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Hof Albersmeier: Vollspalten raus, Stroh rein

Klaus und Marianne Albersmeier gehen neue Wege: Anstatt weiter 5000 Schweine auf Vollspalten zu mästen, halten sie heute 3500 Tiere auf Stroh. Ihr Fleisch vermarktet Rewe West exklusiv.

Lesezeit: 9 Minuten

Marianne und Klaus Albersmeier sind begeisterte Schweinemäster. Bislang haben sie das in voll klimatisierten Mastställen mit Vollspaltenboden getan. In mehreren Entwicklungsschritten baute das Ehepaar insgesamt 5000 Mastplätze und vermarktete jährlich knapp 15000 Schweine.

Die zunehmende Kritik an dieser Haltungsform sowie das im Jahr 2015 veröffentlichte Gutachten des wissenschaftlichen Beirates für Agrarpolitik hat die beiden jedoch nachdenklich gemacht. „Als wir das Gutachten gelesen haben, war uns klar, dass es mit unserer derzeitigen Tierhaltung so nicht weitergeht“, erinnert sich Klaus Albersmeier.

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Es hat nicht lange gedauert und im Kopf der beiden Unternehmer aus Lippetal bei Soest in NRW reifte die Idee, die Schweinemast vollständig neu auszurichten. „Klar war für uns, dass wir vorerst nicht auf Bioproduktion umsteigen. Denn das größte Problem war, dass wir nicht genügend Bioferkel bekommen konnten. Wir wollten unser Haltungskonzept aber dennoch so gestalten, dass dieser Schritt jederzeit möglich ist“, betont Marianne Albersmeier.

Der Startschuss für den Umbau der Mast erfolgte 2018 und dauerte über ein Jahr. Stück für Stück wurden die bestehenden Mastställe im laufenden Betrieb umgerüstet. Immer wenn ein Stall leer war, wurde das Gebäude entkernt und der Boden planbefestigt. Das einzige, was sie übernommen haben, war die Sensorfütterung mit Kurztrog. Mit dieser Fütterungstechnik hat das Ehepaar sehr gute Erfahrungen gemacht.

In den Mastställen der Familie sieht es nun wie folgt aus:

  • Die Zahl der Mastplätze wurde von 5000 auf 3500 Plätze reduziert.
  • In jedem Abteil sind rund 420 Mastplätze untergebracht.
  • Jedem Tier stehen 1,5 m2 Fläche zur Verfügung.
  • Die Böden in den Ställen sind komplett planbefestigt und werden vollflächig mit Stroh eingestreut.
  • Die Lüftung blieb erhalten. Da die Stallfenster herausgenommen wurden, strömt nun aber ein Teil der Zuluft über die Öffnungen in das Gebäude.

Als besonderes Bonbon bieten Klaus und Marianne Albersmeier allen Tieren Außenauslauf an. Die Ausläufe sind eingestreut und zu ca. 70 % überdacht. Schwierig gestaltete sich die Genehmigung der Ausläufe. Das größte Problem war die Unsicherheit der Behörden. „Viele Mitarbeiter wussten nicht, wie sie z.B. die Emissionen bewerten sollen, weil Berechnungsdaten für Außenklimaställe und Ausläufe fehlen. Die Lösung ergab sich durch die Reduzierung der Tierzahlen. Damit waren wir nicht mehr im BImSch-Verfahren“, berichtet Klaus Albersmeier.

Bei der Planung der Umbauten wurde darauf geachtet, dass alle Ställe mit dem Teleskoplader einfach ausgemistet werden können. Dafür mussten die Unternehmer allerdings einen Teil ihrer Verkehrsflächen auf dem Hof opfern.

Gemistet wird jede Woche im Reihum-Verfahren. Während der Mist im Stall aufgeladen wird, sind die Schweine im Auslauf eingesperrt. Danach erfolgt der Seitenwechsel. Um ein Abteil mit 420 Mastplätzen zu misten, benötigen Albersmeiers etwa drei Stunden. „In den Altgebäuden dauert es etwas länger, da wir dort nur mit unserem kleinen Hoftrac fahren können“, erklärt Klaus Albersmeier die bauliche Situation.

Nachgestreut wird zwischen zwei Entmistungsterminen übrigens nicht. Familie Albersmeier und ihre Mitarbeiter stellen nach dem Ausmisten zwei bis drei Großballen in die Bucht, die grob verteilt werden. Die Schweine übernehmen den Rest.

Den Mist lagert der Unternehmer auf einer 600 m2 großen Mistplatte, die neu erstellt wurde. Überrascht war Familie Albersmeier von den zahlreichen Auflagen, u.a. im Hinblick auf den Gewässerschutz. Und auch die Statik hatte es in sich, es mussten Unmengen an Bewehrungsstahl verbaut werden. Die Behörden wollten sichergehen, dass die Betonplatte nicht reißt. Zudem hat ein unabhängiges Gutachterbüro jeden Beton-Lkw kontrolliert und am Ende stand noch die TÜV-Zertifizierung an.

Auch für die Lagerung des Strohs musste Platz geschaffen werden. Der Betrieb benötigt ca. 3000 Quader- bzw. Rundballen pro Jahr. Ein Teil der Ballen liegt in einer Lagerhalle, der Rest wird mit Vlies abgedeckt und lagert draußen. Beim Einfahren des Strohs achtet das Ehepaar auf gute Qualität, das Stroh muss trocken sein.

Schweine laufen Marathon

Den Schritt weg von der konventionellen Mast auf Vollspalten hin zur Strohhaltung bereuen Marianne und Klaus Albersmeier bis heute nicht. Sie betonen aber auch, dass die Mast bei dieser Haltungsform kein Selbstläufer ist.

Der tägliche Gang durch die Großgruppen ist anstrengend, weil die Schweine sehr quirlig sind und sich ständig an den Hosenbeinen zu schaffen machen. Außerdem kostet die Tierbeobachtung mehr Zeit als früher.

„Kranke Tiere müssen wir so schnell wie möglich finden und aussortieren, sonst werden sie von Buchtengenossen attackiert“, betont Klaus Albersmeier.

Genau hinschauen muss der Unternehmer auch bei den Ringelschwänzen. Trotz Stroheinstreu ist das Schwanzbeißproblem nicht vollständig gelöst. Es gibt zudem immer wieder Rangkämpfe und aggressives Verhalten gegenüber schwächeren Tieren. „Momentan testen wir andere Eber, wir setzen jetzt u.a. einen spanischen Duroc ein. Unser erster Eindruck ist, dass die Tiere wesentlich ruhiger sind. Das ist wichtig, denn ab Sommer wollen wir Schweine mit intaktem Ringelschwanz halten“, hofft Albersmeier auf Besserung.

Mehr Arbeit macht auch das Aussortieren der schlachtreifen Schweine aus den 420er-Großgruppen. Zwei Mal pro Woche suchen der Landwirt, seine vier Mitarbeiter und der Lehrling rund 70 Schweine aus. „Der Arbeitsaufwand ist deutlich gestiegen und das kostet Geld“, gibt Klaus Albersmeier unumwunden zu. Die Großgruppe hat aber auch Vorteile. „Dadurch, dass alle Tiere gewohnt sind, längere Strecken zu laufen, ist das Absuchen an sich deutlich stressfreier als früher. Man kann die Schweine sehr gut mit dem Treibebrett führen“, betont der lippische Landwirt.

Damit beim Aussortieren keine Hektik aufkommt, werden die schlachtreifen Schweine mindestens einen Tag vor dem Transport in eine Vermarktungsbucht umgestallt und tätowiert. So haben sie Zeit, sich vom Stress zu erholen. Das kommt der Fleischqualität zugute.

Strohwohl-Projekt der Rewe

Eine gute Fleischqualität ist Familie Albersmeier wichtig. Denn sie verkaufen ihre Schweine komplett über das Strohwohl-Programm der Rewe West. Das Unternehmen aus Köln wirbt mit dem Slogan „Strohwohl: Aus Respekt vor Tier&Natur“ sowie „Genuss mit gutem Gewissen“ bei seinen Kunden für den Kauf des Fleisches. Mit dem Engagement will Rewe nicht nur mehr in Nachhaltigkeit, Regionalität und Tierwohl investieren, sondern auch testen, wie die höherpreisige Ware vom Verbraucher angenommen wird.

In rund 60 Supermärkten in NRW und dem Norden von Rheinland-Pfalz liegt die Ware aus Lippetal mittlerweile aus. Zwei Mal pro Woche werden die Märkte beliefert. Rewe verlangt dafür je nach Artikel 4 bis 6 € pro kg mehr als für konventionell produziertes Fleisch.

Rewe West hat sich vertraglich verpflichtet, jährlich 7500 Schweine abzunehmen. Auch der Zuschlag für Familie Albersmeier ist für die gesamte fünfjährige Vertragslaufzeit fix. Die genaue Höhe des Bonus möchten Klaus und Marianne Albersmeier nicht verraten. „Er deckt aber unsere Mehrkosten wie z.B. die etwas schlechtere Futterverwertung aufgrund der hohen Schlachtgewichte, die höheren Baukosten, die Zusatzkosten für die Strohbergung und Lagerung, die Mehrarbeit usw. komplett ab. Auch ein Risikozuschlag, den wir als Unternehmer brauchen, ist gewährleistet“, versichert Albersmeier.

Im Gegenzug halten sie mehrere Vorgaben der Rewe ein. Dazu zählen:

  • Haltung aller Schweine auf Stroh,
  • doppelt soviel Platz wie gesetzlich vorgeschrieben,
  • Auslaufmöglichkeit und Beschäftigungsmaterial,
  • Einsatz von regional erzeugtem, gentechnikfreiem Futter sowie
  • kurze Transportwege.

Auf die Frage, ob er angesichts der sehr hohen Investitionssumme von rund 1,5 Mio. € immer ruhig schlafen konnte, antwortet Klaus Albersmeier mit ja. „Zum einen sind wir von unserem Konzept überzeugt. Zum anderen haben wir vor der Investition unsere Vermarktung vertraglich geregelt“, betont der Unternehmer.

Doch was passiert, wenn der Vertrag nach fünf Jahren nicht verlängert wird, schließlich laufen die Kosten weiter? „Unser Plan B sieht vor, dass wir dann auf Biohaltung umsteigen. Mit unserem Ferkelerzeuger haben wir bereits besprochen, dass er seinen Betrieb dann ebenfalls umbaut. Damit wäre der Ferkelbezug gesichert“, verrät Albersmeier seinen Plan.

Thekenmannschaft im Stall

Zufrieden ist man bei Rewe darüber, wie gut das Projekt Strohwohl beim Verbraucher ankommt. Um den Absatz weiter zu erhöhen, wird das Verkaufspersonal regelmäßig geschult. „Von allein verkauft sich das Fleisch nicht. Die Kunden müssen gezielt informiert werden“, heißt es dazu bei Rewe.

Zum Fortbildungsprogramm der Kollegen von der Fleischtheke gehören auch Besuche bei den Landwirten. „Wir zeigen den Fleischfachverkäufern, wie wir die Tiere halten, warum uns das so wichtig ist und beantworten jede Frage ausführlich“, betont Marianne Albersmeier.

Zusätzliche Infos finden die Verbraucher in Flyern und Produktvideos. Die wichtigsten Verkaufsargumente sind dabei die gute Fleischqualität und die Tierwohl-optimierte Haltungsform.

Vermarktung erst mit 150 kg

Beim Thema Fleischqualität ist Rewe wichtig, dass sich das Strohwohl-Fleisch geschmacklich abhebt. Mehr Geschmack bringen u.a. die höhere Speckauflage und der hohe Anteil an intramuskulärem Fett. Die Speckauflage resultiert u.a. aus dem deutlich höheren Schlachtgewicht. Familie Albersmeier vermarktet ihre Tiere erst mit 140 bis 150 kg Lebendgewicht, das Schlachtgewicht liegt bei 120 kg.

Bei Rewe betont man außerdem, dass das Fleisch saftiger schmeckt. Das liegt daran, dass beim Braten weniger Fleischsaft verloren geht. „Alle Beteiligten wollten von Beginn an, dass sich das Fleisch von der konventionellen Ware abhebt. Geschmacklich ist das der Fall, zudem sind die Teilstücke größer als üblich“, erklärt Klaus Albersmeier.

Doch rechnet sich das hohe Schlachtgewicht für den Landwirt, drohen ihm keine finanziellen Abzüge? „Wir vermarkten nur nach Gewicht. Die etwas erhöhte Speckauflage ist daher kein Problem“, beschreibt der Unternehmer die Abrechnungsmodalitäten.

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Raps und Bohnen im Trog

Laut Vertrag dürfen die Strohwohl-Schweine nur mit GVO-freiem Futter gefüttert werden. Familie Albersmeier setzt auf heimische Eiweißträger wie Rapsextraktionsschrot und Ackerbohnen. Um diese „fit“ für den Futtertrog zu machen, wird das Futter im Batchverfahren fermentiert. Bei diesem Konzept werden zwei Fermenter immer wechselseitig befüllt, das Futter fermentiert durch und wird dann komplett verfüttert. Der Prozess dauert rund 24 Stunden, dann ist der pH-Wert auf 3,6 bis 3,7 gesunken.

Das Fermentat selbst besteht aus Weizen, Roggen, Triticale, Rapsextraktionsschrot und Ackerbohnen. Es wird mit 70% in der Vor- und 75% in der Endmast eingesetzt. Die Ergänzung mit Mineralstoffen und Aminosäuren erfolgt über einen hofeigenen Ergänzer, der auf einem Mineralfutter basiert.

Für Klaus Albersmeier hat sich die Investition gelohnt. „Weil wir jetzt Rapsextraktionsschrot und Ackerbohnen füttern können, sind die Futterkosten deutlich gesunken. So erhalten wir einen zusätzlichen finanziellen Bonus“, freut sich der Landwirt.

Leistungen zweitrangig

Marianne und Klaus Albersmeier haben mit ihrem Schritt hin zur Strohmast in größerem Stil Neuland betreten. Sie sind sich darin einig, dass künftig mehr Landwirte ihre Tierhaltung verändern werden. „Die Wirtschaftlichkeit in der Schweinehaltung wird in Zukunft nicht mehr nur an den Tageszunahmen oder der Futterverwertung gemessen, sondern daran, ob ich unversehrte Tiere produziere. Dazu gehört der Kastrationsverzicht ebenso wie der intakte Ringelschwanz. Mit unserer Haltung haben wir dafür heute die Grundlagen geschaffen“, blicken Marianne und Klaus Albersmeier positiv in die Zukunft.

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