren Stufen, für die niedrigeren sei der Handel zuständig. Dafür gebe es die 1 Mrd. €.

Die ganze Sendung können Sie sich hier im Video ansehen.

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