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Hubertus Beringmeier: „Die Tierschützer treten den Tierschutz mit Füßen“

WLV-Präsident Hubertus Beringmeier hat kein Verständnis für die Schlachthof-Blockaden der Tierschützer. Kritik übt er auch an den Molkereien, weil diese Lieferverträge zu voreilig unterschreiben.

Lesezeit: 7 Minuten

Interview mit Hubertus Beringmeier, Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes (WLV):

Herr Beringmeier, angesichts der anhaltenden Corona- und ASP-Probleme stauen sich weiterhin tausende Schweine und Ferkel in den Ställen. Genau in dieser schwierigen Zeit legen Tierschützer Schlachthöfe lahm. Können Sie das Verhalten nachvollziehen?

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Beringmeier:Nein, für diese Blockaden habe ich überhaupt kein Verständnis. Wir sind momentan in einer Situation, wie wir sie in dieser Form noch nicht erlebt haben. Natürlich hatten wir immer mal wieder schlechte Preise. Dass wir unsere Schweine aber überhaupt nicht verkaufen konnten, das gab es noch nie. Durch ihre Aktionen treten die Tierschützer den Tierschutz momentan mit Füßen. Diese Leute müssen sich dringend einmal überlegen, was sie anrichten, wenn sie einen Schlachthof von der Arbeit abhalten. Momentan brauchen wir jeden Schlachthaken, um die Situation in den Ställen zu entzerren.

Das wird die Tierschützer wenig beeindrucken. Sie fordern den Umbau der Tierhaltung.

Beringmeier:Wir sind doch auf dem Weg. Die Branche hat ein ganz klares Bekenntnis zu den Empfehlungen der Borchert-Kommission abgegeben. Auch wir wollen die Weiterentwicklung der Tierhaltung, wir stehen zu 100 % hinter den Borchert-Plänen.

Dass wir Schweine nicht verkaufen konnten, das gab es noch nie.

Sehen Sie Anzeichen dafür, dass sich die Vermarktungssituation bald entspannt?

Beringmeier: Die Schlachtgewichte in Westfalen-Lippe steigen seit einer Woche nicht mehr an. Das ist ein Zeichen dafür, dass die Schweine besser abfließen. In Niedersachsen ist die Situation leider noch schwierig. Wir müssen deshalb bundeslandübergreifend dringend dahinkommen, dass alle an der Kette Beteiligten enger zusammenarbeiten. Das sind die Schlachthofbetreiber, die Überwachungsbehörden, aber auch die Politiker. Entscheidend ist, dass die Schlacht- und Zerlegekapazitäten weiter hochgefahren werden.

Insbesondere NRW-Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann gibt sich weiter wenig kompromissbereit und setzt auf scharfe Kontrollen in der Fleischbranche. Ist der Minister zu hart?

Beringmeier: Einerseits kann ich ihn verstehen, Minister Laumann muss die Corona-Schutzbestimmungen des Landes NRW durchsetzen. Hier geht es vor allem um den Arbeitsschutz. Allerdings brauchen wir mehr Fingerspitzengefühl bei manchen Entscheidungen, wie z.B. das Beispiel des Schlachthofes in Gelsenkirchen zeigt. Dort ist ein Mitarbeiter des Veterinäramtes erkrankt und sofort zieht man die ganze Mannschaft ab, sodass die Schlachtungen eingestellt werden mussten. Das geht nicht. Zum Glück konnten wir mit den Behörden wenig später dann doch noch eine Lösung finden.

Durch die ASP haben deutsche Unternehmen den Zugang zu vielen Exportmärkten verloren. Sehen Sie Chancen, dass China das Regionalisierungsprinzip doch noch anerkennt?

Beringmeier: Laut Dr. Dietrich Rassow, Chefveterinär des BMEL, laufen die Gespräche mit den chinesischen Vertretern auf Arbeitsebene sehr gut. Aber wir wissen auch, dass wir am Ende noch einmal ein Signal der Kanzlerin in Richtung China brauchen. Nur dann ließen sich die Türen vielleicht wieder ein Stück weit öffnen. Hilfreich wäre es, wenn wir keine weitere positiven ASP-Funde haben. Doch das ist momentan leider nicht der Fall, wie der jüngste Fund in Sachsen zeigt.

Die Molkereien dürfen nicht voreilig Verträge mit dem LEH unterschreiben.

Milchviehhalter kritisieren, dass sich die aktuellen Diskussionen nur um die Schweine drehen. Doch auch bei den Rinderhaltern läuft es derzeit alles andere als rund. Was tun Sie für die Rinderhalter?

Beringmeier: Wir arbeiten hier derzeit an verschiedenen Fronten. Momentan bemühen wir uns z.B. intensiv um eine 40%ige Förderung bei Investitionen rund um die Grundfutterlagerung auf Siloplatten bzw. in Fahrsilos. Denn zu den Folgen der letzten beiden Dürrejahre müssen die Betriebe jetzt auch noch erhebliche Summen investieren, um der Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AWSV) nachzukommen.

Gesprächsbedarf gibt es auch mit den Molkereien. Die finanziellen Rückschläge bei den Trinkmilchabschlüssen sind inakzeptabel. Ich sage in dieser schwierigen Situation ganz deutlich: Auch die Molkereien müssen Verantwortung übernehmen und dürfen nicht leichtfertig Lieferverträge unterschreiben. Es kann nicht sein, dass von den Milcherzeugern immer mehr verlangt wird, ihr Mehraufwand am Ende aber nicht vergütet wird. Der aktuelle Milchpreis von nur knapp über 30 Cent ist unterirdisch.

Die Milch ist die eine Seite, beim Rindfleisch sieht es derzeit auch nicht rosig aus. Richtig?

Beringmeier: Corona geht leider auch an den Rinderschlachthöfen nicht spurlos vorbei, auch hier gibt es Personalprobleme. Zudem erleben wir beim Rindfleisch derzeit einen massiven Preisverfall, vor allem bei den Schlachtkühen. Das ist vor allem eine Folge der Schließung der Gastronomie und des Arbeitskräftemangels an den Schlachthöfen. Auch die Betriebe mit Mastkälbern sind massiv von den Folgen der Coronapandemie betroffen.

Die Rinderhalter verlangen mehr Austausch mit dem WLV. Was wollen Sie tun?

Beringmeier:Wir planen Anfang Dezember einen digitalen Tag für Milchviehalter, den wir prominent besetzen wollen. Unter anderem sind wir mit Milchpräsident Karsten Schmal vom Deutschen Bauernverband im Gespräch. Natürlich ist das unter Corona-Bedingungen alles schwierig. Doch wir werden auch unseren für den 26.11. geplanten Veredlungstag digital durchführen.

Zwischen uns und der ISN passt kein Blatt.

Landwirtschaft ist bunt und vielfältig. Kein Wunder, dass es mittlerweile eine Vielzahl von Interessensvertretungen gibt. Leider driften diese aktuell immer weiter auseinander? Müsste angesichts der aktuellen Probleme nicht mehr Einigkeit herrschen?

Beringmeier: Der WLV hat fast 40.000 Mitglieder von öko bzw. konventionell über Milch, Fleisch und Pflanze. Wir sehen uns als Interessensvertretung des gesamten Berufsstandes. Zudem bleiben wir im Gespräch mit anderen Organisationen. Zwischen uns und der ISN z.B. passt kein Blatt. Gleiches gilt für die Organisationen der Rinderhalter, sei es die Landesvereinigung Milch oder die Rinder-Union West. Und mit der Landesspitze des LsV sind wir in sehr engem Austausch. Ich sehe nicht, dass wir uns zersplittert haben. LsV hat durch die Demonstrationen eine ganze Menge erreicht. Und ich glaube sogar, dass wir in dieser Krise ein Stück weiter zusammengerückt sind.

Natürlich gibt es in den WhatsApp-Gruppen auch mal Dinge, die mir nicht gefallen. Ab und zu würde ich gerne direkt darauf antworten, mache es aber meistens nicht. Ich lege dann das Handy beiseite und sage mir „tief durchatmen“. Aber da kommen auch eine ganze Menge Anregungen – und das sehe ich positiv.

Ein enger Kontakt zu den Mitgliedern ist enorm wichtig. Sie nutzen dazu wegen der aktuellen Coronasituation auch Video-Podcasts. Wie kommt das an?

Beringmeier: Der Verband muss jünger werden und wir müssen mehr kommunizieren – sowohl nach innen als auch nach außen. Bereits direkt nach meiner Wahl habe ich deshalb mit den Videobotschaften begonnen. Ich bekomme tolle Rückmeldungen, auch von jungen Leuten. Wir haben eine enorme Reichweite damit. Da ruft auch schon mal Ministerin Heinen-Esser an und sagt: was Sie gestern in Ihrer Videobotschaft gesagt haben, das sehe ich aber anders. Natürlich fehlen uns derzeit die Präsenzveranstaltungen. Doch auch nach Corona werden wir einiges beibehalten. Die schnelle Information der Mitglieder wird immer wichtiger.

Kommunikation nach innen ist wichtig. Aber vielen Mitgliedern ist Ihre Kommunikation nach außen nicht frech genug. Muss der Verband nicht endlich agiler werden und vielleicht auch mal auf die Pauke hauen?

Beringmeier:Unsere Kampagne „Mag doch jeder“ läuft. Doch ganz ehrlich: Da ist noch Potenzial. Unser Beirat, in dem auch Landwirte aktiv sind, macht tolle Arbeit. Das Ganze steckt aber noch in den Kinderschuhen, wir müssen intensiv daran arbeiten. Wir brauchen mehr Ideen, auch von der Basis. Wenn Landwirte sagen: Mensch, ich habe eine tolle Idee. … Feuer frei! Und dann müssen wir als Verband auch mal einen Euro in die Hand nehmen und aktiv werden. Wer soll das denn sonst machen, wenn nicht wir?

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